Erst Trauben lesen, dann Geschichte schreiben
Bernkastel-Wehlen/Trier · Basketball-Bundesligist TBB Trier hat am trainingsfreien Tag einen Eindruck davon bekommen, warum es so viele Touristen an die Mittelmosel zieht. Nach dem Weinbau-Crashkurs geht es am Samstag mit dem Heimspiel gegen Bremerhaven weiter.
Bernkastel-Wehlen/Trier. "Vanille", sagt Bastian Doreth, den fachmännischen Blick hat der Aufbauspieler drauf. "Vanille. Und etwas Karamell." Gastgeber Martin Kerpen nickt. So viel Aroma-Kompetenz hatte der Winzer aus Wehlen, einem Stadtteil von Bernkastel-Kues, eher nicht erwartet. Nicht von der prominenten Gruppe, die sich am Vormittag bei der kurzen Lese im Steilhang der "Wehlener Sonnenuhr" gar nicht schlecht angestellt hatte. Die Trierer Basketballer hat nicht die gemeinsame Liebe zum Wein an die Mosel verschlagen. Riesige Riesling-Fans gab es in den Reihen der TBB bis dahin nicht. Aber beim abschließenden Probierwein, einem edelsüßen 93er, beweist Doreth Geschmackssinn. Ausgewählt wurde der Wein übrigens nach dem Geburtsjahr des jüngsten TBB-Spielers, Luka Buntic.
Touri-Programm, Region erkunden, Lerneffekt, Teambuilding - für Cheftrainer Henrik Rödl ist es wohl von allem etwas. "Es ist ja kein Zufall, dass so viele Touristen hier in die Gegend kommen", sagt er. Die Verbindung zum Weingut schafft TBB-Vorstand und Winzerssohn Sascha Beitzel, der selbst von der Mittelmosel stammt, aus Kröv.
Die Mosel schimmert in der Herbstsonne. Unter die Erntehelfer mischen sich die TBBler, zur Kurzarbeit im Steilhang. Jone Pedro Lopes trägt die Hotte, Joshiko Saibou probiert erst mal, was er da lesen soll, Brian Harper fragt später, was es mit dem "noble rot" auf sich hat, der Edelfäule. Dass die Stimmung entspannt ist, liegt nicht nur an Ausblick und Kurzurlaub-Feeling. Die drei Siege aus den ersten vier Saisonspielen hatte nicht jeder der TBB zugetraut, auch, wenn "die Gegner jetzt immer stärker werden", wie Henrik Rödl sagt.
Am Samstag ist Bremerhaven zu Gast. Mit Philip Zwiener. Der stand anfangs in der Startformation, kam aber zuletzt von der Bank. "Ich freue mich schon darauf, gegen Phil zu spielen - das wird lustig", sagt Nate Linhart. Schließlich kennen sich die beiden bestens aus dem vergangenen Jahr. Linhart hatte als "Rookie" nicht nur defensiv mächtig Eindruck hinterlassen. Und Zwiener wurde in Trier bester deutscher Punktesammler. "In den ersten zwei Spielen hat man ihm etwa Nervosität angemerkt", sagt Henrik Rödl. "Aber das ist ganz normal, wenn man eine neue Rolle übernimmt." Inzwischen habe sich das gelegt. Bremerhaven ist wieder in der Spur. Der nächste Heimsieg? Das werde schwer.
Aber es lockt ein fast schon historisch guter Saisonstart. 8:2 Punkte hatten die Trierer zuletzt in der Saison 98/99 auf dem Konto. Zum damaligen Zeitpunkt waren nur Bonn und Berlin - mit Rödl als Spieler - noch ungeschlagen.
Für Rödls Spieler - teilweise mit ihren Partnerinnen im Wingert - war es eine willkommene Abwechslung am einzigen "halben" Ruhetag der Woche. Mittwochs steht kein Teamtraining an, nur Individualtraining. Gestern begann die intensive Vorbereitung auf die Eisbären.
Für die Moselwinzer wird der Jahrgang enttäuschend ausfallen, zumindest quantitativ, sagt Martin Kerpen. "Das kann ich nicht mehr ändern." Bei der TBB ist der Saisonverlauf noch völlig offen. Aber die ersten Trauben sind schon gelesen.
Extra
Das Personal: Für heute hat die TBB eine außerplanmäßige Pressekonferenz einberufen, es gebe "Neuigkeiten". Dabei dürfte es um Jermaine Bucknor (29) gehen, der auf einen neuen Vertrag hoffen darf. Der Monats-Vertrag mit dem Power Forward läuft am 31. Oktober aus. Dojcin-Vertreter Bucknor hat bisher einen starken Eindruck hinterlassen. Der Gegner: Eisbären Bremerhaven - das Team von Trainer Douglas Spradley erwischte mit drei Niederlagen einen Fehlstart, hat aber seitdem drei Spiele gewonnen. Darunter überraschend am Mittwochabend in Oldenburg (75:72). Rödl rechnet mit einer "schweren Aufgabe gegen einen Playoff-Anwärter" (Samstag, 20 Uhr, Arena). AF