Fast keiner will über Investitionen in Wittlich diskutieren

Wittlich · In Zeiten knapper Kassen will wohl überlegt sein, wofür die Stadt Geld ausgibt. Die Verwaltung hatte ihre Bürger eingeladen, gemeinsam darüber zu diskutieren, wo 2017 in Wittlich investiert werden soll. Auf Teilnehmer wartete Bürgermeister Joachim Rodenkirch fast vergeblich.

Fast keiner will über Investitionen in Wittlich diskutieren
Foto: TV-Grafik

Die Stadt Wittlich gehört nicht zu den reichen Städten im Land. Zwar ist die Pro-Kopf-Verschuldung im vergangenen Jahr um 140 Euro auf 1700 Euro gesunken. 33,6 Millionen Euro Schulden lasten aber noch immer schwer auf dem Stadtsäckel. "Wir werden im Jahr 2016 keine neuen Schulden machen", sagt Stadtkämmerin Nicole Rees. Dieses Ziel werde auch 2017 verfolgt. "Für den neuen Haushaltsplan gilt zudem die Vorgabe, dass es keine wesentlichen Gebührenerhöhungen geben soll und nur Sanierungen mit Augenmaß erlaubt sind."

Im Tagungszentrum Synagoge wollte Nicole Rees möglichst vielen Wittlichern die finanziellen und verwaltungstechnischen Eckdaten für den Haushaltsplan und die Möglichkeiten der neuen Gemeindeordnung geben. Die Stadtverwaltung hatte dazu eingeladen, in einer offenen Diskussionsveranstaltung an der Gestaltung des Planwerks für das kommende Jahr mitzuwirken. Nachdem die Besucherzahl bei der Premiere einer solchen Bürgerbeteiligung im vergangenen Jahr bereits enttäuschend war, kamen an diesem Abend lediglich fünf Frauen und Männer, die mitsprechen wollen, wofür die Stadt Wittlich im kommenden Jahr Geld ausgeben soll.

Ihr Anregungen waren an den fünf Tischgruppen zu den Bereichen Sozial- und Schulträgerausschuss, Wirtschaftsausschuss, Bau- und Verkehrsausschuss sowie Kulturausschuss schnell besprochen, an denen jeweils Mitglieder des Stadtrates und der Verwaltung als Diskussionspartner zur Verfügung standen. Der Bereich Zentralausschuss, der sich vor allem mit Belangen der Verwaltung beschäftigen wollte, blieb von Bürgern sogar ganz unbehelligt.

Wurden bei der als "World Café" benannten Premiere der Bürgerbeteiligung vor einem Jahr noch 28 Anregungen im Laufe der Veranstaltung notiert, so waren es nun gerade einmal 15 thematische Vorschläge. Die neue Gemeindeordnung (siehe Extra) verpflichtet die Verwaltung, sich mit jedem dieser Punkte zu befassen und Stellungnahmen abzugeben.

Es sind Anregungen zur Georg-Meistermann-Grundschule, zum Wochenmarkt, zur Tourismuswerbung und zur Galerie Casa Toni M., die nun in die Haushaltsberatungen einfließen werden. Ehrenbürger Hans-Günther Heinz nutzte zudem die Gelegenheit, kritische Nachfragen zu einigen Baumaßnahmen zu stellen.

Bürgermeister Joachim Rodenkirch beendete bereits nach einer Stunde die Veranstaltung mit dem Dank an die Gäste und für das ehrenamtliche Engagement der Ratsmitglieder. Er werde sich von der geringen Teilnahme nicht entmutigen lassen. "Wir wollen den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen. Deshalb ist diese Form der direkten Ansprache besser als ein Vorschlagswesen im Internet."

Eine der wenigen Bürgerinnen, die an diesem Abend ihre Ideen einbrachte, war Birgit Amerkamp. Auch sie war enttäuscht, dass nicht mehr Bürger in die Synagoge gekommen waren. "Das war eine Chance, die leider nicht angenommen wurde. Es zeigt aber auch, dass in der Stadt zu wenig für junge Leute geboten wird." Andernfalls, so glaubt sie, wären mehr gekommen.

Meinung

Wieder eine Chance vertan

Von Rainer Neubert

Die geringe Teilnahme ist erschreckend. Gerade einmal fünf Wittlicher haben den Weg in die Synagoge gefunden, um mit Verwaltung und Ratsmitgliedern zu diskutieren, wofür die Stadt im kommenden Jahr Geld ausgeben soll. Noch weniger als bei der Premiere vor zwölf Monaten. Wer also in nächster Zeit klagt, die Stadtverwaltung gehe nicht auf die Bedürfnisse und Anregungen ihrer Bürger ein, muss sich fragen lassen, warum er deren Einladung zum Bürgerhaushalt ausgeschlagen hat.

Nie war es so einfach, ungezwungen auch mit der Verwaltungsspitze über Verbesserungen für die Stadt und deren Einrichtungen zu diskutieren. Es gibt eine zweite Chance: vom 15. bis 29. Oktober können weitere Vorschläge für den Haushaltsplan eingereicht werden. Bürgerbeteiligung funktioniert nur, wenn die Bürger mitmachen.

Extra: Gemeindeordnung

Die neue Gemeindeordnung für Rheinland-Pfalz gilt seit dem 1. Juli. Sie soll für mehr politische Transparenz sorgen und es normalen Bürgern leichter machen, sich am politischen Geschehen zu beteiligen. So sind Ratssitzungen und vorbereitende Sitzungen generell öffentlich. Nur wenn "Gründe des Gemeinwohls" oder "schutzwürdige Interessen Einzelner" (das ist zum Beispiel bei Personalangelegenheiten der Fall) dagegen sprechen, darf nicht-öffentlich verhandelt werden. Die Möglichkeit, Themen aus anderen Gründen hinter verschlossenen Türen zu besprechen, gibt es nicht mehr.

Zudem ermöglicht es die neue Gemeindeordnung, Sitzungen zu filmen, auf Tonband aufzunehmen oder live im Internet zu übertragen. So können zum Beispiel die Menschen in Trier bald die Sitzungen ihres Stadtrats aus dem neu gestalteten Ratssaal live im offenen Kanal verfolgen.

Ein besseres Mitwirkungsrecht gibt es auch, wenn es darum geht, wofür eine Kommune Geld ausgibt. Im Vorfeld der Beratungen zum Haushaltsplan haben die Bürger die Möglichkeit, selbst Vorschläge zu machen. So wird auch in Wittlich ab sofort der Entwurf für die Haushaltssatzung für alle Einwohner im Rathaus (Fachbereich Finanzen) ab dem 15. Oktober öffentlich ausgelegt. Vorschläge zum Entwurf können dann innerhalb einer Frist von 14 Tagen eingereicht werden.

Darüber hinaus will die Stadtverwaltung nach der Premiere im vergangenen Jahr erneut die Vorschläge aus der vorgezogenen Bürgerbeteiligung in die Haushaltsberatungen aufnehmen. Erst wenn der Rat die Vorschläge gesichtet hat, darf er über den Haushaltsplan abstimmen.

Die Beratungen beginnen am 10. November und durchlaufen in den folgenden Wochen die diversen Ausschüsse. Der Stadtrat Wittlich entscheidet in seiner letzten Sitzung des Jahres (20. oder 22. Dezember) über die Haushaltssatzung 2017.

Zudem sorgt die neue Gemeindeordnung dafür, dass die Hürden für Einwohneranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Rheinland-Pfalz ab sofort deutlich niedriger sind. Mos/r.n.

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