Eine Frage des Kalibers

Wittlich · Beretta, SIG Sauer, Colt, Ceska und Glock: Das sind nur einige Namen von Waffen, die durch den Saal 1 des Wittlicher Amtsgerichts schwirren. Eigentlich soll am Montagmorgen wegen unerlaubten Waffenbesitzes in größerem Umfang gegen einen 51-Jährigen aus der Verbandsgemeinde Wittlich-Land verhandelt werden. Es kommt anders.

Wittlich. Hat der Angeklagte eine Erlaubnis für den Besitz all seiner Waffen oder nicht? Darf der Sportschütze große mit kleinen Kalibern kombinieren? Und darf er das nur für Wettkämpfe am Schießstand oder darf er sie auch zu Hause so aufbewahren? Es scheint, als seien nach dem Prozessauftakt am Wittlicher Amtsgericht am Montagmorgen mehr Fragen offen als geklärt.
"Oh, ist das kompliziert!", bricht es aus der Richterin heraus, nachdem weder ein Sachverständiger noch eine Mitarbeiterin der Kreisverwaltung ihr helfen können, Klarheit in diesen Fall zu bringen.

Die Anklage: Bei der Verhandlung geht es um zehn Pistolen ursprünglich großen Kalibers, für die der 51-Jährige Sportschütze aus der Verbandsgemeinde Wittlich-Land laut Anklage keine Erlaubnis besitzt. Entdeckt wurden die Waffen im April 2015, als sich laut Anklageschrift ein Gerichtsvollzieher gemeinsam mit Polizisten und Mitarbeitern der RWE und eines Schlüsseldienstes Zutritt zum Haus des Angeklagten verschaffte. Da auf mehrfaches Klingeln niemand die Tür geöffnet habe, habe der Schlüsseldienst begonnen, das Schloss aufzubohren.
Plötzlich habe der Angeklagte die Tür geöffnet und eine Pistole auf die Anwesenden gerichtet. Diese habe er auf die Aufforderung der Polizisten, die ebenfalls ihre Waffen zogen, niedergelegt. Er habe wohl mit Einbrechern gerechnet. Bei der anschließenden Durchsuchung sei eine Vielzahl an Waffen sichergestellt worden, für die der Angeklagte keine Erlaubnis habe.
Es habe sich ein Bild des Grauens geboten: Die Waffen hätten ungesichert zwischen Lebensmitteln, im Kleiderschrank und sogar im Bett des Angeklagten gesteckt. Aus der Pistole im Bett habe sich beim Sicherstellen ein Schuss gelöst, der glücklicherweise keinen Schaden angerichtet habe. Es habe sich dadurch gezeigt, dass der Angeklagte einen völlig unbekümmerten Umgang mit Waffen pflege und gänzlich das Verständnis für den Umgang damit verloren habe.

Die Widersprüche:
Das sagt der Angeklagte: "Es ist schwierig, das nachzuvollziehen", sagt der Angeklagte immer wieder. Er sei seit 35 Jahren Sportschütze und habe in dieser Zeit viele Waffen, Läufe und Wechselsysteme gekauft. Alles legal, beteuert er. "Ich kaufe meine Waffen ja alle beim Händler und nicht in der Frankfurter Unterwelt."
Er habe die großkalibrigen Waffen mit kleinkalibrigen Läufen gekauft, wofür er eine Berechtigung habe, sagt der 51-Jährige. Diese Läufe habe er allerdings verloren. Die größerkalibrigen Läufe habe er getrennt von der Waffe gekauft. Und kombinieren dürfe er große und kleine Kaliber für Wettkämpfe, wenn auch nur kurzfristig.
Dass sie kombiniert aufgefunden wurden, habe daran gelegen, dass er die Waffen habe putzen wollen. Dabei sei er unterbrochen worden. "Wäre der Gerichtsvollzieher mittags wiedergekommen, hätte er alle Waffen zerlegt im Panzerschrank vorgefunden", beteuert der 51-Jährige.
Das sagt der Sachverständige vom Landeskriminalamt (LKA): Die Seriennummer müsse nicht auf allen Teilen der Waffe vermerkt sein, sagt der Sachverständige vom LKA. "Ohne Seriennummer wird es schwierig sein, nachzuweisen, dass ein Lauf zu einer Waffe gehört." Da aber zumindest bei einer der Marke Star die Seriennummer der Grundwaffe mit der des großkalibrigen Laufs übereinstimme, gebe es keine Hinweise, dass beim Kauf ein kleinkalibriger Lauf montiert gewesen sei.
Das sagt die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung: Der Angeklagte müsse erworbene Waffen nicht zur Kontrolle beim Amt vorlegen, wie die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung auf Nachfrage der Richterin einräumt. Die Verwaltung verlasse sich auf die Eintragung des Händlers in der Waffenbesitzkarte (WBK). "Also ist es möglich, dass man Ihnen eine falsche Waffe unterjubelt?", fragt der Pflichtverteidiger die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung. "Mit krimineller Energie, ja."
Die zehn bis elf WBK des Angeklagten erschweren einen Überblick. Die Richterin versucht, zumindest für einen Teil der Waffen festzustellen, ob der Angeklagte sie besitzen durfte oder nicht. Die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung gibt zu, nicht jede Waffe auseinandergenommen und kontrolliert zu haben, ob der Lauf nicht zu einer anderen Waffe gehört, für die der 51-Jährige eventuell doch eine Erlaubnis hat. Nutzen wird der Angeklagte seine Waffen vorerst nicht mehr. Letzte Woche sei ein Waffenverbot erlassen worden, sagt die Mitarbeiterin der Kreisverwaltung.

Das Ergebnis: Richterin, Staatsanwalt und Verteidiger kommen zu dem Schluss, dass ein genauer Abgleich der WBK mit den sichergestellten Waffen erforderlich sei. Die Vorsitzende formuliert die entscheidende Frage: "Findet sich das, was verbaut wurde, in den Waffenbesitzkarten wieder?" Das soll nun der Sachverständige klären und das Ergebnis beim nächsten Verhandlungstag am 8. August vorlegen. Vielleicht gibt es dann mehr Antworten als Fragen. aweb

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