Zum Seelenbild des Unternehmers

Was ist mit unseren Führungskräften in Wirtschaft und Politik los? Diese Frage bewegt derzeit viele Menschen. Die herkömmlichen Profilmodelle hinterfragt der Arzt und Psychologe Niels Bergemann.

Daun/Trier. (ako) Was treibt Manager: Gier, Machtwille und Egoismus? Derartige Klischees erklären nicht viel, wie der Psychologe Niels Bergemann, scheidender Chefarzt der AHG-Kliniken Daun sowie Lehrbeauftragter unter anderem an den Universitäten Trier und Heidelberg, betont. Entgegen gängigen Vorurteilen ist nicht einmal ein extrovertierter Charakter ein Muss für eine Führungskraft: "Zur Vorhersage von Führungserfolg reicht es nicht aus, Persönlichkeitseigenschaften heranzuziehen." Wissenschaftliche Erkenntnisse ebenso wie die eigene langjährige Arbeit mit Managern belegten vielmehr, dass die bei Personalverantwortlichen häufig noch vorgenommene Zuordnung von bestimmten Charakterprofilen zu einer Eignung als Führungskraft nur begrenzt aussagekräftig ist.

Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg von Führungskräften seien auch situationsbedingte Faktoren. "Wenn es ansonsten ein wesentliches Kriterium gibt, dann ist es Intelligenz." Hinzu kommen Risikofreude, Beharrlichkeit und Durchsetzungswille. Nicht selten finden sich auch narzisstische Akzentuierungen. "Die Frage ist jedoch, ab welchem Punkt und unter welchen Rahmenbedingungen diese Eigenschaften einem Unternehmen oder einer Organisation zu schaden anfangen. Einseitige Ausprägungen können unter Umständen eine gesunde Unternehmenskultur torpedieren."

Ein emotionaler Analphabet, der weder die eigenen noch die Gefühle der anderen wahrnimmt und stattdessen allein Zahlen sprechen lässt, sei jedenfalls auf Dauer kontraproduktiv: "Führung erfordert immer ein sehr hohes Maß an Resonanzfähigkeit. Andernfalls ist ein Chef blind dafür, wie sich die Dinge bei Kunden oder Mitarbeitern entwickeln. Solch ein Manager bleibt bestenfalls auf mittlerem Niveau stehen." Ein Problem sieht Bergemann im öffentlich verankerten Bild des typischen Machers, der mit seiner unentwegten Fokussierung auf beruflichen Erfolg die eigene Beziehungsebene schwächt. Das Image als Macher verhindere das Annehmen von Hilfe. "Das Selbstkonzept sollte sich ändern dürfen", nannte Bergemann eine Gegenstrategie. Die allerdings sei nicht einfach.

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