Einwohnerfrage-Sekunde

Wittlich hat's! Erster Punkt jeder öffentlichen Stadtratssitzung ist immer die Einwohnerfragestunde. Findige Räte haben die anderswo als letzten Tagesordnungspunkt, das ist vermutlich bürgerfreundlich gedacht.

In Wittlich ist das anders, die Bürger stehen gaaanz vorn: Top 1. Aber es gilt die Regel: Gefragt werden darf nicht, was schon auf der Rest-Tagesordnung steht. So musste schon oft ein Fragesteller darüber belehrt werden, dass seine Frage nach Geschäftsordnung nicht zulässig ist. Gut, ich denke manchmal, der Stadtrat könnte ja einfach sagen: Okay, wir stellen den Antrag, dass die Sitzung heute später anfängt und dann darf einfach mal gefragt werden. Wahrscheinlich ist das total verboten. So oder so, früher hat sich das Publikum, noch mit dem Herrn Viktor im alten Rathaus, auf die Seitenbänke gequetscht. Jetzt in der Synagoge ist es viel bequemer, es gibt sogar ein Mikrofon, damit man besser Gehör findet, aber es kommt einfach fast keiner. Komisch, weil auf der Straße wird ja gerne Politik gemacht, woher wissen die Leute eigentlich, was tatsächlich in der Stadtpolitik passiert? Und wenn mal jemand kommt, dann geben sich alle auch richtig Mühe, es wird zum Zuhören viel geredet. Und jetzt wollen die Stadträte ja auch unbedingt mit den Bürgern über die Stadt reden! Naja, zurück zur Einwohnerfragestunde. In der Regel ist es eine Fragesekunde, weil kein Einwohner mehr etwas wissen will. Aber auf dem Papier steht sie, und Formalie ist Formalie. Der Bürgermeister guckt dann in den Raum, fragt nach Fragen, nix, Punkt abgehandelt.Überraschung: Am Donnerstag saßen fast 40 Neugierige rund um den Stadtrat. "So viel Publikum hatten wir noch nie in den letzten Jahren", freute sich Bürgermeister Ralf Bußmer und versprach, es gebe die Gelegenheit festzustellen, dass Rat und Verwaltung gut zusammenarbeiteten. Das wirkte später zwar anders, aber da waren die Einwohner schon weg. Doch zu Beginn, der Anblick muss ihn überwältigt und irritiert haben. Denn der Stadtchef legte gleich mit den Mitteilungen los: Die waren ja für die Bürger wichtig: Einladung zur Einwohnerversammlung am 10. Mai. Dann bemerkte er aber, dass er ja schon eine kleine Einwohnerversammlung vor sich hatte und ausgerechnet jetzt den Punkt "Einwohnerfragestunde" übersehen hat. In der ging es dann auch um Fragen zum Fragen. Willi Waxweiler meldete sich: "Läuft die Einwohnerversammlung ab wie letztes Jahr, dass die Bürger fast drei Stunden warten müssen, um eine Frage zu stellen?" "Das liegt an den Bürgern", meinte der Bürgermeister. "Aber im letzten Jahr war es so, dass man erst nach fast drei Stunden fragen durfte", beharrte Willi Waxweiler. "Das habe ich anders in Erinnerung", sagte Bürgermeister Ralf Bußmer. Na, die Einwohnerfrage hat sich ja echt gelohnt.

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