Es geht auch anders: Masttierhaltung muss keine Tierquälerei sein

Ingendorf/Bernkastel-Wittlich · Massentierhaltung und artgerechte Haltung schließen sich nicht aus - das behauptet jedenfalls der Bauern- und Winzerverband. Zum Beweis lädt er zur Besichtigung eines modernen Schweinemastbetriebs ein.

Ingendorf/Bernkastel-Wittlich. Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau hat zur Pressekonferenz nach Ingendorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) geladen, in den Schweinemastbetrieb der Familie Meier. In dem rund 50 Quadratmeter großen Raum stehen Kaffee und Kuchen bereit. Doch manche Medienvertreter tun sich augenfällig schwer, richtig zuzulangen - sie sitzen nämlich in einem Schweinestall.
Auch wenn sich darin keine Tiere befinden und der Geruch auszuhalten ist, bleibt er unverkennbar. Verbandspräsident Leo Blum hat den Ort bewusst gewählt: Er sieht die moderne Tierhaltung nämlich aufgrund einer falschen Nostalgie zu Unrecht am Pranger: "So hier zu sitzen, wäre in einem Stall, wie er früher üblich war, ausgeschlossen", sagt er - und bläst gleich darauf zum Angriff: Jedes Jahr wiederhole sich vor der Lebensmittelmesse Grüne Woche in Berlin das gleiche Schauspiel: "Gewisse Parteien und Organisationen fahren große Aktionen gegen die Massentierhaltung." Gerade letzteres Wort sei ein "Kampfbegriff", der moderne Mastbetriebe diskreditieren solle, in denen es den Tieren doch "viel besser als früher" ginge - wofür ein anschließender Rundgang Beleg sein soll.
Den Betrieb führt Alfred Meier mit seiner Frau und den beiden Söhnen seit 1984. Heute gibt es am Rande des Eifeldorfs 900 Plätze für die Mast und 650 für die Aufzucht der Ferkel von 140 Zuchtsauen. In den auffallend sauberen und hellen Hallen, in denen die rosa Vierbeiner nach Altersklassen getrennt untergebracht sind, weist Alfred Meier auf die vielen Investitionen und Ideen hin, die dem Tierwohl zugute kämen - viele davon auf freiwilliger Basis: die Maschinen, die das Futter ganz nach Vorliebe trocken oder feucht bereitstellen.
Die aufwendige Belüftung, die die Außenluft über Wärmetauscher auch bei klirrender Kälte auf angenehmes Niveau bringt. Die Spielzeuge, mit denen sich die intelligenten und sozialen Tiere beschäftigen können.
Dass sie sich wohl fühlen, davon ist auch Meiers Sohn Daniel überzeugt: "Das merkt man im Alltag - etwa, wenn man in den Stall kommt und die da ganz entspannt und natürlich nebeneinander liegen."
Viel getan für das "Tierwohl"



Entspannt nebeneinander liegen ist gerade bei den jüngeren Semestern allerdings gerade nicht drin: Der viele Besuch mit seinen blitzenden Apparaten sorgt für reichlich Aufregung. Immer wieder stieben die Ferkel aufgeregt auseinander, trauen sich dann wieder ganz nah heran. Dabei purzeln sie in rosa Knäueln übereinander. Auch wenn sie definitiv mehr Platz haben als in den berüchtigten engen Einzelkäfigen: Viel Platz, um sich auch mal aus dem Weg zu gehen, haben sie nicht. Laut Alfred Meier ist der aber auch nicht notwendig: "Als Herdentiere kapseln sich gesunde Schweine nicht voneinander ab."
Der Beweis, dass die Zustände in einem Mastbetrieb nicht den Horrorszenarien entsprechen müssen, die Tierschützer regelmäßig dokumentieren, ist in diesem Fall gelungen - auch wenn die Schweine in Ingendorf nie im Schlamm wühlen oder im hohen Gras liegen können.
Viel Zeit hätten sie dazu sowieso nicht: Die Tiere, deren natürliche Lebenserwartung bei rund zwölf Jahren liegt, machen nach sechs Monaten in Ingendorf ihren ersten und letzten Ausflug: zum Schlachter. fggMeinung

Darf\\'s ein bisschen weniger sein?
Schön, dass das Tierwohl mehr geachtet wird. Oft genug aber erst, seit mancher unhaltbarer Zustand publik gemacht wurde - oft von denen, die der Bauern- und Winzerverband jetzt kritisiert. Er sollte die am schlechten Ruf Schuldigen lieber in den eigenen Reihen suchen. Und beim Verbraucher, der immer noch absurd wenig fürs Fleisch bezahlt. Übrigens: Wer Fleischgeschmack will, der ohne jegliches Tierleid entstanden ist, sollte auch mal Tofuwürstchen probieren. frank.goebel@volksfreund.deExtra

 Auch wenn die Ställe angenehm hell sind: Für die Schweine scheint die Sonne nur durchs Fenster. Immerhin: Die Tiere wirken munter und machen einen zufriedenen Eindruck. TV-Foto: Frank Göbel

Auch wenn die Ställe angenehm hell sind: Für die Schweine scheint die Sonne nur durchs Fenster. Immerhin: Die Tiere wirken munter und machen einen zufriedenen Eindruck. TV-Foto: Frank Göbel

Im Eifelkreis Bitburg-Prüm wurden 2010 gut 65 000 Schweine gezählt - mehr als 1950 (57 485 Tiere). Hier werden pro 100 Hektar Landwirtschaftsfläche rund 50 Schweine gehalten - in der Vulkaneifel nur rund zwölf. Rund 27 Millionen Schweine werden in Deutschland gehalten. fgg

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