Nowitzkis Frust: Allein gegen alle

Siauliai (dpa) · Dirk Nowitzki hatte einen dicken Hals. Allein gegen alle - so kam sich der NBA-Champion zuletzt bei der EM vor. Der Superstar braucht Unterstützung, wollen die deutschen Basketballer in der Zwischenrunde eine Chance haben. Gegen Lettland gab es immerhin einen Sieg.

Im Ringen um den krönenden Abschluss seiner Nationalmannschaftskarriere verliert selbst der sonst so ruhige Dirk Nowitzki schon einmal die Fassung. Sein lautstarker Disput mit Teamkollege Tim Ohlbrecht in der Schlussphase des Serbien-Spiels unterstrich den Ehrgeiz, mit dem der NBA-Champion bei seiner erneuten Olympia-Mission zu Werke geht. Er zeigte aber auch deutlich das Problem der deutschen Mannschaft bei der Basketball-EM in Litauen auf, die nach den beiden Niederlagen gegen Frankreich und Serbien als einziges Team ohne einen Sieg in die Zwischenrunde geht.

Die Franzosen, die Serbien in einem hochklassigen Spiel mit 97:96 nach Verlängerung besiegten, haben mit zwei Erfolgen die beste Ausgangsposition. Serbien, Topfavorit Spanien, Gastgeber Litauen und Vize-Weltmeister Türkei nehmen je einen Sieg mit in die Sechser-Gruppe, aus der die ersten Vier das Viertelfinale erreichen. Der Weg dorthin gleicht nun einer Mount-Everest-Besteigung, Nowitzkis großes Ziel London 2012 droht zu einer Mission impossible zu werden.

In der kurzen Vorbereitungszeit von nur zwei Wochen ist es Bundestrainer Dirk Bauermann bislang nicht gelungen, das zwei Jahre ohne Nowitzki und NBA-Center Chris Kaman spielende Team mit den beiden Superstars zu vereinen. Immerhin reichte es gegen die bereits ausgeschiedenen Letten am Montag zum dritten Sieg. Heiko Schaffartzik, dem mit elf Punkten und zehn Assists ein Double-Double gelang, rettete dem Team mit einem Dreier acht Sekunden vor dem Ende den knappen 81:80 (33:33)-Sieg.

„Das war ein toller Abend für uns. Diese engen Spiele bringen uns weiter“, sagte Bauermann, der seine beiden NBA-Stars das komplette letzte Viertel auf der Bank ließ. „Mein Vertrauen in die jungen Spieler ist riesig.“

Gegen die Serben hatten sie den Rückhalt ihres Coaches aber nicht rechtfertigen können. Und Nowitzki wirkte, als er merkte, dass vom Rest keine Unterstützung zu erwarten war, ein wenig wie im Wahn. Mit dem Kopf durch die Wand wollte der 33-Jährige die Partie im Alleingang drehen, stieß dabei gegen die abgezockten Serben aber an seine (körperlichen) Grenzen.

„Das geht ein bisschen auf meine Kappe“, sagte der Blondschopf sogar, doch Bauermann sah ausschließlich die Mitspieler in der Pflicht. „Mit Dirk hat derjenige, der am meisten Renommee hat, mehr gefightet als die anderen. Und da muss man sagen, Freunde, so geht das nicht“, sagte der Nationalcoach, der sich einige Akteure im Vier-Augen-Gespräch noch einmal zur Brust nahm.

Vor allem Ohlbrecht, der in der kommenden Saison in Frankfurt spielen wird, dürfte von Bauermann ein paar deutliche Worte zu hören bekommen haben, nachdem er den 23-Jährigen auch auf Intervention von Nowitzki in der Schlussphase ausgewechselt hatte. „Einige waren mit dem Kopf nicht im Spiel“, schimpfte Bauermann. Der Getadelte zeigte sich am Montag reumütig. „Ich hatte einen Abriss verdient, und den habe ich bekommen“, sagte der ehemalige Bonner, bei dem sich Nowitzki im anschließenden Team-Meeting entschuldigte.

Doch die Leistungsdiskrepanz zwischen dem Superstar und dem Rest des Teams könnte doch zu einem größeren Problem werden, als es Bauermann ohnehin schon befürchtet hatte. Auch gegen die Letten lief nicht viel zusammen. Die Zeit der Integration scheint zu kurz gewesen zu sein. Im Schatten des großen Superstars trauen sich die übrigen Spieler einfach zu wenig zu. Nur Schaffartzik trumpfte gegen Lettland groß auf. „Der Junge hat einfach ein großes Herz“, lobte Bauermann den Matchwinner.

„Es ist schon nicht einfach für die jungen Spieler zu wissen, wann sie Verantwortung übernehmen und wann sie den Ball zu Dirk geben sollen“, analysierte Schaffartzik das Dilemma treffend. Und da Nowitzki zwar in ordentlicher, nach der kurzen Pause verständlicherweise aber nicht in überragender Form ist, könnte die Deutschland-Karriere des Superstars in einer Woche bereits beendet sein. Verpasst das deutsche Team Olympia, wird man Nowitzki wohl nicht mehr im Nationaltrikot sehen.

Doch noch ist die EM für die deutschen Korbjäger nicht vorbei. Zwei Siege in der Zwischenrunde könnten für das Viertelfinale reichen. Aber mit Spanien, Litauen und der Türkei warten die nächsten harten Brocken. „Das wird noch schwerer“, prophezeite ein gefrusteter Nowitzki bei Sport1.

Bauermann will die Flinte aber noch nicht ins Korn werfen. „Am Mittwoch geht es von vorne los. Da müssen zwei Siege her, die ich uns absolut zutraue“, sagte der 53-Jährige. Doch wie für Nowitzki könnte auch für ihn die Zeit als Nationalcoach nach den Spielen in Vilnius bereits abgelaufen sein. Es steht also einiges auf dem Spiel für die deutschen Korbjäger - nicht nur Olympia.

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