Fünf Millionen Euro kommen unter die Räder - 3,5 Kilometer Autobahn bei Wittlich werden bis Anfang Dezember saniert

Wittlich · Zehn Zentimeter hoch ist die Asphaltschicht, darauf kommen 26 Zentimeter Beton. Für diesen Baustoff wurde extra eine mobile Betonmischanlage gebaut. Und die LKW, die das Material dort im Akkord aufladen, haben eine eigne Autobahnzufahrt: Die Komplettsanierung eines Teilstücks der A 1 bei Wittlich ist eine Spezialbaustelle voller Besonderheiten.

LKW sind momentan Mangelware. Riesen-Projekte vom Hochmoselübergang bis zum neuen Werk Benninghoven brauchen Großtransporter. "Überall sind Baustellen", sagt auch Winfried Valerius, Leiter der Autobahnmeisterei.
Er hat eine quasi vor der Haustür: Auf 3,5 Kilometern wird die Fahrbahn der A 1 in Richtung Koblenz inklusive der Abfahrt Wittlich-Mitte seit August komplett saniert. Deshalb sind die Strecke ab Wittlich und die Abfahrt Mitte seit Wochen gesperrt.

Diese Baustelle ist eine Welt für sich. Angefangen damit, dass der Beton, der auf die bereits liegende zehn Zentimeter hohe Asphaltschicht aufgetragen wird, in einer eigens errichteten Anlage vor Ort gemischt wird.
Und so türmt sich hinter Valerius' Rücken der gelbe Sand und der grauschwarze Basaltsplit auf mehrere Meter hohen Bergen. Noch höher ragen nur die drei gelben Säulen der Anlage, die voller Zement und Wasser sind in den Himmel. Zu ihnen führt ein Förderband. Es transportiert den Basalt und Sand, den ein Radlader in eine Art Materialcontainer gekippt hat, rumpelnd in die Mischanlage.

Unten kommt der fertige Beton heraus und wird direkt auf LKW geladen, die vor der Anlage Schlange stehen. Befüllt rollen sie über eine eigens eingerichtete Spezialauffahrt auf die A 1, nehmen nach wenigen Metern die Ausfahrt. Dann geht es zur Auffahrt Wittlich Mitte und dann direkt auf den für den Normalverkehr gesperrten Abfahrtbereich. Ziel ist eine orangene Riesenmaschine, der Betonfertiger. Dem flachen breiten Megagerät nähern sich die LKW auf den letzten Metern rückwärts, um davor ihre Ladung abzukippen. Die beiden Fertiger der Firma Berger erledigen den Rest fast alleine. Auf 11,50 Meter Breite wird zunächst der grobkörnigere Unterbeton mit einem sogenannten Schwertverteiler, der immer über die komplette Breite hin- und her saust, während die Maschine langsam voran rollt, auf dem Asphalt auseinandergezogen, verteilt, verdichtet. Darauf kommt direkt der feinere Oberbeton und zum Schluss wird alles abgezogen.

Eine Arbeit, die früher nur viele Männer zugleich in Schwerstarbeit erledigen konnten. Klar, dass dafür schweres Gerät gebraucht wird. "So ein Fertiger hat 800 PS und wiegt etwa 80 Tonnen. Er kann bis 14,50 Meter Breite ausgefahren werden. Die beiden Fertiger für Ober- und Unterbeton brauchen zusammen etwa 1200 Liter Diesel am Tag und schaffen, wenn es gut läuft, rund 600 Meter am Tag", erklärt Rolf Weber, Polier der Firma Schnorpfeil. Der Mann mit dem wettergegerbten Gesicht schätzt, dass aktuell rund 22 Mann auf der Baustelle arbeiten. Alle tragen knallorange oder neongelb. Kleidung als Hingucker. Sicherheit muss sein.Danach ist die Abfahrt dran


Der Polier hofft, dass man bis zu diesem Wochenende die gerade Strecke hinter sich hat, um nächste Woche mit der Abfahrt loslegen zu können. Da der Fertiger dazu über eine Brücke muss, die noch nicht soweit ist, um von dem 11,50 Meter breiten Riesen gequert zu werden, muss er quasi zusammengeklappt werden. Weit ist es nicht mehr bis dahin. Es geht gut voran. 26 Zentimeter hoch ist die nun frische, glänzende Gesamtbetonschicht, in die noch quer zur Fahrbahn sogenannte Dübel und in Längsrichtung Anker gelegt werden. Diese eingelegten Metallstangen dienen dazu, dass das Material später bei Temperaturschwankungen noch arbeiten, sprich sich bewegen kann, ohne dass die Fahrbahn leidet. Auch dafür werden ganz zum Schluss Fugen über Ankern und Dübeln in den Beton gezogen: Sie sind sieben Zentimeter tief und werden mit Fugenvergussmasse verfüllt. Am Ende der Baustelle warten schon die grünen Fahrzeuge der Firma OAT, die das erledigt. Später folgen noch Leitplanken, Markierungen & Co. Das dauert noch. Bis dahin wird die mobile Mischanlage, die eine Fabrik auf Zeit ist und 2000 Kubikmeter Beton am Tag schafft, noch viele LKW zur Baustelle schicken. Winfried Valerius: "In einen LKW passen ungefähr zwölf Kubikmeter. Da können Sie sich ja ausrechnen, wie viele Fahrten das am Tag werden können. Das wiegt etwa 26 bis 27 Tonnen." Von der Bauaufsicht ist Tobias Barten vor Ort. Auf die Frage, was man eigentlich zu den Autofahrern sage, die den Eindruck hätten, es gäbe viele Baustellen, die den Verkehr aufhielten, aber man sehe manches Mal niemanden drauf arbeiten, sagt er: "Das ist wie am Trierer Berg. Deshalb hängen da jetzt Schilder: ,Sie fahren oben, wir arbeiten unten.' Denn da wird eine Brücke saniert, da passiert vieles, was man nicht sieht. Außerdem verlangen viele eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Wenn die nach Feierabend heimfahren und niemand auf der Baustelle sehen, denken die nicht daran, dass auch andere mal frei haben müssen."Flicken sind Schwachpunkte


Oder dass einfach nichts geht. Etwa wenn der Beton aushärtet. "Das kann eine bis eineinhalb Wochen dauern", sagt der Polier, "Und dann kann da niemand drauf." Schließlich soll der neue Belag von Dauer sein. Dass der alte nebst Untergrund runter muss, ist naturgemäß nicht nur der Tatsache geschuldet, dass der Bund aktuell Geld zur Verfügung stellt. Winfried Valerius erklärt: "Die Autobahn ist 1975 gebaut worden. Immer wieder ist etwas gemacht worden. Und diese Flicken sind immer Schwachpunkte, weil sie unterschiedliche Dicken haben, die verhalten sich nicht homogen. Und die Blow-ups bei Hitze sind Anzeichen, dass die Fahrbahn zu dünn ist."
Dass die neue Strecke viel aushält, wird überall kontrolliert und geprüft. Das fängt an der Betonmischanlage an. Am voll beladenen LKW lehnt eine Leiter. Die ist ein Mann mit Schaufel hoch geklettert. Er schaufelt Betonproben in eine Schubkarre, die direkt in einem Containerlabor auf ihre Zusammensetzung, etwa Wasser- und Luftporengehalt, überprüft wird. Und in einem Container liegen große Tüten voll mit Trockenproben, das Tagesdatum mit Edding darauf geschrieben. Auf der Strecke selbst kommt Baustoffprüfer Stefan Engel zum Zug. Er prüft noch einmal den Frischbeton auf seine Eigenschaften. Zum Teil direkt auf der Baustelle, zum Teil nimmt er Proben mit. Währenddessen kriecht der riesige Fertiger langsam Richtung Ausfahrt. Am künftigen Fahrbahnrand ist überall ein Draht gespannt, ähnlich einem Maurerseil gibt er eine Höhe vor: An dem Seil tastet sich der Fertiger entlang und stellt sich so auf die korrekte Betonhöhe ein, die er wie einen riesigen Teig glatt auf den Boden legt. Und das war Minuten zuvor noch Split, Sand und Zement! Per Hand wird an den Seiten noch einmal mit großen Spachteln drübergefahren. Die Männer folgen dazu gebückt der langsam vorwärts ziehenden Maschine. Das geht ins Kreuz und auf die Ohren. Deshalb tragen die Arbeiter Hörschutz. Oder gleich eine Art Astronauten- und Tiefseetaucheranzug zugleich wie Ridvan Sunguri, der den Brückenabschnitt über die B 50 an der Seite sandstrahlt. Das macht nicht nur einen Höllenlärm. "Der Fotograf muss aufpassen, dass er nicht zu nah rangeht, sonst ist sein Objektiv vom Sand hinüber", warnt Valerius.
Blickt man über die Brücke, sieht man in einer Richtung die Gegenspur der Autobahn voll Verkehr und das Industriegebiet. In die andere Richtung liegen einige der wenigen letzten Felder in der Wittlicher Senke. Darauf grast gerade eine Schafherde. Ein Kontrastbild wie zu den Zeiten, als es noch nirgendwo Autobahnen gab, niemand sie brauchte. Heute unvorstellbar. Deshalb die Frage: Wann ist man fertig? "Vor Weihnachten, so Anfang Dezember", sagt Winfried Valerius. Doch nach der Baustelle ist vor der Baustelle: "Dann geht es von Wittlich in Richtung Salmtal weiter." Es muss noch viel Beton gemischt werden.

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