Schuhstreit in DFB-Elf gefährdet heile WM-Welt

Berlin (dpa) - Kurz vor dem ersten Länderspiel unter dem neuen Bundestrainer Joachim Löw gegen Schweden drohte die heile WM-Welt nach einem beispiellosen Schuh-Streit in der deutschen Nationalmannschaft plötzlich aus allen Fugen zu geraten.

Erstmals in der fast 100-jährigen Geschichte stand sogar ein Spielerboykott im Raum, falls die Führung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nicht auf die Forderung nach freier Schuhwahl eingehen sollte. Erst nach einem nochmaligen Krisengespräch einigten sich Mannschaftsrat und DFB-Führung darauf, dass in Gelsenkirchen alle deutschen Akteure in den Schuhen des offiziellen Verbands-Ausrüsters adidas spielen werden.

„Wir sind es den Fans schuldig, nicht mit einer Rumpfmannschaft aufzulaufen“, erklärte DFB-Präsident Theo Zwanziger. Die Spieler sind aber nicht länger gewillt, ausnahmslos die Schuhe des DFB-Partners zu tragen. Der Mannschaftsrat stellte nun ein neues Ultimatum: Am 2. September 2006 im ersten EM-Qualifikationsspiel gegen Irland in Stuttgart soll die freie Schuhwahl erstmals realisiert werden. Die DFB-Präsidenten Zwanziger und Gerhard Mayer-Vorfelder versicherten, dass sie nach dem Schweden-Spiel Gespräche mit den Partnern führen werden mit dem Ziel, „eine einvernehmliche Lösung“ zu finden.

Chef-Debütant Löw, der mit seinem Team einen Tag nach der großen WM-Ehrung von Berlin in die Sportschule Kaiserau bei Dortmund umzog und sich gleich mit als Krisenmanager beweisen musste, wollte sich zu dem Konflikt nicht detailliert äußern: „Das ist Angelegenheit des DFB und von Manager Oliver Bierhoff.“ Angeführt von WM-Torschützenkönig Miroslav Klose, Torwart Jens Lehmann und Christoph Metzelder hatten die Profis auf größere gesundheitliche Risiken der bisherigen Regelung hingewiesen.

Bierhoff räumte angesichts der Debatten ein: „Es ist eine schwierige Situation, vor allem für den Trainer.“ DFB-Boss Zwanziger sah sich veranlasst, sofort Generalsekretär Horst R. Schmidt zu beauftragen, umgehend Gespräche mit Ausrüster adidas zu führen. Der bis 2010 datierte Vertrag lässt es derzeit nicht zu, dass die Spieler mit anderen, aus ihren Clubs gewohnten Schuhen spielen dürfen. „Wir dürfen uns von diesem Thema nicht die WM-Stimmung kaputt machen lassen“, sagte Zwanziger der dpa.

Während im Hintergrund intensiv um eine Lösung des Ausrüster-Konflikts gerungen wurde, versuchte Löw, die Konzentration auf den Länderspiel-Gegner Schweden zu richten. „Wir müssen uns wieder darauf einstellen, knochenharte Arbeit zu verrichten“, betonte der 46-jährige Schwarzwälder schon mit Blick auf die EM-Qualifikation, die bei Gegnern wie Irland, Tschechien, der Slowakei oder Wales alles andere als ein Selbstläufer wird. Vor der WM im eigenen Land hatte es unter Vorgänger Jürgen Klinsmann nur Testspiele gegeben: „Jetzt muss man wieder gewinnen, das sind ernste Wettkämpfe“, warnte der einstige Assistent Löw.

Trotz der Ausfälle von Kapitän Michael Ballack, Per Mertesacker, Robert Huth, Sebastian Kehl und Metzelder will Löw in der Arena auf Schalke „vor allem dem deutschen Publikum eine engagierte Leistung anbieten“. Dabei plant er wie schon im WM-Spiel um Platz 3 (3:1 gegen Portugal) eine Versetzung von Linksverteidiger Philipp Lahm auf die rechte Seite, dessen Position kann wieder der Gladbacher Marcell Jansen übernehmen. Im Abwehrzentrum könnten Herthas Arne Friedrich und der bei Dinamo Zagreb schon praxiserfahrene Jens Nowotny die zahlreichen Ausfälle kompensieren. Die Neulinge Manuel Friedrich (Mainz) und Malik Fathi (Hertha) hoffen auf ihr Debüt.

Metzelder muss noch eine Woche mit dem Training aussetzen - eine schweren Knieschaden aber hat der Dortmunder Verteidiger nicht erlitten. Das ergaben weitere medizinische Untersuchungen bei einem Spezialisten in München. Bei Metzelder wurde eine Sehnenreizung in der Kniekehle diagnostiziert, im Knie hat sich Wasser gebildet. Wie lange der 26-jährige Abwehrspieler bei Borussia insgesamt pausieren muss, ist noch unklar.

„Die Spieler haben viel Selbstbewusstsein getankt bei der WM, das wird uns helfen, obwohl nach der Pause noch nicht alle im Rhythmus sind“, bemerkte Löw. Vor dem Quartierwechsel von Berlin in den Westen hatte Filmemacher Sörke Wortmann die WM-Helden mit der Präsentation seines WM-Kinofilms noch zusätzlich motiviert. „Die Begeisterung für die Nationalmannschaft ist bei den Spielern ungebrochen“, hat Bierhoff trotz des Schuh-Konflikts ausgemacht.

Im Mittelfeld ist in Gelsenkirchen auch die WM-erprobte Formation mit Bernd Schneider, Torsten Frings, Tim Borowski und Bastian Schweinsteiger erste Wahl genau wie im Angriff das Duo Klose/Podolski. Der Neu-Münchner Lukas Podolski hatte im WM- Achtelfinale gegen die Schweden mit zwei Toren alles klar gemacht. Die „Tre Kronors“ werden bei der Neuauflage allerdings mit einem stark verändertem und verjüngtem Team ohne die Superstars Fredrik Ljungberg, Zlatan Ibrahimovic und Henrik Larsson auftauchen. „Ich hoffe, dass Joachim Löw einen guten Einstand hat“, erklärten Bierhoff und Zwanziger unisono - unbeeinflusst von den unerwarteten Streitigkeiten.

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