Stolpersteine bleiben in Wittlich ein Thema

Wittlich/Bitburg · Mit drei Veranstaltungen ist am Freitag in Wittlich der Opfer des Nationalsozialismus gedacht worden. Mit einem Vortrag am Samstag erinnert die Georg-Meistermann-Gesellschaft an den gescheiterten Versuch, in der Stadt Stolpersteine verlegen zu lassen.

Das Erinnern an die Schrecken des Nationalsozialismus hat in Wittlich Tradition. Mit einer Mahnwache auf dem Marktplatz, einer Kranzniederlegung und einem Konzert in der Alten Synagoge haben die Wittlicher am Freitag daran erinnert, dass es einst in der Stadt eine große jüdische Gemeinde gab. Anders als in Trier, Hermeskeil oder Gerolstein gibt es trotz einer emotional geführten Debatte keine sogenannten Stolpersteine (siehe Extra), die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

Rückblende: Die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte Ende Januar 2009 beantragt, dass in Wittlich Stolpersteine verlegt werden sollen. Dieser Antrag wurde nach Auskunft der Stadtverwaltung am 10. Februar 2009 in den Stadtrat eingebracht und zur weiteren Beratung in den Kulturausschuss verwiesen. Mit Schreiben vom 30. März 2009 zog die Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen den Antrag zurück. Begründung war, dass zu jener Zeit eine vernünftige Debatte über das Thema unmöglich gewesen sei. Hintergrund für diese Einschätzung war wohl die erst einige Wochen zuvor beschlossene Streichung der Stelle des Wittlicher Kulturamtsleiters. Diese Position hatte Justinus Maria Calleen innegehabt, der auch das Stolperstein-Projekt unterstützte.

"Mit der Zurücknahme des Antrags hat sich auch das Thema ,Stolpersteine\' in der Stadt erledigt", sagt Jan Mußweiler, Sprecher der Stadtverwaltung Wittlich. Seit dieser Zeit hat es keinen neuen offiziellen Anlauf für Stolpersteine gegeben. Derzeit geplant ist hingegen ein Denkmal für Zwangsarbeiter beim Autobahnbau, das an der Autobahnkirche St. Paul angebracht werden soll (der TV berichtete).
So ganz hat sich die Sache noch nicht erledigt. Die Georg-Meistermann-Gesellschaft veranstaltet am heutigen Samstag um 11 Uhr einen öffentlichen Vortrag mit anschließender Diskussion zum Thema "Steine des Anstoßes - Stolpersteine zum Gedenken an die vergessenen NS-Opfer". Dabei werden unter anderem Calleen und Hans Jörg Krames über die Diskussion um die Gedenksteine berichten. Sie thematisieren dabei auch die aus ihrer Sicht damals im Verborgenen stattgefundenen Eingriffe und politischen Hintergründe. Der Trierer Privatdozent Thomas Schnitzler wird einen allgemeinen Überblick über das europaweit realisierte Stolperstein-Projekt geben.
Meinung

Prozess nicht abgeschlossen
Die Opfer des Nationalsozialismus verdienen Erinnerung und haben es nicht verdient, zum Begleichen alter Rechnungen missbraucht zu werden. Wenn die Veranstaltung der Georg-Meistermann-Gesellschaft dazu dient, die Debatte über die Erinnerungskultur in Wittlich mit neuem Leben zu erfüllen, ist das gut. Denn Erinnerungsarbeit darf kein abgeschlossener Prozess sein, der sich in Tradition und Ritual erschöpft. Die Initiative für das Zwangsarbeiter-Denkmal in St. Paul zeigt, dass auch in einer Stadt mit einer ausgeprägten Erinnerungsarbeit immer wieder neue Aspekte beleuchtet werden, die zuvor nicht unmittelbar im Fokus standen oder keine Beachtung fanden. Ungehörig und der Sache nicht angemessen wäre es indes, wenn die Veranstaltung im Casino allein dazu dienen würde, das Scheitern des Stolpersteinprojekts als Verschwörung dunkler Mächte und alter Seilschaften darzustellen. h.jansen@volksfreund.deExtra

Auch in Bitburg gibt es trotz eines Antrags der dortigen bündnisgrünen Stadtratsfraktion keine Stolpersteine. Es hatte sich bei genauerem Hinsehen herausgestellt, dass nur wenige Steine hätten verlegt werden können, da die meisten der mehr als 40 Bitburger Juden fliehen konnten. Für eine Mehrheit im Rat hätten somit die Stolpersteine nicht weit genug gegriffen. Stattdessen haben die Bierstädter beschlossen, dass ein Konzept erarbeitet werden soll, um allen Opfern der Nationalsozialisten angemessen gedenken zu können. Das umfasst neben einigen Bitburger Juden unter anderem 124 russische Kriegsgefangene, die in einem Massengrab beigesetzt wurden. harExtra

Seit Anfang der 1990er Jahre verlegt der Kölner Gunter Demnig Tafeln aus Messing, auf denen der Menschen gedacht wird, die im Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Die Tafeln werden in der Regel vor den letzten frei gewählten Wohnorten der NS-Opfer in das Pflaster des Gehwegs eingelassen. In mehr als 500 Gemeinden gibt es inzwischen solche Stolpersteine. Demnigs Ziel ist es unter anderem, den NS-Opfern, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden, ihre Namen zurückzugeben. har

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