Hoheit über Schloss und Riegel

Immer donnerstags kommen die Neuen: Wo können sie telefonieren, wer hilft ihnen bei Anträgen, woher bekommen sie einen Fernseher, wie oft dürfen sie Besuch empfangen? Wer seine Haftstrafe in Wittlich antritt, muss sich erst mal mit der neuen Lebenssituation vertraut machen. Erste Ansprechpartner sind die JVA-Beamten. Lesen Sie dazu den zweiten Teil unserer Serie über die JVA.

 Peter Gerhards öffnet die Tür zur Kammer der Wunderwaffe gegen Langeweile: Darin stehen die bei den Gefangenen heiß begehrten Mietfernseher. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Peter Gerhards öffnet die Tür zur Kammer der Wunderwaffe gegen Langeweile: Darin stehen die bei den Gefangenen heiß begehrten Mietfernseher. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Wittlich. (sys) Der Ton, der ihnen in den kargen Gängen begegnet, ist nicht mehr so rau wie zu der Zeit, bevor es Fernseher auf den Zellen gab, erinnert sich Peter Gerhards, seines Zeichens Justizvollzugshauptsekretär. Was außer der Wunderwaffe gegen Langeweile die Atmosphäre entspannt habe, seien die Frauen, die seit 1991 eingestellt werden, meint Gerhards, wenn es auch Stimmen gebe, die sagten "Frauen haben hier nichts zu suchen". Inzwischen arbeiten 65 Beamtinnen (18 Prozent) in der JVA. Ihnen schütten die Häftlinge eher als ihren männlichen Kollegen das Herz aus. "Sie können besser zuhören", hebt Gerhards eine der weiblichen Tugenden hervor. In dem nicht immer ungefährlichen Beruf "kriegen sie keine Extrawurst", aber kommt es zu Handgreiflichkeiten, stellen sich die männlichen Kollegen schützend vor sie. Das sei allerdings selten nötig. Gerhards selbst hat in 16 Jahren "nur" einen Faustschlag ins Gesicht kassiert.Das Schlimmste an seiner Arbeit seien die Selbstmorde, sagt Gerhards nachdenklich. Mit denen müssten die Beamten rechnen, wenn sie morgens routinemäßig um sechs Uhr alle Zellen aufschließen, um nach den Häftlingen zu sehen. Gerhards hat dabei achtmal dem Tod in die Augen geschaut. Mit einem Elektrokabel, Gürtel, Betttuch, Rasierklinge und dem messerscharfen Deckel einer Weißblechdose hatten sich die Gefangenen getötet.Auch wenn er gerne in der JVA arbeitet, ist es nicht immer leicht: Zum Beispiel wenn er als dreifacher Familienvater beobachtet, wie sich Kinder nach Ende der Besuchszeit an das Bein ihres Papas klammern und ihn anflehen mit nach Hause zu kommen. Oder er einem Häftling die Nachricht überbringen muss, dass sein Vater gestorben ist. In solchen Situationen sind die Beamten schon mal als "kleine Sozialarbeiter oder kleine Psychologen" gefragt, sagt Gerhards.Ihre Hauptaufgabe ist es allerdings, für Sicherheit zu sorgen. Immer wieder schließen sie Türen auf und zu. Das ist der Fall bei der morgendlichen Kontrolle, bei der Essen-Ausgabe, wenn die Gefangenen zur Arbeit ausrücken, wenn sie zum Sport, zu sozialen Trainings und zum Duschen die Zelle verlassen oder zum 90-minütigen Hofgang und zum Unterricht gehen.Um Sicherheit gewährleisten zu können, kontrollieren die Beamten auch die Post, hören stichprobenartig Telefonate mit und durchsuchen in gewissen Abständen die Zellen. Dabei gehen sie nicht selten Hinweisen von Häftlingen nach. "Die Uneinigkeit der Gefangenen ist unsere Stärke", sagt Gerhards. Was er und seine Kollegen dann manchmal finden, sind Drogen und selbst gebastelte Waffen."Krisensicher und abwechslungsreich" nennt Gerhards seinen Beruf. Manch einer draußen müsste mal mit einem hier drin tauschen, sagt er nachdenklich. Dann würde ihm bewusst, wie schön es ist, jeden Tag seine Familie zu sehen und in Freiheit zu sein.

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