Neuer Landrat erbt maroden Haushalt

Mehr als 99 Prozent der Ausgaben im Haushalt des Landkreises Bernkastel-Wittlich gehen bei steigenden Schulden für Pflichtausgaben drauf. Außer RWE-Aktien hat der Kreis kein Tafelsilber mehr, dessen Verkauf ihm Luft verschaffen könnte.

 Die Schulden des Landkreises Bernkastel-Wittlich stapeln sich: Würde man aus den 70 Millionen Euro einen Turm aus Ein-Euro-Münzen bauen, wäre er mehr als 160 Kilometer hoch. TV-Foto: Klaus Kimmling

Die Schulden des Landkreises Bernkastel-Wittlich stapeln sich: Würde man aus den 70 Millionen Euro einen Turm aus Ein-Euro-Münzen bauen, wäre er mehr als 160 Kilometer hoch. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Es ist egal, wie der neue Landrat heißt. Er hat ein Problem. Und das heißt Schulden. Die steigen und steigen, weil die Ausgaben vor allem im Bereich der sozialen Daseinsfürsorge steigen und steigen. Da kommen die Einnahmen schon lange nicht mehr hinterher. 2011 werden rund fünf Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Rund 70 Millionen Euro Schulden hat der Landkreis dann. Hinzu kommen rund 40 Millionen Euro laufende Kassenkredite - so nennt man es, wenn eine Kommune ihr Konto überzieht, um laufende Kosten zu decken.

Was also tun angesichts dieser rund 110 Millionen Euro? Die Antwort ist so einfach wie kompliziert: Entweder senkt der Kreis seine Ausgaben oder er erhöht seine Einnahmen.

Höhere Einnahmen: Ohne die von den Verbandsgemeinden, der Stadt Wittlich und der Gemeinde Morbach zu zahlende Kreisumlage müsste der Landkreis Insolvenz beantragen. Erst 2009 genehmigte sich der Kreis eine Erhöhung. Aktuell müssen die Kommunen 43 Prozent der Steuereinnahmen abliefern. Das sind rund 39 Millionen Euro. Rund zehn Millionen Euro gibt es als Zuweisung vom Land.

Niedrigere Ausgaben: 2011 will der Landkreis 147 170 405 Euro ausgeben. 99,17 Prozent davon sind rechtlich verbindliche Ausgaben wie Fleischbeschau, die kreiseigenen Schulen, die Jugendhilfe oder die Landespflegebehörde. Bleiben noch 1,216 Millionen Euro übrig, die die Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde (ADD) als Kommunalaufsicht als sogenannte freiwillige Leistungen bezeichnet. Also Ausgaben, die laut ADD nicht zwingend erforderlich sind. Die größten Posten sind die Tourismusförderung mit rund 294 000 Euro (212 000 Euro davon für die Mosellandtouristik), die Wirtschaftsförderung mit 237 000 Euro und der Zuschuss zur Kreismusikschule in Höhe von rund 232 000 Euro.

Das Tafelsilber: Wer in finanzieller Not steckt, der muss irgendwann an die eisernen Reserven ran. Beim Landkreis Bernkastel-Wittlich ist das so eine Sache. Der besitzt derzeit RWE-Aktien mit einem Tageswert von rund 22 Millionen Euro. An Aktien im Wert von rund 15 Millionen kann der Kreis jedoch erst Anfang 2013 ran, da sie derzeit aufgrund eines Geldgeschäfts mit einer Bank nicht verfügbar sind. Das heißt jedoch nicht, dass die Papiere auf immer und ewig gehalten werden sollen. Es gibt einen Kreistagsbeschluss, die Papiere bei einem Kurs von 75 Euro pro Stück zu verkaufen. Derzeit liegt der Kurs zwischen 53 und 54 Euro.

Kurzfristig zu realisieren sind dagegen Einnahmen aus dem Verkauf der ehemaligen Weinbauschule in Bernkastel-Kues (der TV berichtete). Auf rund 600 000 Euro beziffert die Verwaltung den Verkehrswert des Anwesens, das zeitnah verkauft werden soll. Schwierig dürfte es werden, den anderen Landbesitz des Kreises an den Mann zu bringen. Der hat zwar einen Bilanzwert von rund 228 000 Euro. Es handelt sich jedoch meist um unverkäufliche kleine Parzellen neben Kreisstraßen.

Armer Landkreis mit profitabler Sparkasse



Das Tafelgold: Der Landkreis Bernkastel-Wittlich besitzt die Mehrheit an der Sparkasse Mittelmosel Eifel-Mosel-Hunsrück (EMH). Das Untenehmen hat eine Bilanzsumme von rund 2,3 Millionen Euro. Zum Vergleich: Vor knapp zehn Jahren sollte die von der Bilanzsumme her gesehen vier Mal kleinere Sparkasse Stralsund für 50 Millionen Euro verkauft werden. Doch dieses Vorhaben scheiterte. Und ein Verkauf der Sparkasse EMH ist rechtlich derzeit nicht möglich. Der Gewinn fließt derzeit vor allem in Stiftungen. Das Stiftungskapital lisoll von fünf auf zwölf Millionen Euro steigen.

Die Konsequenz: Mögliche Einsparungen bei freiwilligen Ausgaben sind möglich. So hat beispielsweise der Landkreis Vulkaneifel bereits vor mehr als zehn Jahren seine Kreismusikschule privatisiert. Wahrscheinlich wird auch die Kreisumlage weiter erhöht. Es gibt inzwischen Landkreise mit Umlagen von 50 Prozent. Auch könnte der Kreis sein Straßennetz verkleinern und so auf Dauer Geld sparen. Das ist jedoch bisher nicht gewollt.

Würden alle RWE-Aktien veräußert und der Erlös zur Senkung der Schulen verwendet, wäre auch die Aktien-Dividende von jährlich rund 1,2 Millionen Euro auf der Einnahmeseite weg. Andererseits würde der Schuldenberg teilweise abgetragen, und es müsste weniger für Zins und Tilgung gezahlt werden. Allein für Zinsen zahlt der Kreis 2011 voraussichtlich rund 2,8 Millionen Euro.

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