Der "Azudent" ist da

Einen Studiengang neuer Art mit zusätzlicher Ausbildung im Betrieb bietet ein Pilotprojekt des Überbetrieblichen Ausbildungszentrums (ÜAZ) und der Berufsschule (BBS) Wittlich mit der Fachhochschule am Umweltcampus Birkenfeld (UCB) und Ausbildungsbetrieben aus Wittlich. Die Neuheit ist für Abiturienten eine interessante Alternative zum "reinen" FH-Studium.

 Kevin Klas ist Azubi bei Ideal Standard und lernt, Werkzeuge für die Produktion herzustellen. Wäre er Azudent, könnte er zustätzlich noch einen FH-Abschluss bekommen. TV-Foto: Sonja Sünnen

Kevin Klas ist Azubi bei Ideal Standard und lernt, Werkzeuge für die Produktion herzustellen. Wäre er Azudent, könnte er zustätzlich noch einen FH-Abschluss bekommen. TV-Foto: Sonja Sünnen

Wittlich. Erst Abiturient, dann Azudent? Noch nie gehört? Kein Wunder. Der Wortmix aus Azubi und Student steht für einen neuartigen Studiengang, ähnlich der "Berufsakademie", der eine komplette Ausbildung und ein Studium zum "Bachelor"-Abschluss vereint. Für beide Wege zum Beruf braucht man normalerweise fünfeinhalb Jahre (für Abiturienten). Mit dem neuen Kompakt-Angebot wird der "Azudent" in vier Jahren zu den Abschlüssen Industriemechaniker (geprüft von der Industrie- und Handelskammer IHK, Trier) und Bachelor of Engineering (Maschinenbau, FH-Birkenfeld) geführt. Diese Chance bietet sich vor der Haustür, in Wittlich.Die Firma, bei der man während des dualen Studiums parallel beschäftigt war - nebst Bezahlung - übernimmt den Azudenten in der Regel nach Abschluss. Denn um gute Führungskräfte im Ingenieurbereich zu bekommen, investieren die Firmen in das neue Projekt. Unter anderem Dunlop und Ideal Standard, zwei der größten Arbeitgeber Wittlichs. Weiterhin sind das ÜAZ und die BBS in Wittlich plus die FH Birkenfeld Stationen. "Theorie und Praxis sind von Beginn bis Ende dieses neuen dualen Studiums verzahnt", erklärt Gerhard Burens von der BBS. "Weil der Schwerpunkt auf Produktionstechnik liegt, sind die Industriefirmen in Wittlich ideale Partner. Das ist eine erstklassige Ausbildung. Sie muss nur noch bekannt werden. Schneller kann man nicht zum Erfolg im Beruf kommen." Acht Betriebe sind bisher dabei

Acht Betriebe hat man für den Start gewonnen. Für ihn habe man von der seit fünf Jahren bestehenden Kooperation zwischen BBS, Industriefirmen und der Fachhochschule Birkenfeld profitieren können. Im ersten Jahr wird Fachpraxis im ÜAZ vermittelt, dazu kommt ein Tag Berufsschule in der Woche. Im zweiten Jahr liegt der Schwerpunkt auf der Ausbildung im Betrieb mit 14-tägigen Berufsschultagen und kurzen FH-Blöcken. Dann folgen zwei Jahre mit Semesterwochenblöcken in Birkenfeld. Die werden in den Semesterferien kombiniert mit betrieblichen Blöcken. Als Azudent steigt man im dritten Semester des "normalen" Studiengangs zu, wobei man als Azudent den Vorteil hat, währenddessen eine "richtige", anerkannte Ausbildung zu erwerben. Die Firmen zahlen dem Azudenten über die vollen vier Jahre eine Vergütung. Start des ersten dualen Studiengangs zum Bachelor of Engineering plus Industriemechaniker-Abschluss ist August 2008. Voraussetzung ist Abitur/Fachabitur mit gutem Abschluss. Auch Firmen können sich noch melden.Kontakt: Detlef Wiese (ÜAZ), Telefon 06571/978722 und Gerhard Burens (BBS), Telefon 06571/97780. Meinung Spitzen-Chance für die Zukunft Mit dem Studium in der Tasche, aber ohne große Praxiserfahrung hat man es schwerer als die Konkurrenz, die nicht nur die Theorie beherrscht. Der neuartige Studiengang steuert dem entgegen. Die "doppelte" Ausbildung im Betrieb und Hörsaal startet zudem "vor der Haustür" und bietet die Chance auf eine gute Zukunft bei den Firmen, die mitmachen. Hinzu kommt das Finanzielle. Da eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, verdient der Azudent gleich selbst. Natürlich muss er dafür viel leisten. Der Zeitplan ist dicht, es muss auch tüchtig angepackt und naturgemäß gelernt werden. Für die Firmen wird sich das Engagement des Nachwuchses ebenfalls langfristig auszahlen, denn gute Mitarbeiter, maßgeschneiderte Fachkräfte sind ihr Kapital. Nun muss sich beim ersten Durchgang womöglich noch einiges einspielen, er ist aber auch die erste Chance, dabei zu sein. Die sollten am Maschinenbau interessierte Abiturienten nutzen und auch die Firmen, die einem Fachkräftemangel vorbeugen wollen. s.suennen@volksfreund.deExtra Klaus Schneider ist Personalchef bei Ideal Standard, Wittlich. Der Industriebetrieb mit 565 Mitarbeitern, derzeit 18 Auszubildenden, beteiligt sich am dualen Studiengang. "Wir müssen neue Wege gehen, und ich glaube, dass uns das weiter bringt. Das ist ein sehr guter Vorschlag, der für die Praxis gemacht ist", sagt Klaus Schneider: "Wir erwarten, dass wir maßgeschneiderte Leute bekommen, die den Betrieb kennen und ihr Studium gezielter angehen können." Der ideale Azudent müsse ehrgeizig sein und "Biss haben." "Das Timing ist ja unwahrscheinlich tough. Dafür muss der Wille zum Erfolg da sein", sagt der Personalchef. Das neue Angebot biete zwar nicht unbedingt die Gelegenheit für junge Menschen, sich vom Elternhaus abzunabeln, da es eine gewisse Standorttreue zu Wittlich voraussetze. Später aber könne der Ex-Azudent insbesondere bei einem international agierenden Betrieb wie Ideal Standard in Schwesterunternehmen eingesetzt werden, weshalb Weltoffenheit durchaus wichtig sei. "Wir hoffen, dass der Richtige wach wird und sich bewirbt", sagt Klaus Schneider. Von sechs Betriebsstandorten in Europa sei das Wittlicher Werk das zweitgrößte nach Bulgarien. Rund zwei Millionen Armaturen werden jährlich in Wittlich hergestellt. (sos)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort