Ein Genuss für Literaturliebhaber: Jane Austen-Abend in Wittlich

Wittlich · Eine Pfarrerstochter 200 Jahre nach ihrem Tod würdigen – wie altmodisch ist das denn? Wer am Montagabend in Wittlich war, weiß: gar nicht, wenn es um Jane Austen geht und einen professionellen Literaturkritiker, der sie vorstellt.

 Der bekannte Literaturkritiker Denis Scheck in die Wittlicher SynagogeVolles Haus, aufmerksame Zuhörer! Buchhändlerin und Veranstalterin Claudia Jacoby (vorne Mitte) freut sich über das große Interesse. Wer da war weiß: Eine Frau, die ihn zur Weißglut bringt? Denis Scheck sagt: ?Jane Austen?! TV-Foto: Klaus Kimmling

Der bekannte Literaturkritiker Denis Scheck in die Wittlicher SynagogeVolles Haus, aufmerksame Zuhörer! Buchhändlerin und Veranstalterin Claudia Jacoby (vorne Mitte) freut sich über das große Interesse. Wer da war weiß: Eine Frau, die ihn zur Weißglut bringt? Denis Scheck sagt: ?Jane Austen?! TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: Klaus Kimmling

"Lieber Himmel!", rief sie. "Er ist da…er ist da…oh, warum schaut er nicht her? Warum kann ich nicht mit ihm sprechen?" So lässt Jane Austen (1775 - 1817) junge Damen verzweifeln.

In ihrer Romanwelt sind Männer reizend, unverfroren, Hagestolze. Es wird um Fassung gerungen, allerhand ist peinlich, es wird geziert gelächelt, man ist hocherfreut oder versucht sich vorbildlich zu beherrschen und fast ein jeder beherrscht die Kunst der ritualisierten Kommunikation.

Nur warum bringt die Weltliteratur in diesem Ton, die Jane Austen hinterlassen hat, einen scharfzüngigen Literaturliebhaber wie Denis Scheck "zur Weißglut"? Das schreibt er nicht nur in seinem Nachwort zu "Vernunft und Gefühl" sondern trägt genau dieses Empfinden auch vor, nachdem er die ersten beiden Kapitel der Romanneuauflage im Manesse Verlag mit einem klitzekleinen eleganten Schwäbeln vorgelesen hat.

In der mit 150 Menschen voll besetzten Synagoge, lauschen überwiegend Frauen Austens und Schecks Worten, die ebenso artifiziell gesetzt sind, sodass man an diesem Abend gar aus der Zeit fallen kann.

Doch bevor man sich gänzlich in den komplizierten Betrachtungen insbesondere von Liebesdingen des frühen 19. Jahrhunderts verliert, bringt Denis Scheck seine Zuhörer immer wieder ins Hier und Jetzt.

Er ist eben auch Entertainer und weiß, wie's geht: ein wenig Ironie, ein wenig zuspitzen, ein wenig Skurrilität. Den ersten Lacher erntet er mit seinem ersten Satz, auch einem "fishing for compliments": "Sie sind ja gar nicht wegen mir hier sondern wegen ihr hier."

Zweiter Lacher bei einer Anspielung auf Reich-Ranicki "dieser heute zu Recht vergessene Kritiker", für den es nur um "Liebe und Tod" gegangen sei.

Und Lacher-Nummer drei "So schreiben Immobilien-Makler!". Später vergleicht er eine Passage gar mit den Worten: "Geben Sie es zu. Es liest sich, als hätte es Wolfgang Schäuble geschrieben." Das versteht jeder. So gelingt Scheck ein kluger, kurzweiliger nie überkandidelter Plauderton, der eins erreichen will: Menschen für Literatur zu begeistern.

"Ich gucke immer gerne seine Sendungen", sagt eine Dame, kurz bevor es losgeht. Eine andere merkt erst, als er ans Podium tritt: "Ach, den kenne ich doch! Das ist der aus dem Fernsehen!" Sie hat die Karte geschenkt bekommen und freut sich auf das Thema Jane Austen: "Ich kenne von ihr Romane, Filme, Hörspiele. Das ist sehr amüsant! Diese Verkupplereien waren immer ganz nett, auch wenn es nichts mehr mit unserer Zeit zu tun hat."

Sie wird viel zu lachen haben, genau wie die anderen im Publikum.
Auch wenn die Frage offenbleibt: Warum ist das Weltliteratur, was Wolfgang Schäuble hätte schreiben können?

Vielleicht weil die Autorin laut Scheck auch das leistet: "Sie schreibt als 19-Jährige so, man könnte glauben, hier schreibe eine 80-Jährige, die schon alle Niedertracht der Welt erlebt hat." Für solche Beobachtungen, die immer Kür nie Pflicht sind, erntet er am Schluss langen, herzlichen Applaus.

Und wo verliert sich ein Literaturkritiker später in zeitlose Träume? Ein Austens Romanheldinnen angemessenes Cottage hat Wittlich naturgemäß nicht. Aber einen Rosengarten! La Roseraie heißt das ehemalige Bürgermeisterhaus in der Trierer Landstraße, das Gäste beherbergt. Dort gibt es sogar ein Rosenzimmer!

Wenn da nicht Vernunft und Gefühl zur Ruhe kommen. Etwas Wittlicher Wein, der nach der Lesung ausgeschenkt wird, kann dabei behilflich sein. Da hat selbst nach einem Austen-Abend Weißglut keine Chance!

Drei Fragen an Claudia Jacoby, Buchhändlerin und Veranstalterin des Abends

Wer ist gekommen?
Claudia Jacoby: Schon einmal: Viele! Wir haben 150 Stühle, die sind alle besetzt. Es freut mich, dass auch junge Interessierte da sind. Es sind auch Oberstufenschüler aus einem Englisch-Leistungskurs dabei. Ansonsten sind, wie meistens, überwiegend Frauen im Publikum. Manche kommen wegen Jane Austen, manche wegen Denis Scheck.

Was freut Sie persönlich?
Jacoby: Denis Scheck zu erleben. Mir gefällt seine höfliche, besondere Art, die Rhetorik und ich freue mich, mehr über Jane Austen zu erfahren, die über eine spezielle Wortwahl und spitze Zunge verfügt. Das spielt ihm ja in die Karten!

Was bedeutet Ihnen das?
Jacoby: Das ist ein besonderer Tag für die Buchhandlung, unser Team, dass wir das geschafft haben.

Zur Person
Der Literaturkritiker und Journalist
Denis Scheck, Jahrgang 1964, ist Literaturkritiker, Herausgeber, Übersetzer, Moderator, Journalist, Juror. Er ist mehrfach ausgezeichnet worden, etwa mit dem Deutschen Fernsehpreis für besondere Leistungen. Er scheut sich nicht vor Kontroversen und ist bekannt durch "Druckfrisch", die Sendung Büchermarkt, die Kommentierung der Spiegel-Bestsellerliste, das Kulturmagazin Kunscht und durch die Sendung lesenswert.

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