Landmarken der Zivilisation

Die Lage ist bedrohlich, vielleicht so bedrohlich wie seit 1802 nicht mehr. Damals macht die französische Regierung unter Napoleon einer zu diesem Zeitpunkt fast 700-jährigen Geschichte ein vorläufiges Ende, als sie im Zuge der Säkularisation das Kloster Himmerod aufhob.

In der Folgezeit wechselten die Klostergebäude mehrfach den Besitzer und verfielen immer mehr - von der Kirche war kaum noch etwas übrig, als Zisterziensermönche das Kloster in der Eifel neu gründeten. Nun steht die Abtei keine 100 Jahre später wieder vor dem Aus. Diesmal nicht aufgrund von politischen Einflüssen oder weil - wie vor sechs Jahren - eine Insolvenz droht, sondern weil schlicht bald keiner mehr da sein wird, der im Kloster leben will. Und ohne Mönche und Patres ist ein Kloster tot. Nicht nur für gläubige Menschen ist das eine sehr bittere Nachricht. Auch ich, als eher säkular orientierter Mensch, empfinde das Ende dieser Institution als schweren Verlust. Klöster sind nicht nur Orte des Glaubens und der Erbauung, sie sind auch weit mehr als Beispiele architektonischer Schönheit, sie sind nichts weniger als Landmarken der Zivilisation. Denn im klösterlichen Leben findet sich schon früh im Mittelalter eine Organisationsform von Leben und Arbeiten, die in der Neuzeit in der gesamten Gesellschaft vorherrschend geworden ist. Und Klöster versinnbildlichen auch, dass eine auf wirtschaftliche Effizienz ausgelegte Wirtschaftsordnung, wie der Kapitalismus, ohne festes ethisches Fundament auf lange Sicht unerträglich ist. Diese historische Tiefe und Bedeutung, diese Werte und Zeichen sind es, die ein Kloster mit 900 Jahre währender Tradition zu einer Einrichtung machen, deren Verlust weit schwerer wiegt, als wenn in einem Dorf eine Post- oder eine Bankfiliale schließen. Es muss daher in den nächsten Monaten darum gehen, das Kloster auch ohne Mönche als einen Ort zu erhalten, der für Menschen zugänglich ist, bewahrt und tatsächlich genutzt wird. Kolumne Klartext

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