Warum nicht noch mal so wie 1993?

Karlsruhe/Trier · Er weiß, wie es sich anfühlt: 1993 hat Henrik Rödl im eigenen Land den Basketball-Europameistertitel gewonnen. Jetzt steht der ehemalige Trainer der TBB Trier wieder vor einer EM - diesmal als Co-Trainer der Nationalmannschaft. Über die aktuellen Chancen hat er mit dem TV gesprochen.

Warum nicht noch mal so wie 1993?
Foto: (g_sport

Karlsruhe/Trier. Nur noch elf Sekunden stehen auf der Spieluhr. Aufbauspieler Kai Nürnberger bringt den Ball nach vorne. Sein russischer Gegenspieler klebt an ihm dran. Auf der Anzeigetafel steht es gelb auf schwarz: 68:70. Deutschland liegt gegen Russland mit zwei Punkten zurück. Es ist das Finale der Europameisterschaft 1993 in Deutschland - die deutsche Nationalmannschaft hat es sensationell ins Endspiel geschafft.
11 000 Zuschauer in der Münchner Olympiahalle stehen, schreien, kreischen. Ein Sieg wäre der größte Erfolg in der Geschichte des Deutschen Basketball-Bunds. Doch die Uhr tickt gegen das Team von Trainer Svetislav Pesic. Neun, acht, sieben - Nürnberger erreicht die Dreipunkte-Linie. Ein Blick, ein Pass. Sechs, fünf - Christian Welp fängt den Ball, springt und stopft ihn in den Korb: 70:70, die Halle explodiert.
Da der Center bei der Korbbewegung gefoult worden ist, gibt es noch einen Bonus-Freiwurf. Auch den verwandelt der im März 2015 in den USA verstorbene Welp - Deutschland ist zum ersten Mal Europameister.
Henrik Rödl ist damals einer der deutschen Basketballhelden. Der Mann mit der Nummer vier hat großen Anteil am deutschen Titelgewinn. Vor kurzem hat sich der ehemalige Trainer der TBB Trier die Aufnahmen von damals mal wieder angeschaut - gemeinsam mit den Spielern der aktuellen Basketball-Nationalmannschaft.
22 Jahre nach dem EM-Triumph ist Rödl Assistenztrainer der deutschen Auswahl und steht mit dem Team von Cheftrainer Chris Fleming vor der nächsten Europameisterschaft im eigenen Land. Alle fünf Vorrundenspiele trägt das Team in der Berliner o2-World aus. Mögliche weitere Runden werden dann in der Fußball-Arena des OSC Lille in Frankreich ausgetragen.
"Wir haben uns gemeinsam ein Highlight-Video angesehen, da kam auch die Europameisterschaft 1993 vor. Die Jungs haben sich gefreut, mich in kurzen Höschen zu sehen", berichtet Rödl im TV-Gespräch.
Bitter: Maik Zirbes muss passen


Die Erinnerungen an das Turnier von 1993 "sind gerade wieder ziemlich präsent", sagt der gebürtige Offenbacher. Wie sehr, zeigt sich bei der Antwort auf die Frage, ob er noch weiß, auf welche zwei Länder er 1993 im Turnier gespielt hat, die nun in der EM-Vorrunde ebenfalls Gegner sind? Kurzes Überlegen - dann sagt Rödl: "Das müssen die Türkei und Spanien sein." Stimmt. Gegen die Türkei ging es in Runde zwei (77:64), gegen Spanien im Viertelfinale (79:77). Nun, in Berlin, trifft Deutschland am 8. September auf die Türkei, am 10. September auf Spanien.
Es sind stressige Wochen für Rödl. Nachdem er als Trainer der deutschen A-2-Nationalmannschaft in Südkorea im Juli Silber gewonnen hat, steckt der 46-Jährige jetzt mit der A-Nationalmannschaft mitten in der EM-Vorbereitung: Am 5. September geht es los. Dann heißt der erste Gegner Island in Berlin.

Nach den verletzungsbedingten Ausfällen der Center Elias Harris und Daniel Theis musste das deutsche Team vor wenigen Tagen die nächste bittere Pille schlucken: Der in Wittlich geborene Center Maik Zirbes fällt für die Europameisterschaft aus. Im Supercup-Duell mit Lettland verletzte sich der ehemalige Spieler der TBB Trier am Fuß. "Das ist ein herber Verlust für uns. Gerade deswegen, weil Maik in der Vorbereitung sehr gut drauf war. Nun müssen andere Spieler an seine Stelle treten", sagt Rödl.
Das werden vor allen Dingen 2,18-Meter-Mann Tibor Pleiß, der Frankfurter Johannes Voigtmann und NBA-Star Dirk Nowitzki sein. Rödl: "Dirk spielt auch in den USA des Öfteren unterm Korb - das ist für ihn kein Problem."
Der 37-jährige Nowitzki finde sich immer besser in die junge Nationalmannschaft hinein. "Für ihn war es in den ersten Wochen nicht einfach, weil er fast mit noch niemandem aus dem Team zusammengespielt hat", berichtet Rödl. Doch allein aufgrund seiner langjährigen NBA-Erfahrung sei der gebürtige Würzburger von enormer Bedeutung für die Mannschaft. "Er spricht unglaublich viel mit den Jungs - auf und neben dem Platz."
Zu einem immer wichtigeren Bestandteil des Teams entwickelt sich Dennis Schröder. Der 21-Jährige, der seit zwei Jahren in der NBA für die Atlanta Hawks auf Korbjagd geht, ist allein durch seine Schnelligkeit eine echte Waffe im Angriff. Beim Supercup erzielte er im Spiel gegen Lettland starke 22 Punkte. Zuletzt laborierte er an einer leichten Knöchelverletzung. "Das ist vorbei, Dennis ist einsatzbereit", sagt Rödl.
Ohnehin ist das deutsche Team auf den kleinen Positionen gut besetzt: Neben Schröder kann Cheftrainer Fleming dort unter anderem auf Anton Gavel (Bamberg), Niels Giffey (Alba Berlin), Heiko Schaffartzik (bis Sommer München) und Maodo Lo (College-Team Columbia Lions) zurückgreifen. "Wir haben ein ehrgeiziges, talentiertes Team. Ich freue mich auf das Turnier mit den Jungs", blickt Rödl voraus.
In der Vorrunde bekommt es das DBB-Team nicht nur mit Island und Spanien, sondern auch mit der Türkei, Italien und Serbien zu tun. "Ich halte Spanien und Serbien für die schwersten Aufgaben. Dahinter sehe ich uns und Italien, aber auch Island und die Türkei sind nicht zu unterschätzen", sagt Rödl.
Die ersten vier Teams der vier Sechser-Gruppen qualifizieren sich für die Finalspiele in Lille. "Ich möchte heute noch keine Prognose abgeben. Wenn wir die Vorrunde überstehen, ist vieles möglich", will sich der ehemalige TBB-Coach nicht recht festlegen. Und wer weiß: Vielleicht gibt es am Ende wieder ein Finale zwischen Deutschland und Russland - nur eben in Lille und nicht in München.Extra

Rödl und die Gladiators: Nach eigener Aussage verfolgt Henrik Rödl die Entwicklung bei den Gladiators Trier. "Die Verpflichtung von Trainer Marco van den Berg ist eine gute Entscheidung gewesen. Ich werde mir sicherlich das eine oder andere Spiel der Gladiators in der ProA in der kommenden Saison ansehen", sagt er. mfrExtra

Vargas gestrichen: Basketball-Bundestrainer Chris Fleming hat den Berliner Akeem Vargas als letzten Spieler aus dem EM-Kader gestrichen. Fleming teilte dem zuletzt verletzt fehlenden 25-Jährigen die Entscheidung am Montag mit. Der Nationalcoach entschied sich in der letzten noch offenen Personalie für den Bamberger Karsten Tadda. Turniermodus: Die Basketball-Europameisterschaft 2015 findet in vier Ländern statt: die Vorrundenpartien werden in Montpellier, Riga, Zagreb und Berlin ausgetragen. Deutschland absolviert alle Vorrundenpartien in Berlin. Die Spiele der Finalrunde finden im Fußballstadion des OSC Lille statt. dpa/mfr

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort