Der Mann für Wittlich

Sechs Bürgermeister, eine Stadt und ein Mann, der seine ersten Schritte bei der Verwaltung noch im Alten Rathaus gemacht hat: Ulrich Jacoby geht in Pension. Ein neues Rathaus hätte er gern noch in seiner Amtszeit bezogen. Darüber spricht er im TV-Interview und über seine Hobbys und das Wittlich seiner Kindheit. Die Fragen stellte Sonja Sünnen.

Was machen Sie jetzt mit all Ihrer Zeit, die Sie sonst im Büro waren? Ulrich Jacoby: Ich bin tatsächlich noch in Urlaub, deshalb laufen die Tage auch wie im Urlaub ab. Der Ruhestand schließt sich aber nahtlos an. Die zusätzliche Freizeit muss man strukturieren und organisieren, sonst geht diese Zeit rum, ohne sinnvolle Beschäftigung. Ich habe jetzt Zeit für mehr Bewegung, Spazierengehen und Wandern. Außerdem kann ich mich nun in die Buchhandlung meiner Frau mit einbringen. Wofür begeistern Sie sich eigentlich generell als Privatmann? Jacoby: Seit 20 Jahren bin ich Vorsitzender der Schützengesellschaft 1882 Wittlich. Neben der Funktionärsarbeit kann ich jetzt wieder regelmäßiger und intensiver dem Sportschießen nachgehen. Lesen ist meine Lieblingsbeschäftigung, hierfür braucht man Zeit, auch für den Aufbau und die Beschäftigung mit meiner Büchersammlung.Und was machen Sie jetzt womöglich zum ersten Mal?Jacoby: Ich gehöre nicht zu der Generation, die immer neue Herausforderungen braucht, um ein erfülltes und glückliches Leben zu führen. Aber trotzdem: Selber kochen könnte mich reizen! Zurück zur Arbeit: Welche Bürgermeister haben Sie erlebt?Jacoby: Während meiner Lehrzeit war Dr. Lambert Soesters Bürgermeister in Wittlich. Auf ihn folgten Karl-Adolf Orth und Joseph Graf Walderdorf. Mit Helmut Hagedorn habe ich 20 Jahre zusammengearbeitet, davon zehn in der Stabsstelle. Ralf Bußmer hat mich 2004 zum Büroleitenden Beamten bestellt, als Büroleiter war ich der Abwesenheitsvertreter des Bürgermeisters in der Verwaltung. Mein sechster Bürgermeister ist Joachim Rodenkirch, mit dem ich als Stadtförster schon viele Jahre gut zusammengearbeitet habe. Welches städtische Projekt hat Sie die meisten Nerven gekostet?Jacoby: Da muss ich nicht lange nachdenken: Der leider nicht erfolgte Neubau eines Rathauses. Der Rechnungshof hat uns gezeigt, dass unter rein wirtschaftlichen Aspekten der Verbleib im Stadthaus sinnvoller ist. Wenn dieser Maßstab bei allen Großprojekten angelegt worden wäre, würden unsere Städte anders aussehen! Es gäbe keine gotischen Kathedralen, keine mittelalterlichen Dome, keine großen Museen, ganz zu schweigen von den Pyramiden in Ägypten … Und von welcher Entwicklung sind Sie als Privatier begeistert?Jacoby: Die Konversion und die Umnutzung des Geländes der Marschall-Foch-Kaserne zu einem Gewerbestandort mit angrenzenden neuen Wohngebieten ist eine gelungene Sache. Der neue Einzelhandelsstandort war wichtig für die Positionierung der Stadt in der Region. Die Stadt hat die Chancen, die sich aus dem Abzug der Franzosen ergeben haben, sofort erkannt und hervorragend genutzt. Generell hat sich Wittlich seit Ihrer Kindheit verändert.Jacoby: Ich bin in der Oberstraße, also mitten in der Altstadt aufgewachsen. Wir gingen zu Fuß in die Schule, fast alle Mitschüler und Freunde wohnten in der Altstadt. Es bedurfte keiner Terminabsprachen per Handy, um sich nachmittags zu treffen. Einkäufe konnten im engen Umkreis erledigt werden, um die Ecke gab es Metzger, Bäcker und kleine Lebensmittellädchen. Diese Vielfalt an Geschäften ist der steigenden Mobilität und dem veränderten Einkaufsverhalten der Menschen zum Opfer gefallen. Baulich hat sich die Altstadt durch die Stadtsanierung der 70er Jahre schon gewaltig verändert. Am auffälligsten ist dies für mich entlang der Lieser, einem beliebten Spielplatz unserer Kindheit: Die komplette Feldstraße, die Gebäude "hinter der Mauer", sind verschwunden. Und was gibt es heute, was Sie damals wohl nie geglaubt hätten? Jacoby: Es gibt kein Kino mehr - Wittlich ohne Kino konnte man sich nicht vorstellen. Eine Entwicklung in die falsche Richtung. Und die Gesamtentwicklung der Stadt ist das, was nicht vorstellbar war. Wittlich war 1965 ein kleines Landstädtchen - heute ist es ein großer Wirtschaftstandort mit 16 000 Arbeitsplätzen. Auch Ihre Wittlicher Arbeitsplätze haben sich gewandelt …Jacoby: Meine Lehrzeit habe ich im heute so bezeichneten "Alten Rathaus" verbraucht, mit einem mehrmonatigen Abstecher zum "Schaff", dort waren die Stadtwerke untergebracht. Anschließend ging es zurück in mein altes Schulgebäude, die Volksschule St. Markus in der Karrstraße. Der Umzug der Verwaltung ins Container-Bürogebäude im Talweg sollte nur für kurze Zeit sein - es wurden fast 15 Jahre daraus. Seit 1996 befinden sich die Büroräume im Stadthaus, Schloßstraße 11. Dies war ohne Zweifel ein enormer Fortschritt, aus den Containern in ein neues, modernes Verwaltungsgebäude. Und was folgt von Ihrem letzten Arbeitsplatz in Ihr Zuhause?Jacoby: Ein Gemälde, welches unsere Tochter Lena im Jahr 2004 gemalt hat. Dieses Bild hing neun Jahre lang in meinen Dienstzimmer an der Wand hinter mir.Extra

Ulrich Jacoby wird im April 63 Jahre, ist seit 2009 verheiratet. Er war 48 Jahre im Dienst der Stadt Wittlich. Seine Lehre begann am 1. April 1965; Beamter ist er seit 1. Januar 1978. 1980 machte er das Verwaltungsdiplom VWA. Nach Beendigung der dreijährigen Ausbildung war er Sachbearbeiter bei der Steuerverwaltung, von 1977 bis 1993 in der Ordnungsabteilung als Sachgebietsleiter und stellvertretender Abteilungsleiter. Im August 1993 kam er zur Hauptabteilung (Stabsstelle; Schriftführer Stadtrat, "Neues Steuerungsmodell"). Leiter Zentralbereich und Büroleiter sowie Pressesprecher war er seit 1. April 2004. Pensioniert wird er am 1. Mai. sos

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