"Rückenwind" für Frauen und Kinder von Strafgefangenen

Angehörige Strafgefangener sind ausgegrenzt, fühlen sich hilflos, müssen eine Trennung verschmerzen und große finanzielle und familiäre Belastungen schultern. Aber im Gegensatz zu anderen Hilfsbedürftigen haben sie keine Lobby. Nun will sich das Wittlicher Projekt "Rückenwind" für sie stark machen. Am vergangenen Dienstag fiel der offizielle Startschuss für das deutschlandweit einzigartige Modell-Projekt.

 Machen sich für die Angehörigen von Strafgefangenen stark: (von links) Melanie Bonifas, Rolf Richartz, Hans-Peter Pesch (vorne) und Johannes Becker-Laros vom Projektteam „Rückenwind“ sowie Bernd Walter und Robert Müller vom SKM-Diözesanverein Trier, Staatssekretärin Beate Reich und der Vorsitzende des Caritasverbandes der Diözese Trier, Prälat Franz-Josef Gebert. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Machen sich für die Angehörigen von Strafgefangenen stark: (von links) Melanie Bonifas, Rolf Richartz, Hans-Peter Pesch (vorne) und Johannes Becker-Laros vom Projektteam „Rückenwind“ sowie Bernd Walter und Robert Müller vom SKM-Diözesanverein Trier, Staatssekretärin Beate Reich und der Vorsitzende des Caritasverbandes der Diözese Trier, Prälat Franz-Josef Gebert. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Wittlich. Wer seinen Mann, Vater, Bruder oder Sohn im Gefängnis besuchen möchte, muss künftig nicht mehr vor dem Tor warten, bis im Besucherraum ein Platz frei wird. In den meisten Fällen haben die Angehörigen eine weite Anreise bis Wittlich. Direkt gegenüber der neuen Justizvollzugsanstalt ´(JVA) Wittlich laden Sozialarbeiterin Melanie Bonifas und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter sie ein, Wartezeiten in den Räumen in der Trierer Landstraße 99 zu verbringen.

Hier können sie sich mit anderen Betroffenen austauschen, hier finden sie auch Rat und ein offenes Ohr für ihre Ängste und Probleme. Neben Beratung bietet "Rückenwind" Kinderbetreuung während der Besuchszeiten in der JVA an, vermittelt an wohnortnahe Kooperationspartner und informiert über den Strafvollzug. Denn am Anfang stehen viele Fragezeichen. Allein zum Prozedere bei Besuchen erreichen den JVA-Besuchskoordinator Peter Thiel täglich 80 bis 100 Anrufe. Er begrüßt die Entlastung durch "Rückenwind".

Für zwei Jahre hat "Rückenwind" seine Finanzierung gesichert. Geldgeber sind die Lotterie "Glücksspirale", das Bistum und der SKM (Sozialdienst katholischer Männer) Katholischer Verein für soziale Dienste Diözesanverein Trier, der auch Träger des Projektes ist. Die Kriminologin Anne-Marie Klopp sprach sich für eine begleitende wissenschaftliche Analyse der Auswirkungen der Hilfe für Angehörige auf die Reintegration Strafgefangener aus. Wenn "Rückenwind" nachweisbar einen positiven Beitrag zur Sicherheit leistet, hat das Projekt Chancen, erweitert zu werden.

"Das hat es bisher in Deutschland so noch nicht gegeben", betonte Rolf Lodde, Generalsekretär des SKM-Bundesverbandes, die Einzigartigkeit des Hilfsangebotes bei der Eröffnungsfeier am Dienstag in Wittlich. Staatssekretärin Beate Reich würdigte das Projekt als "Glücksfall" und "Chance" für den rheinland-pfälzischen Strafvollzug und beurteilte es als "wegweisend".

Robert Haase, seit Oktober neuer Leiter der JVA, begrüßt das Projekt, weil es Aufgaben übernehme, die Justizbeamte nicht leisten könnten. Anstaltspfarrer Detlef Hein bestätigt, dass die Kooperation von JVA und "Rückenwind" bereits funktioniert. Er selbst hat sich schon bei "Rückenwind" zu Gesprächen mit Angehörigen getroffen, die den Besuch in der JVA scheuen.

Kontakt: E-Mail info@rue ckenwind-wittlich.de, Homepage www.rueckenwind-wittlich.de, Telefon: 06571/1472528. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 12 Uhr und 12.30 bis 15.30 Uhr, an jedem zweiten Samstag im Monat von 9 bis 15 Uhr.

EXTRA Besuchsregelung: Strafgefangene der JVA dürfen in einem bewachten Besuchsraum monatlich zwei Stunden lang Angehörige treffen. 16 Tische stehen dafür bereit. Eine sogenannte "Ordnungswand", die etwa bis in Brusthöhe reicht, trennt die Gesprächspartner voneinander. Diese Vorsichtsmaßnahme soll verhindern, dass dem Inhaftierten Gegenstände zugesteckt werden. Ein Gefangener darf nicht mehr als drei Angehörige gleichzeitig empfangen. Bei Familien mit mehr als zwei Kindern gab das bislang Probleme. Nun können Kinder bei "Rückenwind" auf ihre Mutter und die Geschwister warten. 600 Besucher verzeichnet Koordinator Peter Thiel für die JVA monatlich während der Besuchszeiten wochentags zwischen 8 und 16 Uhr. Das Angebot, Inhaftierte auch nach den üblichen Arbeitszeiten besuchen zu können, sei nicht angenommen worden, erklärt Anstaltsleiter Robert Haase. Für Berufstätige gebe es die Möglichkeit, Gefangene am zweiten Samstag im Monat zu besuchen. In der Jugendstrafanstalt liegt die Besuchszeit bei vier Stunden im Monat. (sys)

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