Das Leben ist kein Ponyhof – und die Kirmes? - Tierschützer und Lokalpolitiker diskutieren

Wittlich. · Soll die Stadt Wittlich das Ponykarussell auf dem Rummelplatz der Säubrennerkirmes aus grundsätzlichen Überlegungen verbieten? Gelegenheit, die jeweilige Sicht vorzutragen und zu diskutieren, gab es im Wirtschaftsausschuss. Zur Sitzung waren Tierschützer und Vertreter des Veterinäramtes eingeladen. Eine Entscheidung ist zwecks Meinungsbildung in den Fraktionen vertagt worden.

Das Leben ist kein Ponyhof – und die Kirmes? - Tierschützer und Lokalpolitiker diskutieren
Foto: Eileen Blädel

Kinder, Tiere, Kirmes: Ponykarussell! Genau das hat auf der Wittlicher Säubrennerkirmes Tradition. Wie lange noch? Am liebsten nimmermehr! Das sagen Tierschützer. Sie haben unter anderem im vergangenen Jahr auf dem Volksfest gegen die Pferdchen im Rund als Kirmesattraktion für die Kleinsten protestiert, an die Stadträte geschrieben, eine Online-Petition organisiert, Leserbriefe verfasst, Kirmesbesucher über ihr Ziel informiert.

Nicht zum ersten Mal. Immer wieder wird ein Verbot des Ponyreitens dieser Art gefordert, so auch konkret 2012 vom Förderverein Eifeltierheim. Die damals angebotene Besichtigung hat die Tierschützer nicht zufriedengestellt. Die Proteste, wie anderenorts auch, gingen weiter. Nun ist nach der Kirmes bekanntlich vor der Kirmes und deshalb sollte im Wirtschaftsausschuss "sachlich und respektvoll" diskutiert werden, wie Bürgermeister Joachim Rodenkirch voranschickte: Dazu waren neben vielen Tierschützern als Publikum zum Vortragen auch Anke Zimmer und Jutta Luna vom Förderverein Eifeltierheim, Rainer Valerius, Fachbereichsleiter Veterinäramt bei der Kreisverwaltung und Tierärztin Gundula Stamer eingeladen. Anke Zimmer schickte voran, beim Verein gingen etliche Beschwerden über das Ponykarussell ein: "Und ich rede nicht von zehn Briefen." Man müsse sich fragen "ob das noch zeitgemäß ist". Sie verwies auf Verbote, die es bereits in Neuwied oder Wien gebe. Jutta Luna erinnerte: "Die Tiere laufen im Kreis. Der Lärm ist immens. Es geht auf die Gelenke, ist wirklich Tierquälerei. Es gibt viele, die sagen: ,Ich kann da gar nicht hingucken'. Es belastet viele Leute mit ihren Kindern. Und es wäre schön, wenn Sie Vorreiter wären und es einstellten."

Dass die Ponys gepflegt seien, stellten beide Tierschützerinnen nicht in Abrede. Und das bekräftigte die für die Betriebserlaubnis zuständige Kreisverwaltung. Rainer Valerius: "Die Tiere werden gut gehalten, die Auflagen erfüllt. Etwas anderes ist die Wertung aus ethischer Sicht. Das unterliegt einem Wandel. Aber von unserer Seite war nie was." Tierärztin Gundula Stamer schließt sich an: "Den Tieren geht es sehr gut. Der Halter macht mehr, als er müsste. Aber wenn man es als Vorbild für Kinder sieht, mit Lärm, Hitze, Gelenkbelastung… Er macht das wirklich sehr gut, doch das große Aber bleibt."

Klar gesagt wird auch, man habe dem Betreiber im Zuge der Debatte im vergangenen Jahr "Unrecht getan. Da waren Falschbehauptungen dabei."

Joachim Gerke, SPD, eröffnet den Austausch mit der Bemerkung: "Wir sind schon Vorreiter. Wir stellen uns öffentlich der Diskussion." Und er erinnerte: "Es gibt eine Menge Kinder, die wollen mal Pony reiten."

"Aber es ist keine artgerechte Weise zu zeigen, wie man artgerecht reitet", so Jutta Luna. Würde man Eltern aufklären, würden sie das einsehen. Kinder hätten viel Mitgefühl und lehnten das Karussell ab, wenn man ihnen erkläre, was mit den Tieren geschehe. Man böte ihnen ein falsches Bild, wie mit Tieren umzugehen sei, "dass man sie einfach so benutzen kann".

Auch eine Tradition

Landwirtin Magdalena Zelder, CDU, konterte: "Dann ist Reiten lernen auch nicht zeitgemäß. Da wird auch erst mal Abteilung geritten, bis die Kinder gut genug sind. Ich finde das Ponyreiten nicht schlecht, wenn die Tiere sauber und ordentlich gehalten werden. So ist das gut für die Kinder und den Mann, der davon lebt. Ich habe mir das zwei Jahre angeguckt und meine Meinung gut durchdacht. Und außerdem, dafür können Sie mich jetzt prügeln: Es ist irgendwie auch eine Tradition."

Landwirt und Pferdezüchter Carlo Bauer, CDU, ergänzte: "Pferde sind nun mal zum Reiten da. Ponys können das ab. Und ich habe selten Ponys in so gutem Zustand gesehen. Der ist vorbildlich."

"Das ist wahr", pflichtete die Veterinärin bei. "Wir würden ein zugelassenes Gewerbe für unsere Stadt verbieten unter der Prämisse, dass der Betreiber es vorbildlich macht", warf Bernhard Lehnen, SPD, ein und: "Ich denke, die Säubrennerkirmes ist nicht dazu da, die Eltern ideologisch aufzuklären."

Nach fast einer Stunde waren alle Argumente der "ergebnisoffenen Diskussion", die der Bürgermeister gewünscht hatte, ausgetauscht. Jetzt sollen die Fraktionen für sich beraten und dann entsprechend beschließen.

Sprüche:

"Wie geht es weiter? Ein Polizeipferd hat wesentlich mehr Stress. Ein Pferd ist für mich noch eine Art Nutztier."

Magdalena Zelder, CDU

"Dann können sie doch besser bei uns laufen."

Albert Klein, CDU, nachdem gefragt wurde, ob es denn ein Tierheim die Ponys aufnehmen würde, falls sie nicht mehr auf der Säubrennerkirmes laufen und es von Tierschützerseite hieß: "Ach es gibt noch viele andere Kirmessen."

"Man könnte dann auch mal über die Schießbuden nachdenken. Muss das sein? Ist das zeitgemäß, Kinder mit einem Gewehr?" Bürgermeister Joachim Rodenkirch, der betonte, "provokant" fragen zu wollen.

"Eine Sache noch: Den Zirkus hätte ich auch gerne weg. Aber das wäre zu viel auf einmal."

Eine der Tierschützerinnen im Publikum, die sagte, ihre Schwester, die beim DRK im Fürstenhof arbeite, habe an der Kirmes beobachtet, dass die Tiere nicht alle vier Stunden gewechselt würden.

"Wenn die doch da arbeitet, kann sie wohl nicht die ganze Zeit gucken."

Hubert Weinand, CDU

"Es geht auch darum, ob man sich die Diskussionen weiter anhören will. Das ist eine Frage, die müssen Sie entscheiden."

Rainer Valerius, Kreisverwaltung sos

Kommentar

Gut gelaufen

Die Diskussion ist sachlich geblieben, was bei einem - auch emotionalen - Thema nicht erwartbar ist. Gut, dass sie angeboten wurde. Sie bedeutet nicht das Ende der Debatte. Dass ein Betrieb, in dem man sich, wie man laut Faktenlage glauben muss, gut um seine Tiere kümmert, im lokalen Fokus steht, ist unglücklich. Daher gilt: Es muss auf einer anderen Ebene entschieden werden. Es kann nicht sein, dass das je nach öffentlichem Druck und Engagement vor Ort individuell bewertet werden soll und dafür einzelne an den Pranger gestellt werden. Falschanschuldigungen gehen definitiv zu weit. Ansonsten: Generell ist jedem freigestellt, am Ponyreiten teilzunehmen oder nicht. In Wittlich ist das Nachdenken darüber bislang gut gelaufen. Man redet respektvoll miteinander. Das ist gerade bei solchen Themen viel.

s.suennen@volksfreund.de

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