Politik, Puppen und Faible für Matrosenanzüge

Wittlich · Zwei "heimgekommene" Künstler widmen sich einem, der immer geblieben war: Schauspieler Manuel Klein und Musikerin Anne Kaftan haben unter freiem Himmel als Höhepunkt der Wittlicher Kulturtage das Schaffen von Alt-Bürgermeister und Ehrenbürger Matthias Joseph Mehs Revue passieren lassen.

 Schauspieler Manuel Klein und Musikerin Anne Kaftan, beide aus Wittlich, haben das Publikum der Wittlicher Kulturtage mit ihrer „Annäherung“ an Matthias Joseph Mehs begeistert. TV-Foto: Björn Pazen

Schauspieler Manuel Klein und Musikerin Anne Kaftan, beide aus Wittlich, haben das Publikum der Wittlicher Kulturtage mit ihrer „Annäherung“ an Matthias Joseph Mehs begeistert. TV-Foto: Björn Pazen

Foto: Bjoern Pazen (BP) ("TV-Upload Pazen"

Wittlich. Sonne, endlich Sonne! Stundenlang hatte es geregnet. Pünktlich, als die rund 100 Besucher den Garten des Haus Mehs am Sonntagabend betreten, strahlt die Sonne vom Himmel, die 1000 gelben Säcke, die Büchereichefin Elke Scheid vorsorglich als Regenschutz organisiert hatte, bleiben außen vor. Als ob Mehse Matti von oben schützend seine Hand über "seinen" Open-Air-Abend gehalten hätte.
Ständiger Wechsel


Wer war dieser Mann (1893-1976), der wie kein anderer Wittlich prägte? Ein Jahr hatte der Wittlicher Schauspieler Manuel Klein (derzeit am Theater Kaiserslautern engagiert) sich als Auftragsarbeit der Stadt auf die Spuren des Ex-Bürgermeisters, Bundestagsabgeordneten und Erfinders der Säubrennerkirmes begeben. Herausgekommen ist eine beeindruckende Collage aus Texten, Musik, Bildern, Theater und auch ein bisschen Klamauk, die sich vorrangig mit der Zeit von 1933 bis 1945 befasste.
Es ist deutsche Geschichte, Wittlicher Geschichte, Mehssche Geschichte - und es ist parallel der stete, teilweise abrupte Wechsel der Darstellung des hochpolitischen Mehs zum privaten Mehs. Brillant dargebotene und gespielte Texte - vor allem aus Mehs‘ Tagebüchern - wechseln sich mit einfühlsamen Saxophon- und Bassklarinettensoli der Wittlicher Musikerin Anne Kaftan ab, zudem wechseln Schauspieler und Musikerin ständig die Orte. Eben noch auf der Mauer im Mehsschen Garten, nun im Fenster der angrenzenden Stadtbücherei. Die im Garten sitzenden Besucher - darunter viele Verwandte von Mehs - werden von allen Seiten bespielt.
Mehs war freiheitsliebend, war gegen das Nazi-Regime, war immer für Wittlich, war hochgebildet und hatte von Jugend an ein Faible für Frauen in Matrosenanzügen. Der Wirtshaussohn erfand aber auch Puppenspiele - und die wurden mit handgeschnitzten Originalfiguren der Familie aus den 30er Jahren in das Stück integriert. So musste Musiker und Politiker Stephan Moll zur Freude der Zuschauer "Bibaile fängken", Bürgermeister Joachim Rodenkirch mit Kasperlepuppe in der Hand als sein Ur-Vorgänger Rudolf Neuenhofer eine aus dem Ruder gelaufene Stadtratssitzung leiten, in der der damalige Vorsitzende der Zentrumsfraktion Mehs triumphierte.
Aber trotz Komik und Kurzweiligkeit waren es eher die nachdenklichen Passagen, die von der "Annäherung an einen großen Wittlicher" hängenblieben, beispielsweise, wenn sich Mehs via Tagebuch Gedanken darüber machte, woher eigentlich das Böse kommt. Zweimal je 50 Minuten standen Klein und Kaftan im Fokus, die wie keine anderen das diesjährige Motto der Wittlicher Kulturtage "Coming home" (heimkommen) symbolisieren, auch wenn Kaftan teilweise in Musweiler lebt.
Cocktails in der Bolsstube


Dazwischen konnten die Besucher die "Schollen" von Mehs erkunden. An neun Stationen im Haus Mehs, der Stadtbücherei und dem Emil-Frank-Institut waren weitere Zeugnisse des Ehrenbürgers zu sehen (Videos), zu hören (Tonaufnahmen, allesamt von Klein eingesprochene Mehs-Texte) oder zu schmecken: Denn Mehs hatte in seiner Bolsstube im Gasthaus auch zahlreiche Cocktails erfunden, die im Originalrezept, gemixt von Manuel Klein, probiert werden konnten.
Am Ende waren die Zuschauer begeistert - vom großen Talent ihrer heimgekommenen Künstler, aber auch der Umsetzung des Projekts. Von "wunderschön" bis "künstlerisch herausragend" lauteten die Meinungen.
Kleines Manko: Das Wirken und Schaffen von Mehs für Wittlich nach 1945 kamen etwas zu kurz, sieht man von einer Episode als Bundestagsabgeordneter ("Ohne mich wäre Adenauer nicht Bundeskanzler geworden") oder der Säubrennerkirmes ab. Ach ja: Eine halbe Stunde nach dem minutenlangen Schlussapplaus fing es dann tatsächlich wieder an zu regnen.

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