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66Davor breitete sich der Rasen von etwa der Größe eines Fußballsfelds bis zu den Büschen und den Rosenbeeten aus, an denen sich gerade ein Gärtner zu schaffen machte. Die Frau von Harry Heinrich hatte den Beamten selbst die Glastür ihrer Villa geöffnet und die Männer nach draußen geführt.Faust und Roth hatten den Anruf von ihrem Siegburger Kollegen Walter Burkhard gegen Mittag bekommen.
Es sei nun möglich, mit Harry Heinrichs Ehefrau zu reden, und die wisse auch, wo ihr Mann zu erreichen sei, hatte Burkhard gesagt. Die Gelegenheit, an dieser Vernehmung teilnehmen zu können, wollten sich Kommissar Faust und sein Kollege nicht entgehen lassen. Mit Blaulicht und Martinshorn hatten sie es von Prüm aus in knapp einer Stunde bis zur Polizei-Inspektion Siegburg geschafft.
Anna Heinrich bot den Polizisten in geübtem Gastgeberinnenton Platz an. Ihre langen blonden Haare fielen sanft auf den gebräunten Rücken und berührten die Träger des Designer-Tops leicht. Faust fand, dass die Länge ihrer Haare nicht zu ihrem Alter passte, hatten sich in ihrem etwas aufgequollenen Gesicht doch bereits einige Fältchen unter den Augen, an den Wangen und auch am Hals gebildet. Er schätzte die Frau auf circa fünfundvierzig Jahre. Erst als er sich später die Personendaten geben ließ, stellte er fest, dass Anna Heinrich gerade mal siebenunddreißig war.
"Ihr Mann ist der Halter des Porsche Boxster, weswegen wir hier sind?", fragte Faust.
"Ja, das stimmt", antwortete Anna Heinrich, die auf die Beamten nun einen etwas unentschlossenen und leicht verschüchterten Eindruck machte.
"Normalerweise benutze ich diesen Wagen. Aber mein Mann ist ihn in letzter Zeit immer gefahren. Ich bin seit etlichen Wochen nicht mehr damit unterwegs gewesen. Sie müssen wissen: Wir haben zwei Porsche. Der 911, den mein Mann sonst immer hatte, wurde im Herbst vergangenen Jahres in der Werkstatt generalüberholt. Das dauerte etliche Tage. Für diese Zeit hatte sich mein Mann den Boxster genommen, den ich bis dahin normalerweise gefahren bin.
Aber das war weiter kein Problem, weil ich mir den Mercedes nehmen konnte."
Kommissar Faust warf seinen Blick für den Bruchteil einer Sekunde auf die drei mit Diamanten besetzten Ringe an Anna Heinrichs Finger und stellte rasch die nächste Frage:
"Dass heißt, dass an dem fraglichen Wochenende im September ihr Mann mit dem Boxster unterwegs war?" Anna Heinrich schwieg eine Weile, blies sich den blonden Pony mit vorgeschobener Unterlippe aus der Stirn und schaute nachdenklich über die Wiese hinweg ins Leere. "Sie sollten wissen, dass sich mein Man seit dieser Zeit ziemlich komisch benimmt. Vorgestern ist er dann ausgezogen. Hier auf der Terrasse haben seine Koffer gestanden, als er noch schnell einen Schluck Kaffee nahm und wortlos verschwand.
Erst dachte ich, er würde sich so seltsam verhalten, weil er Ärger in der Firma hat. Inzwischen denke ich, er hat eine andere. Ja. Ich bin mir sicher."
Burkhard und Faust schauten sich an, Roth sah verschämt zu Boden.
Dann nahm der Soko-Chef den Gesprächsfaden wieder auf.
"Wo wohnt Ihr Mann denn jetzt? Wo können wir ihn finden?"
"Er wohnt jetzt in Spich, Troisdorf-Spich. Ein neues Haus im Niederkasseler Weg."
"Wissen Sie, ob er jetzt zu Hause ist?", fragte Faust und räusperte sich im selben Augenblick, weil er merkte, eine unmögliche Frage gestellt zu haben.
"Woher soll ich das wissen?", reagierte Anna Heinrich nun forsch. "Mein Mann ist viel beschäftigt. Dauernd unterwegs.
Woher soll ich wissen, ob er gerade zu Hause ist?"
"Können Sie sich denn vielleicht noch daran erinnern, wo sich ihr Mann am Wochenende vom 18. zum 20. September aufgehalten hat?", wollte Roth jetzt wissen.
"Er muss im Raum Trier unterwegs gewesen sein. Da bin ich mir ziemlich sicher. Zumindest hat er so eine Andeutung gemacht, als er hier wegfuhr."
Kommissar Fausts Blick nahm auf der Stelle etwas Außergewöhnliches, etwas regelrecht Triumphierendes an.
Fortsetzung folgt.
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