Er hat schon viel Schwein gehabt

Ohne Saubraten keine Kirmes, ohne Matthias Berg kein "Einholen der ersten Säue". Beim heutigen großen Festumzug sitzt der Mann wieder auf dem Kutschbock und bringt die Säubrenner-Spezialität zum Röstmeister auf den Markt.

 Stets mit Zylinder: Seit 1986 ist Matthias Berg der Kirmeskutscher für die Säue. TV-Foto: Sonja Sünnen

Stets mit Zylinder: Seit 1986 ist Matthias Berg der Kirmeskutscher für die Säue. TV-Foto: Sonja Sünnen

Wittlich. Ein Paar rollt langsam durch die Menge: Die beiden "ersten" gebratenen Säue haben am heutigen Kirmessamstag ihren spektakulären letzten Auftritt an der Spitze des Festumzugs. Mit einer Rübe im Maul mahnen sie an den Grund für die Eroberung Wittlichs annodazumal. Denn sie müssen wegen der legendären Gefräßigkeit ihrer Vorfahren noch heutzutage dran glauben. Seit 1986 hat Matthias Berg eine wichtige Rolle dabei, dass die Säubrenner-Geschichte vom Fressen und Gefressenwerden kein Ende nimmt. Er ist Kutscher des Sauwägelchens, er bringt die Kirmesspezialität zum Volk. Am Bratenstand endet seine Mission. Während Bürgermeister und Beigeordnete den Anschnitt der ersten Sau zelebrieren, wird Matthias Berg gelassen auf die Menschenmenge blicken und seine Pferde im Auge behalten. Eins heißt Max, eins Pedro. Pedro ist ein echtes Kirmespferdchen. "Er geht seit fast 20 Jahren mit. Der kennt das", sagt Matthias Berg. Sieben Pferde haben den Orenhofener in 22 Jahren Sautransport schon begleitet. Er muss sich blind auf sie verlassen können und umgekehrt. "Bis jetzt ist Gott sei Dank nie was passiert", sagt der 67-Jährige, der mit seinem Gespann auch besondere Schikanen meistern kann.

"Die waren dem Trinken ja zugetan"



"Als die ganzen Amerikaner noch da waren, die waren dem Trinken ja zugetan, da lag schon mal einer wie halbtot auf der Straße. So was muss man genau in die Mitte nehmen, wenn man drüberrollt. Da ist dann auch nix passiert", sagt der Kirmeskutscher. Bis 1996 ist er nicht nur beim Umzug vorneweg, sondern samstags, sonntags, montags bis Mitternacht mit jeder der ganzen Säue zum Bratenstand gefahren und hatte für Kutsche und Pferde ein Zelt in der Oberstraße. Dann brauchte man ihn nur noch samstags, und irgendwann blieb die erste Tour am Kopf des Festzuges seine einzige. "Jetzt bleibe ich halt lange am Bratenstand stehen, statt hin- und herzufahren", sagt Matthias Berg. Dann begutachten Kirmesneulinge seine faszinierend gruselige Fracht, die toten Schweine. Geschockt blickt mancher, der ihr Fleisch nur portioniert kennt. Die Wittlicher Säue aber sind "echt". Auch Matthias Berg wird neugierig "gemustert". Regungslos verharrt er meist auf seinem Kutschbock. Im schwarzen Anzug mit Zylinder wirkt er wie ein Mann aus einem alten Western, der per Zeitmaschine auf das Volksfest geraten ist. "Ach ja mein Blick. Das haben schon manche gesagt. Dann lächelt man mich am besten mal an oder winkt. So einfach ist das", sagt er. Ob die "coole" Miene vielleicht daran liegt, dass er sich als Orenhofener besonders auf den Platt-Vortrag des Stadtschreibers konzentrieren muss? "Nee. Ich verstehe dat, auch dat Kirmesprotokoll." Und er liebt natürlich Saubraten. Wenn er den wieder probiert, fühlt er sich wohl doch wie in einer Zeitmaschine: "Dann meint man, die letzte Kirmes wäre erst gestern gewesen."

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