Angeklagt Amtsgericht Wittlich verhandelt tödlichen Badeunfall

Wittlich · Im Fall des 2017 verstorbenen Badegastes im Vitelliusbad Wittlich rechtfertigt sich am Dienstagvormittag die Schwimmmeisterin vor dem Amtsgericht. „Ich habe getan, was ich für richtig hielt!“

Ein tödlicher Badeunfall, der sich im Februar 2017 im Wittlicher Vitelliusbad ereignet hat, wird seit gestern am Amtsgericht Wittlich verhandelt. Weshalb der 78-jährige Badegast damals plötzlich leblos auf den Beckenboden absank, während er dort an einem Februarnachmittag seine Bahnen zog, diese Frage ist allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Gericht interessiert vielmehr, warum die 51-jährige Schwimmmeisterin, die den 78-Jährigen leblos vom Beckenboden geborgen hat, diesen im Anschluss über einen Zeitraum von mehreren Minuten nicht versucht hat wiederzubeleben.

Das geschah erst wenige Minuten später, als der Notarzt eintraf. Ihm gelang die Wiederbelebung. Trotzdem starb der Patient kurze Zeit später im Krankenhaus.

Hat das städtische Fachpersonal im Vitelliusbad an diesem Nachmittag Fehler gemacht und sich wegen unterlassenen Hilfeleistung strafbar gemacht? Diese Frage will das Amtsgericht Wittlich jetzt klären. Wie Staatsanwältin Frauke Straaten sagt, wäre die unterlassene Hilfeleistung mit einer Geld- und Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zu ahnden.

Die 51-jährige Angeklagte, die seit den 1980er-Jahren im Vitelliusbad in Wittlich als Schwimmmeisterin arbeitet, ist sich keiner Schuld bewusst. „Wir hatten den Mann erst gerade aus dem Wasser gezogen, da kam auch schon der Notarzt in den Hof gefahren. Das ging unglaublich schnell“, sagt die Angeklagte.

Da sie bei dem 78-Jährigen keinerlei Vitalzeichen habe feststellen können, sei sie nach seiner Bergung direkt ins Bademeisterzimmer gelaufen, um einen Defibrillator, einen Stromschocker zur Reanimation, zu holen. „Wir haben beim Erste-Hilfe-Kurs gelernt, dass man einen Defi benutzen soll, wenn man keine Vitalzeichen mehr feststellen kann“, erklärt die Schwimmmeisterin auf der Anklagebank.

Dann aber sei ihr aufgefallen, dass der Körper und der Boden rund um den 78-Jährigen, den sie auf dem Beckenrand abgelegt habe, ja nass gewesen sei, weshalb sie den Defibrillator doch nicht habe anwenden können. „Man hätte den Mann, den Boden rundherum und das Personal, das den Defi benutzt, erst abtrocknen müssen“, sagt die Schwimmmeisterin. „Warum haben sie dann keine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchgeführt, statt das Gerät zu holen“, fragt Staatsanwältin Frauke Straaten. „Ein Rettungshubschrauber hätte auch nicht im Schwimmbad landen können. Ich verstehe nicht, dass sie nicht Maßnahmen ergriffen haben, die möglich waren und sich stattdessen auf den Defibrillator berufen.“ Die Angeklagte sagt: „Ich hätte nichts anderes machen können und mache mir keine Vorwürfe.“

Vorwürfe und kritische Bemerkungen äußern am Dienstagvormittag im Gerichtssaal allerdings zwei Zeugen: „Außer den Mann am Beckenrand abzulegen, ist nichts gemacht worden. Er hat da ein paar Minuten gelegen. Eine Wiederbelebung wurde nicht versucht“, sagt ein 70-jähriger Badegast, der zur Zeit des Unfalles ebenfalls im Schwimmbad war. Auch der 13-jährige Junge, der den leblosen 78-Jährigen am Beckenboden bemerkt und die Bademeisterin daraufhin alarmiert hat, übt Kritik an der Reaktion des Personals: „Ich habe am Bademeisterzimmer geklopft und gerufen, aber man hat mich zunächst gar nicht ernstgenommen“, sagt der heute 14 Jahre alte Wittlicher. Erst nach wiederholtem Klopfen und Rufen sei ihm die Bademeisterin zur Unfallstelle ans tiefe Schwimmerbecken gefolgt, sei hinabgetaucht und habe den 78-Jährigen vom Beckenboden geborgen, sagt der 14-Jährige im Zeugenstand. „Am Anfang wurde erst mal nichts gemacht, bis der Krankenwagen kam.“ Ein weiterer Zeuge, der den Vorfall als Badegast beobachtet hat, meint hingegen: „Damals dachte ich: Der 78-Jährige kann sich bei der Bademeisterin bedanken, wenn er das überlebt. Die hat fachlich alles im Griff.“

Richterin Silke Köhler und Staatsanwältin Frauke Straaten möchten weitere Zeugen hören. Zum einen soll der Notarzt, der den leblosen 78-Jährigen reanimiert hat, als Zeuge gefragt werden. Zum anderen soll ein Dozent der Rettungsdienste, der dem Fachpersonal die Erste-Hilfe-Praxis vermittelt hat, zu Wort kommen.

Staatsanwältin Frauke Straaten möchte von ihm wissen, ob die von der Schwimmmeisterin verfolgte Strategie, ausschließlich einen Defibrillator anwenden zu wollen, weil sie keine Vitalfunktionen bei dem 78-Jährigen mehr habe feststellen können, wirklich die allgemein anerkannte Lehrmeinung sein soll. Die Verhandlung wird am Dienstag, 5. Juni, um 9 Uhr fortgesetzt.

Mehr zum Prozess:

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort