Tagung in Wittlich: Landwirte wehren sich gegen Diffamierungen

Wittlich · Die Bauern im Kreis beklagen einen gravierenden Preisverfall für ihre Produkte. Gleichzeitig wehren sie sich gegen Anfeindungen in der Öffentlichkeit. Bei der Dreikönigstagung des Kreisbauern- und Winzerverbandes in Wittlich standen diese Themen im Mittelpunkt.

Tagung in Wittlich: Landwirte wehren sich gegen Diffamierungen
Foto: Winfried Simon

Vor einem Jahr wurde in Nordrhein-Westfalen ein Landwirt von einem Stier tödlich verletzt. Die Tierrechtsorganisation Animal Peace kommentierte den tragischen Unfall: "Und wieder steht ein Held aus unserer Mitte auf - Ein Bulle nimmt Rache." Den Bauern bezeichnete die Vereinsvorsitzende als "Sklavenhalter".

Eine solch irre und menschenverachtende Meinung mag ein Einzelfall sein, dennoch zeigt der Vorfall, wie Teile der Bevölkerung über die Landwirtschaft denken. Aber die Landwirte wollen sich gegen solche und andere üblen Beschimpfungen - sei es bezogen auf die Tierhaltung oder den Pflanzenschutz - wehren. Sie wollen, dass ihre Arbeit von der Gesellschaft anerkannt wird.

Auf der Dreikönigstagung des Kreisbauern- und Winzerverbandes rief Vorsitzender Manfred Zelder den rund 160 Bauern und Kommunalpolitikern zu: "Wir wollen nicht ständig diffamiert werden." Dass die Arbeit der Bauern kaum noch wertgeschätzt wird, verdeutlichte der Hauptredner, der ehemalige Journalist Gerhardt Schmidt, heute tätig als freier Dozent: "Das Bewusstsein, dass unsere Ernährung von Bauern kommt und nur von Bauern sichergestellt wird, ist bei uns kaum noch vorhanden." Schmidt weiter: "Wir leben in einer verrückten Welt, in einer Welt, wo täglich tonnenweise Lebensmittel vernichtet werden, wo die Menschen an Weihnachten Erdbeeren und Silvester Spargel essen wollen." Ferner leiste sich eine "Schlaraffenland-Gesellschaft" eine Luxusdebatte über Bio-Nahrung und Tierhaltung. Er kenne Bio-Restaurants, wo Riesengarnelen, argentinische Rumpsteaks und Ananas-Bananenparfait angeboten werden. Das Wort Massentierhaltung sei in Deutschland zu einem Kampfbegriff geworden. Schmidt. "Hier wird mit Horrorzahlen gearbeitet, die unverschämt sind." Die Agrarbranche, so Schmidt weiter, habe jegliches Selbstbewusstsein verloren. Sie habe Angst vor der Öffentlichkeitsarbeit.

Schmidt ging auch auf die rasant wachsende Weltbevölkerung und das damit einhergehende Ernährungsproblem ein. Deutlich kritisierte er die Stilllegung von Agrarflächen in Deutschland. Schmidt: "Wir leben in einer der fruchtbarsten Regionen der Welt. Wir haben eine Mitverantwortung für die Ernährung weltweit." Neben dem Imageproblem haben die Landwirte ganz aktuell mit drastischen Einkommensverlusten zu kämpfen. Dies betrifft besonders die Milchviehbetriebe. Der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Michael Horper: "Gerade viele der nicht so großen Betriebe müssen aufgeben. Die vielen Auflagen und Verbote nehmen zusätzlich vielen den Atem." Der Kreisbauern- und Winzerverband hat wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Situation - in Deutschland sind im Wirtschaftsjahr 2014/15 die Einkommen in der Landwirtschaft um 35 Prozent zurückgegangen - eine Resolution verabschiedet (siehe Extra).

EXTRA
In einer Resolution fordert der Kreisbauern- und Winzerband Bernkastel-Wittlich höhere Preise, weniger Bürokratie und die Anerkennung der vielfältigen Leistungen durch Politik, Medien und Gesellschaft. Die ausufernde Bürokratie wirke sich nicht qualitätssteigend aus, vielmehr nehme sie die Lust an der Arbeit und sie sei Gift für freiwillige Leistungen. Gerade die von den Verbrauchern gewollten Familienbetriebe seien von solchen Regelungen betroffen. Die Landwirtschaft leiste einen großen Beitrag zum Klimaschutz und habe als Lebensmittelerzeuger eine Sonderrolle, die in der Umweltpolitik und von der Gesellschaft anerkannt werden müsse. Der Kreisverband wendet sich ferner gegen ideologisch geprägte Vorhaltungen. sim

Kommentar
Luxusprobleme im Schlaraffenland

Winfried Simon

Die Landwirte hatten mal ein hohes Ansehen. Das war in den Zeiten, als die Menschen noch ein einfaches Brot oder Kotelett zu schätzen wussten und sie dafür einen großen Teil ihres Einkommens hergeben mussten. Und heute: Nie waren Lebensmittel in Deutschland billiger, nie waren gleichzeitig die Nahrungsmittel so hochwertig und so gesund. Dass diese Produkte Bauern - in unserer Region fast ausschließlich Familienbetriebe - herstellen, ist vielen offenbar kaum noch bewusst. Es ist ja alles im Überfluss da - wie im Schlaraffenland. Die Bauern sorgen dafür. Das Geld streichen aber große Lebensmittelkonzerne, Discounter und Supermärkte ein. Das ist schon skandalös genug. Dass aber die Bauern von Teilen der Bevölkerung regelrecht verteufelt und von ideologisch geprägten Politikern ständig an den Pranger gestellt werden, ist unverschämt. Es gibt Leute, die gehen abends in die angesagte Sushi-Bar, schlürfen dazu einen Sauvignon Blanc aus Neuseeland - alles bio natürlich - und hetzen über die heimische Landwirtschaft. Solche Leute haben ein Problem - ein Luxusproblem.

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