Waschen, scheren, föhnen: Manderscheider arbeitet als Kuhfriseur

Manderscheid · Jürgen Krämer ist Kuhfriseur. Mit Schere, Föhn und Haarspray putzt er die Tiere im Stall von Kopf bis Schwanz heraus. Damit sie bei Schauen und Auktionen besonders glänzen.


Jürgen Krämer entgeht kein Haar. Hochkonzentriert lässt er seine Schermaschine über den schwarz-weißen Körper von Kuh Elaine gleiten. Langsam arbeitet er sich vor. Von unten nach oben, von rechts nach links. Vorne seitlich unten am Bauch lässt er Fell stehen. "Das mache ich, damit die Kuh mehr Breite zeigen kann", sagt der Kuhfriseur, der schon unzählige Kuhdamen in deutschen Ställen gestylt hat. Oberstes Ziel, auch bei dem Griff in die Trickkiste, sei: "Die Stärken des Tieres hervorheben und seine Schwächen vertuschen." Und zwar nur mit Schere, Bürste, Föhn und Haarspray. Ganz klar, der 31-Jährige hat ein Händchen fürs Aufhübschen. Daher ist er vor Schauen und Auktionen ein gefragter Mann. Bei Landwirtin Sandra Sonntag in Pomster (Kreis Ahrweiler) rückt Krämer gleich zwei Kühen zu Leibe, um sie für einen Schönheitswettbewerb vorzubereiten. Insgesamt legt der Landwirt dafür bei mehr als einem Dutzend Kühe Hand an.

"Es macht großen Spaß, das Optimale aus den Tieren rauszuholen", sagt Krämer — und macht sich an das Euter. Vorsichtig rasiert er dort die Haare weg, "damit die Beaderung gut zu sehen ist." Denn ein Euter mit vielen Adern zeige, dass es gut durchblutet und leistungsstark sei. So etwas wie ein Schönheitsideal. Kuh Elaine, gerade mal zwei Jahre jung, lässt das Styling relativ entspannt über sich ergehen.

Agaringenieurin Sonntag, die aus dem saarländischen Illingen stammt, ist stolz auf Elaine: "Sie sieht schon schnittig aus." Bei Schauen zu siegen, sei gar nicht ihr Ziel, sagt die 35-Jährige. "Es ist ja schon toll, überhaupt dabei zu sein." Kuhfriseur Krämer ist bei seiner größten Herausforderung angekommen: Elaines Rückenlinie an der Wirbelsäule, der sogenannten Topline. "Die soll möglichst ganz gerade sein." Bei Elaine aber gibt es wirbelmäßig etliche Unebenheiten. Krämer föhnt die frisch gewaschenen kleinen Härchen immer wieder in die Höhe, bürstet sie nach oben und fixiert sie mit Haarspray. Noch ein bisschen Glanzlack. Wow. Am Ende sieht die Linie auf dem Rücken ziemlich gerade aus.

"Die Kühe werden vom Kuhfriseur nicht manipuliert, sondern nur top rausgebracht", sagt Agraringenieur Grebener. Das A und O sei, dass man nicht merke, wo der Tierfriseur optisch nachgeholfen habe, fügt Krämer hinzu, der in Manderscheid als Landwirt in einem Familienbetrieb mit 200 Milchkühen arbeitet (siehe Extra).
Das Kuhfrisieren hat der Eifeler mit 19 Jahren bei seiner Lehre zum Landwirt als Hobby entdeckt: "Und Blut geleckt." Nach und nach habe er dazugelernt, sei für Tierschauen quer durch Deutschland unterwegs gewesen — und frisiere im Stall seit ein paar Jahren professionell. Aber nur nebenbei. "Ich habe leider nicht mehr so viel Zeit." In Rheinland-Pfalz kennt er noch zwei weitere seines Fachs. Nach Angaben des Verbandes deutscher Jungzüchter sind bundesweit rund 80 Kuhfriseure aktiv. Um die 20 davon übten ihr Handwerk professionell im Nebenberuf aus, sagt Dorothee Warder in Bonn.

Weltweit jedoch gebe es ein Dutzend hauptberufliche "Kuhfitter", wie die Kuhfriseure auch genannt werden, schätzt Anne-Mette Evers, die das Bundesjungzüchtertreffen Anfang April in Leer (Ostfriesland) organisiert. "Sie reisen von Schau zu Schau." Auf dem Treffen gehen bei einem "Clipping"-Wettbewerb" etliche Nachwuchs-Kuhfriseure ins Rennen um den besten Cut.

Gutes Aussehen beim Schaulaufen sei aber nicht alles. Auch bei Kühen sind innere Werte gefragt.
"Es kommt auch darauf an, dass das Tier ruhig am Strickhalfter hinterher läuft", sagt Evers. Und sich nicht erschrickt, etwa durch Musik oder Klatschen. "Wer gewinnen will, muss rundum ein gutes Händchen haben."

Zur Person: Jürgen Krämer lebt in Manderscheid und arbeitet auf dem familieneigenen Kapellenhof, der bereits mehrfach zum beliebtesten Ferienhof in Rheinland-Pfalz gewählt worden ist. Neben seiner Arbeit auf dem Hof mit 200 Kühen ist er zudem mit seiner Puppe Horst als Bauchredner bekannt geworden (der TV berichtete am 10. Dezember). Das Duo hat unter anderem den Agrarslam der Westfalen. Initiative in Bocholt gewonnen und tritt in der ganzen Region auf.

Kuhfriseur Jürgen Krämer rasiert Kuh Elaine, um sie für einen Schönheitswettbewerb vorzubereiten. Foto: dpa

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