Ein Dialog auf höchstem Niveau

Erbeskopf · Sie heißen Won Tong, Großer Flügel, Dialog und State of Mind - die Kunstwerke, die auf dem Skulpturenweg auf dem Erbeskopfplateau (Kreis Bernkastel-Wittlich) zu sehen sind. Die meterhohen Kolosse sollten zunächst nur für ein halbes Jahr dort stehen. Inzwischen können Gäste und Einheimische die höchste Freilichtausstellung in Rheinland-Pfalz seit vier Jahren besuchen. Aber wie kommt sie an?

 Eine berührende Szene: Der blinde Gerhard Bolte befühlt die Skulptur „Gestrüpp“ von Angelika Summa, während Ehefrau Ursula ihm beschreibt, was sie sieht. TV-Fotos (8): Ilse Rosenschild

Eine berührende Szene: Der blinde Gerhard Bolte befühlt die Skulptur „Gestrüpp“ von Angelika Summa, während Ehefrau Ursula ihm beschreibt, was sie sieht. TV-Fotos (8): Ilse Rosenschild

Foto: (m_kreis )

Erbeskopf. Gerhard Bolte steht vor einem Metallgeflecht und fasst es mit beiden Händen an. Seine Frau Ursula begleitet ihn. Sie sagt: "Das ist ein Knäuel aus rostigem Rundstahl, ganz wild durcheinander und miteinander verbunden." Die Sohrenerin beschreibt ihrem 85-jährigen Mann ein Kunstwerk namens "Gestrüpp" von Angelika Summa aus Würzburg. Denn der ehemalige Physiotherapeut ist seit einem Verkehrsunfall blind. "Meine Frau erklärt mir die Dinge, damit ich sie sehen kann", sagt er. Er feiert heute Geburtstag. Und er verbringt ihn mit Ehefrau und zwei Freunden am Erbeskopf.
Die Szene spielt sich nicht etwa in einer Galerie in Trier oder Wittlich ab, sondern oben auf dem 816 Meter hohen Erbeskopf-Plateau. Denn dort stehen auf einem Rundweg eine ganze Reihe von Großobjekten, alles Bestandteile eines Skulpturenwegs rund um die Windklang-Skulptur von Christoph Mancke aus der Eifel. Letztere ist vier Jahre nach ihrer Errichtung im Zuge der Gipfel-Neugestaltung zum neuen Wahrzeichen des höchsten Berges von Rheinland-Pfalz geworden. Das begehbare Objekt war das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs, der im Jahr 2008 ausgelobt worden war.
Inzwischen stehen die Boltes am nächsten Punkt, der Plastik Topographie des Luxemburgers Jhemp Bastin. Dort versucht der blinde Sohrener, die einzige Holzskulptur auf dem Plateau mit seinen Händen zu erfassen. "Warum haben die denn den Baum kaputtgemacht", fragt der 85-Jährige irritiert. Seine Frau erklärt, dass dieses 4,20 Meter hohe Objekt aus zwei Teilen eines gespaltenen Eichenstammes besteht. Erst als er begreift, dass der Baumstamm nur das Rohmaterial für das Kunstwerk war und längst weiterverarbeitet wurde, beruhigt er sich.Windklangfigur im Zentrum


So eindrucksvoll die Begegnung mit den insgesamt vier Sohrenern auf dem höchsten Berg von Rheinland-Pfalz ist, so zufällig ist sie auch. Die vierköpfige Gruppe um Gerhard Bolte hat nichts davon gewusst, dass man auf dem Hochplateau am Erbes kopf den Anblick von Kunstwerken genießen kann. Ihr ursprünglicher Plan war, zum Hunsrückhaus zu fahren, doch dann bogen sie eine Abfahrt zu früh ab und gelangten zum Gipfel.
Eine Gruppe von Radfahrern stoppt gerade an der begehbaren Windklang-Skulptur und genießt den Ausblick bis tief in die Eifel. Die Freilichtausstellung interessiert sie wenig. "Wir wollen Rad fahren, nur Rad fahren", sagt Bass von Dalen aus Hilversum. Rasch geht's wieder auf die Drahtesel. Die Gruppe will noch nach Bad Bertrich zurück, wo sie ihren Urlaub verbringt. Die nächsten Ankömmlinge haben ihr Urlaubsquartier in Allenbach: Gerald Koch und Katrin Hensen aus Leipzig, die eine halbe Stunde später den Gipfel erklimmen. Das Paar studiert aufmerksam die sogenannten Gipfelköpfe der Region, die aus dem Atelier des Trierer Büros Ernst und Partner stammen.
Dieses Objekt informiert über die anderen Höhen in der Region vom Haardt-, über den Idar- bis zum Sandkopf. Das Ziel der beiden: Sie wollten den Erbeskopf erklimmen. Denn sie haben sich vorgenommen, in jedem deutschen Bundesland den höchsten Berg zu besteigen. Jetzt fehlen ihnen nur noch fünf. Von den Kunstwerken hatten sie im Vorfeld nichts gewusst, fanden das aber auch nicht schlimm. "Man möchte ja auch mal überrascht werden", sagte Katrin Hensen.
Das geht dem Wanderer Peter Manthey, der auf dem Saar-Hunsrück-Steig unterwegs ist, offenbar anders. Der Rentner ist vor einer Info-Tafel in die Knie gegangen und versucht, die Informationen über den Skulpturenweg zu lesen, was ihm nur mit Mühe gelingt.Infotafeln schlecht platziert


Begeistert ist er von den Objekten vor Ort nicht gerade. "Naja, wofür", sagt er achselzuckend. Anders fällt sein Urteil über die Windklang-Skulptur aus: "Die ist genial." Auf jeden Fall hätte er sich Erklärungen an den Kunstwerken gewünscht, nicht nur auf Schautafeln, für die er in die Knie gehen muss.
Das wäre sicher auch für das Vorhaben von Heidrun Bickler aus Immert und Tanja Bormann aus Trier sinnvoll. Die beiden Mitarbeiterinnen von Hochwald Foods mit Sitz in Thalfang bereiten eine Exkursion für die neuen Auszubildenden vor. Sie wollen mit 15 jungen Frauen und Männern zum Erbeskopf. Es sind neue Azubis und Duale Studenten aus verschiedenen Regionen, die heute, Montag, mit ihrer Ausbildung beginnen. Sie sollen einen ersten Eindruck von ihrem neuen landschaftlichen Umfeld bekommen. Geplant ist eine Wanderung und ein Picknick inmitten der Skulpturen.
An diesem Vormittag ist es trotz einzelner Besucher ruhig auf dem Plateau. Ist das immer so? Die Frage geht an eine, die es wissen muss: Rangerin Tina Hartenberger aus Oberhambach. Sie sagt: "Am Wochenende sind hier Menschen ohne Ende, die die Windklang-Skulptur begehen und auf dem Rundweg spazieren gehen."
Flyer über den Skulpturenweg gibt es am Hunsrückhaus.Extra

Diese Kunstwerke sind am Erbeskopf zu sehen: Won Tong von Winni Schaak aus Lübeck, aus Cortenstahl, 2,50 x 2,50 x 1,25 Meter. Weitere Informationen unter www.winnischaak.de ; Großer Flügel von Willi Bauer aus Heiligenmoschel bei Kaiserslautern, Granit, 2,60 x 0,60 x 0,60 Meter, www.willibauer.de ; Gestrüpp, gestaltet von Angelika Summa aus Würzburg, Rundstahl, 2,20 x 2,20 x 2,20 Meter; www.angelika-summa.de ; Topographie von Jhemp Bastin aus Luxemburg, Eichenholz, 4,20 x 0,70 x 0,35 Meter, www.4art.lu ; Dialog von Martin Schöneich aus Bad Bergzabern, Stahl, 3,50 x 1,50 x 2 Meter sowie 2,90 x 3,10 x 2,10 Meter, www.kunstportal-pfalz.de ; State of Mind von Bodo Korsig aus Trier, Stahl 6 x 1 x 1 Meter, www.korsig.com ; Gipfelköpfe der Region von Ernst und Partner Trier, Infopunkt mit Sichtlinien in Form von Betonachsen, www.bueroernst-partner.de ; Windklang von Christoph Mancke aus Lünebach, Stahl und Holz, 16,50 Meter hoch, auf 70 Metern begehbar, www.mancke.deExtra

 Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Foto: (m_kreis )
 Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

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 Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

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 Schautafeln informieren über den Kunstpfad auf dem Gipfelplateau. Doch wer Genaueres wissen will, muss in die Knie gehen. Darüber beklagt sich Peter Manthey.

Schautafeln informieren über den Kunstpfad auf dem Gipfelplateau. Doch wer Genaueres wissen will, muss in die Knie gehen. Darüber beklagt sich Peter Manthey.

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 Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

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 Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

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 Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Die begehbare Windklangskulptur ist 16,5 Meter hoch.

Foto: (m_kreis )

Die Windklang-Skulptur und der höchste Kunstpfad im Land sind das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs. Der Zweckverband Erbeskopf hatte ihn im Jahr 2007 ausgelobt. Die US-Amerikaner, die die Fläche teilweise nutzten, hatten sich 1991 zurückgezogen. Zurück blieb auf dem Gipfel eine kahle, unansehnliche Fläche. Den Zuschlag für die Neugestaltung, die dann im Jahr 2011 erfolgte, erhielten der Künstler Christoph Mancke aus Lünebach (Eifel) und das Trierer Büro Ernst und Partner. Der Künstler schlug damals vor, das Großobjekt aus Holz und Stahl in einen Skulpturenweg einzubetten. Auch die Konzeption übernahm Mancke damals. Die Kunstwerke wählte er nach mehreren Kriterien aus: Es sollten Objekte renommierter Künstler sein. Entscheidend sei die Qualität der Arbeiten gewesen. Sie sollten ein Kunst- und Naturerlebnis und verschiedene Sichtweisen ermöglichen. Und: "Sie sollten Menschen mit Kunst konfrontieren, die sonst vielleicht nicht ins Museum gehen." Zudem mussten die Werke aufgrund des Standortes wind- und wetterfest sein. Deshalb sind Stahl und Stein die bevorzugten Materialien, lediglich eine Skulptur ist aus Holz. Es handelt sich um Dauerleihgaben, schildert Josef Adams von der Verbandsgemeinde Thalfang am Erbes kopf. Die Kosten übernehmen Sponsoren. iro

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