Stadtentwicklung Wengerohrer wollen Altdorf bewahren

Wittlich · Sanieren statt abreißen und regionale Baukultur erhalten: Die Einwohner wollen die „Idylle“ und architektonische Formensprache ihres Stadtteils mit einem Entwicklungskonzept pflegen.

 Der Denkmalschutz und in die Jahre gekommene Bausubstanz machen es Investoren in Wengerohr nicht gerade leicht.

Der Denkmalschutz und in die Jahre gekommene Bausubstanz machen es Investoren in Wengerohr nicht gerade leicht.

Foto: Christian Moeris

Schilfrohr- und Tabakfelder neben Bauernhäusern mit Stall und Scheune: Vom ehemals landwirtschaftlich geprägten Ortsbild Wengerohrs ist gegenwärtig nicht mehr viel zu sehen. Wer heute an Wittlichs größten Stadtteil denkt, der verbindet damit eher große Industriebetriebe wie Dr. Oetker und Benninghoven – viel mehr als mit  ländliche Idylle. „Aber das Altdorf darf nicht nur ein Anhängsel des Industriegebiets sein“, sagt Alfred Thetard.
Gemeinsam mit seiner Frau Rosi Steinmetz hat der pensionierte Lehrer 2003 einen alten Bauernhof samt Nebengebäuden in Wengerohr gekauft und liebevoll saniert – inklusive der alten Tabakscheune, die er mit neuen Brettern wieder originalgetreu hergerichtet hat. Thetard und viele andere Bewohner des Altdorfes fürchten, dass der ländliche Charakter des Ortskerns mehr und mehr verloren geht. „Denn in vielen älteren Häusern und Bauernhöfen wohnen alte Menschen. Bald könnten die Häuser verkauft und eventuell abgerissen werden“, sagt Thetard. „Wir wollen hier aber keine Mietskasernen und moderne Kästen, die man  dazwischen klotzt. Neue Architektur sollte doch mit der Umgebung korrespondieren. Und warum überhaupt muss das Alte immer entfernt werden“, fragt er.
Mit einem pfiffigen Architekten könne man doch auch eine alte Scheune zu einem Mietshaus umbauen. Thetard: „Wir fahren nach Bayern oder Österreich in den Urlaub und schwärmen von den tollen Dörfern dort. Dann kommen wir nach Hause und fühlen uns hier nicht wohl, weil wir hier im Kuddelmuddel wohnen. Hier macht ja jeder, was er will.“

Mancher Wengerohrer will nicht im „Kuddelmuddel“ wohnen: Deshalb haben Thetard, der sich auch im Ortsbeirat für seinen Stadtteil engagiert, und andere Einwohner die „Arbeitsgruppe zur Erhaltung des Altdorfes“ ins Leben gerufen. Wie groß das Interesse an ihrer Idee ist, zeigten die  beiden Einwohnerversammlungen  (der TV berichtete) mit mehr als 70 Teilnehmern.

Auch der Ortsbeirat mit Ortsvorsteher Joachim Platz nahm sich des Themas an. Das Gremium beantragte beim Stadtrat finanzielle Mittel und die Erarbeitung eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes „Altdorf Wengerohr“, das nun in Arbeit ist. Aber welches Ziel verfolgt man damit? „Neubauten sollen ins Bild passen“, erklärt Platz. „Die Idylle soll erhalten bleiben.“ Soll heißen: Wer im Wengerohrer Altdorf künftig alte Immobilien sanieren oder neu bauen möchte, der soll sich an der umliegenden Bebauung orientieren. Die Wengerohrer wollen Bauherren künftig  dazu bringen, mit zwei Vollgeschossen und Satteldach zu planen, statt dort Staffelgeschosse mit Flachdach hochzuziehen, was ja heute schwer in Mode ist.

Entwicklungskonzept Das Konzept müsse man sich aber eher als informellen Plan vorstellen, erklärt Stadtplaner Thomas Eldagsen. „Solch ein Entwicklungskonzept hat baurechtlich keine Rechtsverbindlichkeit. Man kann niemanden dazu zwingen.“ Der Plan beschreibe bloß die Anzahl der Geschosse und andere bauliche Formen, die man dort gerne sehen würde. Bei Bauvoranfragen werde dann im Bauausschuss gemäß dem Baugesetzbuch entschieden, ob ein Vorhaben städtebaulich dort hineinpasse. Aber der psychologische Effekt eines solchen Entwicklungsplans, sagt Eldagsen, sei nicht zu unterschätzen. „Im Gespräch mit Bauherren ist es schon etwas anderes, wenn man sagen kann, dass man mit den Bürgern einen Plan entwickelt hat und ihnen etwa an die Hand geben kann.“ Investoren würden ja auch nur ungern etwas hinstellen wollen, was die Einwohner nicht gerne sehen würden. „Sonst bekommt man es schlecht vermarktet.“ Das Entwicklungskonzept solle Bauherren also hauptsächlich dafür sensibilisieren, sich an der historischen Bausubstanz zu orientieren und habe damit bloß Informationscharakter. Einen Bebauungsplan, der bauliche Regeln vorschreibt, existiert für das Altdorf nicht.

Fördermittel Ein Entwicklungskonzept hat für Sanierer aber auch handfeste Vorteile, denn es ermöglicht den Zugang zu Fördermitteln. „Wenn beispielsweise junge Menschen  nach Wengerohr kommen, ein Haus kaufen und sanieren möchten, kann man ihnen sagen, wo sie Fördergeld bekommen können“, erklärt Ortsvorsteher Platz. Sobald das Konzept von den Gremien beschlossen sei, was Ende des Jahres der Fall sein solle,  bestehe die Möglichkeit, mehrere Töpfe anzuzapfen. Eldagsen: „Wer dann Sanierungen vornimmt, die dem Erhalt des historischen Ortsbildes dienen, der kann Zuschüsse beantragen.“

Dorfmittelpunkt Was viele Wengerohrer vermissen, ist ein Dorfplatz. Auch der soll nun in Angriff genommen werden. Der Vorplatz der Dorfkapelle St. Johannes, wo derzeit noch Rasen wächst, soll zu einem Dorfmittelpunkt umgestaltet und möglicherweise auch vergrößert werden. Platz: „Die vom Förderverein sanierte Kapelle wird mehr und mehr für Trauungen genutzt. Außerdem könnte man auf dem Platz kleinere Konzerte veranstalten.“

Verkehr Neben der Bebauung sorgen sich die Wengerohrer auch um den Straßenverkehr im Ort. „Trotz der B 50 neu und der Umgehungsstraße nutzen immer noch viele Fahrer die Ortsdurchfahrt als Abkürzung ins Industriegebiet“, sagt Platz. Deshalb werde dort eine Tempo-30-Zone in Erwägung gezogen.

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