So setzen Gefangene ihr Kreuzchen

Wittlich · Sie sitzen im Gefängnis, dürfen aber trotzdem ihr Kreuzchen machen: Von 502 wahlberechtigten Häftlingen in der Justizvollzugsanstalt in Wittlich beteiligen sich 61 an der Wahl - per Brief. Darunter sind auch fünf Erstwähler.

"Wer nicht wählt, braucht nachher auch nicht zu schimpfen, wenn sich für ihn nichts ändert." Diesen Worten eines Mannes würden wohl viele Bürger zustimmen. Dass gerade er dies sagt, ist jedoch nicht selbstverständlich: Der 55-Jährige ist Strafgefangener in der Wittlicher Justizvollzugsanstalt (JVA). Und als Wähler eher eine Ausnahme unter seinen Mithäftlingen.

Wie funktioniert die Wahl hinter Gittern? Im Knast gibt es keine Wahlurne. Gefangene wählen per Brief - das müssen zumindest die, die im geschlossenen Vollzug sind. "Gefangene aus dem offenen Vollzug können bei ihrem Ausgang auch ins Wahllokal gehen", erklärt Robert Haase, Leiter der JVA Wittlich. Eine notwendige Voraussetzung dabei ist klar: Wählen dürfen nur die Gefangenen, die auch wahlberechtigt sind, also im Falle der Bundestagswahl über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen. Das sind derzeit 502 Gefangene.

Per Briefwahl beteiligen sich 61 Gefangene aus dem geschlossenen Vollzug an der Wahl. Die Zahl derer, die bei ihrem Ausgang im Wahllokal ihre Stimme abgeben, ist Haase nicht bekannt. Die Gefangenen gehören jeweils dem Wahlkreis an, in dem sie ihre Wohnung unterhalten und wo sie gemeldet sind. Ein Gefangener, der weiter weg wohnt und zwar im offenen Vollzug ist, aber keinen Langzeitausgang hat, kann dann auch per Briefwahl abstimmen. Dabei ist allerdings Eigeninitiative gefordert: Die Briefwahlunterlagen müssen von den Inhaftierten selbst angefordert werden. Sie tragen auch die Kosten für das Porto. "Wenn kein Portogeld zur Verfügung steht, erhält der Gefangene einen Vorschuss", sagt Haase. Normalerweise wird die Post der Inhaftierten durchgesehen. In diesem Fall nicht. "Die Wahlbriefe werden von uns nicht kontrolliert", sagt Haase. So bleibt das Wahlgeheimnis gewahrt.

Die niedrige Wahlbeteiligung führt Haase auf das mangelnde Interesse der Gefangenen zurück. So sagt ein 25-jähriger Insasse auch, er nehme nicht an der Wahl teil, weil ihn das alles nicht interessiere. Ein anderer, 31 Jahre alt, erklärt: "Die machen ja sowieso, was sie wollen, egal, wen man wählt."

Alle sehen das dann aber doch nicht so. Ein 53-jähriger Häftling gibt seine Stimme ab, weil, wie er erklärt, "dies die einzige Möglichkeit ist, auf die Politik Einfluss zu nehmen, ohne dass man Abgeordneter ist". Die, die ein Kreuzchen setzen möchten, könnten sich in der JVA per Radio und Fernsehen über das politische Geschehen informieren, erklärt Haase. Immerhin sind unter den 61 Briefwählern dieses Jahr auch fünf Erstwähler.

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