Zu viel Strom aus Sonnenlicht

Berlin · Die umweltfreundliche Erzeugung von Strom aus Sonnenenergie wird vom Staat gefördert. Doch das unerwartete Wachstum der Solaranlagen zwingt die Regierung zu Förderkürzungen.

Saarlands Ministerpräsident Peter Müller gehört zu den Glücklichen. Der CDU-Politiker hat auf dem Dach seines Privathauses seit 2007 Solarmodule installiert, um modern und ökologisch zu sein. Nebenwirkung: Seitdem klingelt Müllers Kasse, ob der Mann will oder nicht. Immer mehr Bundesbürger, auffällig viele im Süden der Republik, auffällig viele Bauern, haben sich solche Gelddruckmaschinen angeschafft. Jetzt zieht Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Notbremse - sogar mit Zustimmung der Solarbranche.

Gestern verkündete Röttgen in Berlin Details seines zuvor mit dem Bundesverband Solarwirtschaft abgestimmten Plans, der jetzt noch durch Bundestag und Bundesrat muss.

Die schon im vergangenen Jahr beschlossenen und ab 2012 geplanten Förderkürzungen werden auf den 1. Juli dieses Jahres vorgezogen, falls der Run auf diese Energieform anhält. Grund des Eilbeschlusses: 2010 wurden in Deutschland insgesamt Solardächer mit einer Leistung von sieben Gigawatt (ein Gigawatt entspricht etwa der Leistung eines Kernkraftwerks) neu in Betrieb genommen, zwei Gigawatt mehr als erwartet. Die Kosten, die alle Stromkunden über eine Umlage zu zahlen haben, schossen auf 13 Milliarden Euro hoch. Die Umlage für alle erneuerbaren Energien stieg von zwei Cent je Kilowattstunde auf 3,5 Cent. Erwünscht sind laut Röttgen jährliche 3,5 Gigawatt neue Solaranlagen. Denn der Anteil des Solarstroms soll von heute zwei auf zehn Prozent bis 2020 steigen. Alles, was über 3,5 Gigawatt Zubau liegt, soll deshalb ausgebremst werden. Mit jedem Gigawatt mehr sinkt die Förderung ab Juli nach dem Vorschlag um drei Prozent. Entscheidend soll die Entwicklung in den Monaten März bis Mai sein. Maximal könnte es in diesem Jahr ein Absenken der Förderung um 15 Prozent geben, falls mehr als 7,5 Gigawatt zusätzlich auf den Dächern installiert werden. Ab 2012 kommen weitere neun Prozent sogenannter Basisdegression hinzu, die schon beschlossen waren. Im Extremfall könnte der erzielte Preis pro Kilowattstunde für die Solarstrom-Erzeuger so auf 21,84 Cent sinken - von jetzt 28,74 Cent. Vor einem Jahr waren sogar noch 39,14 Cent Einspeisevergütung gezahlt worden.

Auch die Anlagen werden immer billiger



Die Anlagen rechnen sich trotzdem, denn die Herstellungskosten für die Module sinken ebenfalls drastisch. Und normaler Strom wird an den Strommärkten mit rund sechs Cent je Kilowattstunde gehandelt.

Ministerpräsident Müller muss ohnehin nicht bangen: Die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Anlage geltende Einspeisevergütung wird immer 20 Jahre lang garantiert. Bei ihm dürften es 2007 deutlich über 40 Cent je Kilowattstunde gewesen sein.

Die Photovoltaik ist laut Röttgen für Deutschland eine Schlüsselbranche der Zukunft. Heute beschäftigt sie schon rund 133 000 Menschen; der Exportanteil ist hoch. Trotz nur rund 800 Sonnenscheinstunden in Deutschland ist aber die solare Stromerzeugung auch hierzulande so attraktiv, dass viele Wege gesucht werden, um noch rentable Flächen zu finden. So werden neuerdings große Parkplätze mit "Carports" überbaut, der Dächer wegen. Und das 2010 erfolgte Auslaufen der Förderung auf Ackerland wird durch den Bau von angeblichen Unterständen für Tiere oder Stroh kompensiert, die oft nur aus einer riesigen Schräge bestehen. Man beobachte diese Entwicklungen sorgsam, hieß es im Umweltministerium.

Bei SPD und Grünen, den Erfindern des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, wurde Röttgens Entscheidung gestern begrüßt. Dass die Förderung sinke, sei beabsichtigt gewesen und zeige, dass die erneuerbaren Energien immer konkurrenzfähiger würden, hieß es bei beiden Parteien. Kritisiert wurde jedoch, dass die Anpassung an einem einzigen Stichtag, am 1. Juli, erfolgen soll. Das werde, so SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber, eine Art Schlussverkauf auslösen. "Module der Welt, kommt zu uns!", wird laut Kelber jetzt die Losung sein.

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