Land zeichnet mutige Männer aus

Wittlich · Einen kühlen Kopf und Mut zum Handeln, um andere zu schützen: Das haben Pfarrer Jan Lehmann und Thomas Pesch. Damit besänftigten sie einen Verwirrten, der vor einem Jahr mit einer Machete einen Jugendgottesdienst in St. Markus stürmte. Niemand kam zu Schaden. Dafür bekommen die beiden Männer am Montag den Sonderpreis für Zivilcourage.

 In brenzliger Lage besonnen für andere da: Jan Lehmann (34 Jahre) und Thomas Pesch (38 Jahre) haben Zivilcourage. Fotos: TV-Archiv

In brenzliger Lage besonnen für andere da: Jan Lehmann (34 Jahre) und Thomas Pesch (38 Jahre) haben Zivilcourage. Fotos: TV-Archiv

Wittlich. Es ist eine unglaubliche Geschichte. Sie beginnt dramatisch und gefährlich mit dem Auftritt eines Verwirrten.
Er stürmt mit einer Machete bewaffnet in eine Messe, an der 300 Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche, teilnehmen (der TV berichtete). Doch zwei Männer übernehmen besonnen die Regie und führen alles zu einem guten Ende.
Deutlich die Gefahr gespürt


Das Unfassbare geschieht am 22. Dezember vor einem Jahr in der Wittlicher St. Markuskirche, in die Pfadfinder das Friedenslicht aus Bethlehem bringen. Zu Beginn dieses besonderen Jugendgottesdienstes stürmt ein Mann nach vorne, schlägt mit einer Machete auf den Altar, fordert eine Million Euro. Wie durch ein Wunder gibt es keine Panik, denn Jugendpfarrer Jan Lehmann reagiert mit kühlem Kopf.
Gehört das vielleicht zum geplanten Rollenspiel? Das fragt er sich nur kurz, angesichts des bewaffneten, wütenden Menschen, der plötzlich vor ihm steht.
Lehmann erinnert sich: "Im Anspiel zum Friedenslichtgottesdienst sollte es auch um Themen wie Gewalt gehen. Ich glaubte zuerst, vielleicht hätten die Jugendlichen das Anspiel noch geändert. Als der Mann dann auf den Altar schlug, dachte ich: ,Das ist aber ein dickes Zeichen.\'
Doch dann habe ich deutlich die Gefahr gespürt, dazu die Situation mit den Messdienern neben mir, dem Jugendchor hinter mir. Mir war klar, ich muss die Gefahr reduzieren, deshalb der Einfall zu versuchen, mit dem Mann an einen anderen Ort zu gehen. Ich merkte, dass er in einer anderen Wirklichkeit lebt und wusste, da muss ich mich absolut drauf einlassen."
Der Jugendpfarrer lotst schnell und unauffällig den aufgebrachten Mann weg vom Altarraum in die leere Sakristei. Und er versucht, sich Hilfe mitzunehmen und vertraut auf Thomas Pesch, Stammesvorsitzender der Wittlicher Pfadfinder. Eine Situation, die Thomas Pesch heute als das nennt, was ihm besonders im Gedächtnis geblieben ist: "Der Satz von Jan Lehmann, der den Mann aus der Kirche in die Sakristei umgeleitet hat, und dabei zu mir sagte: ,Thomas, kommst Du mit.\'" Er kommt mit. In der Sakristei redet Jan Lehmann mit dem Mann. Er sagt ihm, er könne ihm die Million nicht bar geben, aber überweisen, lässt sich die Kontonummer geben. "Ich wollte ihn so lenken, dass er zufrieden ist."
Das lässt sich nicht üben


Es klingt absurd, doch tatsächlich geht der Mann darauf ein, zückt seine Kontokarte, packt die Machete unter den Arm, verlässt die Kirche mitten durch die wartenden Messebesucher. Wieder gibt es wie durch ein Wunder keine Panik, und die Polizei kann den 47-Jährigen, der an paranoider Schizophrenie leidet, kurz danach festnehmen.
Nicht wegschauen, sondern handeln, sich in Notlagen für andere einsetzen, das ist dem Pfarrer nicht neu. "Wir bieten dazu regelmäßig Schulungen an. Meine war gerade sechs Wochen her. Aber die Situation war schon einmalig.
Das lässt sich nicht üben. Das hat aber bestimmt mit meiner Ausbildung und einem großen Stück Gottvertrauen zu tun." Thomas Pesch, der neben seinem Einsatz für die Pfadfinder im Krankenhaus arbeitet, sagt: "Mein erster Gedanke galt den Kindern und Jugendlichen, die direkt im Altarraum saßen und natürlich Jan Lehmann, auf den der Mann ja direkt zugegangen ist. Mir war klar, dass ich sofort einschreiten muss. Mein damaliges besonnenes Auftreten kann ich mir vielleicht nur damit erklären, dass ich sowohl beruflich als auch privat sehr viel mit Menschen und unvorbereiteten Situationen zu tun habe, in denen spontane Reaktion gefragt ist."
Und er erinnert sich an die unmittelbare Zeit danach: "Mir wurde die Situation erst in der darauffolgenden Nacht und in den Tagen danach richtig klar. Ich bewundere immer noch das besonnene Auftreten von Jan Lehmann."
Er sagt auch: "Ich denke, wir hatten Glück und haben richtig reagiert. Geholfen hat auch, dass viele in der voll besetzten Kirche die Situation für einen Teil der Messe gehalten haben und dadurch ruhig geblieben sind."
Den Täter, der auf Entscheidung des Landgerichts Trier in einer Wohneinrichtung für psychisch Kranke untergebracht wurde, haben die beiden außer in der Gerichtsverhandlung nie mehr wiedergesehen.
Am Montag bekommen Lehmann und Pesch von Innenminister Roger Lewentz den Sonderpreis für Zivilcourage des Landes in Mainz. Beide haben am Telefon davon erfahren. Thomas Pesch sagt: "Ich war nach so langer Zeit, mittlerweile ist ja fast ein Jahr vergangen, überrascht. Natürlich freue ich mich über den Preis."

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