"Die Einsatzbelastung ist immens"

Berlin · Kurz vor Beginn der Bundesliga-Rückrunde veranstalten der Deutsche Fußballbund (DFB) und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) heute einen Expertengipfel, bei dem es um Gewalt rund um Fußball gehen soll. Polizei-Gewerkschaftsvorsitzender Bernhard Witthaut fordert im TV-Interview unter anderem bessere Sicherheitsvorkehrungen in vielen Stadien.

(has) Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut (55, Foto: dpa) hat sich vor dem Expertengipfel zum Thema Fußball und Gewalt den Fragen des TV-Korrespondenten Hagen Strauss gestellt.

Herr Witthaut, die Gewalt rund um den Fußball nimmt zu, gerade in unteren Ligen. Ist die Polizei inzwischen überfordert? Bernhard Witthaut: Überfordert nicht, aber wir haben ein personelles Problem. Die Einsatzbelastung ist immens, wie unsere Berechnungen für die Saison 2008/2009 zeigen: Damals kamen die eingesetzten Beamten auf 1,5 Millionen Arbeitsstunden nur für Fußball. Das ist hart an der Grenze des Leistbaren, wenn man bedenkt, dass es an Wochenenden noch andere Großereignisse gibt. Wir fordern deshalb eine Entzerrung der Spielpläne. Zum Beispiel müssen am 1. Mai nicht auch noch Ligaspiele ausgetragen werden.

Leisten aus ihrer Sicht die Vereine genug für die Sicherheit in den Stadien?

Witthaut: Es gibt Verbesserungsbedarf. Wir fordern, dass Stadionverbote einheitlich gehandhabt werden, speziell auch in den tieferen Ligen. Außerdem müssen dort die Sicherheitsvorschriften umgesetzt werden. In vielen Stadien ist das leider nicht der Fall.

Spielt auch das Thema Alkohol im Stadion für Sie eine Rolle?

Witthaut: Eindeutig ja. Der DFB und die DFL müssen über ein generelles Alkoholverbot im Stadion nachdenken. Denn fest steht, dass durch Alkoholkonsum die Gewaltbereitschaft unter den Fans steigt.

Allein mit einem Alkoholverbot bekommen Sie das Hooligan-Problem aber nicht in den Griff.

Witthaut: Weshalb wir für Schnellverfahren bei gewalttätigen Fußballfans sind. Problemspiele müssen künftig von Staatsanwälten und Richtern begleitet werden. Das schreckt ab. Und: Nur so kommen wir rasch zu Haftbefehlen und entsprechenden Urteilen. Darüber hinaus muss die Justiz endlich das Strafmaß bei Gewalttaten voll ausschöpfen. Es kann nicht sein, dass Hooligans Beamte schwer verletzen und mit einer Geldbuße davonkommen. Darüber müssen wir mit den Justizministern der Länder reden.

Sie haben die Belastung der Beamten angesprochen. Die Polizeieinsätze werden damit auch teurer. Wäre es nicht sinnvoll, wenn auch die Vereine zur Kasse gebeten würden?

Witthaut: Das hätte weitreichende Konsequenzen: Dann müsste auch jeder Polizeieinsatz bei Volks- oder Weinfesten vom Veranstalter bezahlt werden. Oder aber jede Polizeibegleitung eines St.-Martinszugs. Das wollen wir nicht, und das will niemand.

Extra

Ausschreitungen bei Eintracht Trier: Im Sommer 2010 sind sieben aus der Ultra-Szene stammende Anhänger von Eintracht Trier zu zwei Wochen Jugendarrest, 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einem Stadionverbot verurteilt worden. Vor der Partie gegen Worms in der Saison 2009/2010 war eine Gruppe von rund 40 Eintracht-Anhängern auf den Gästeblock zugestürmt. Die Polizei hatte 20 Personen in Gewahrsam genommen. Gegen mehrere von ihnen hat Eintracht Trier auf Empfehlung der Polizei ein drei Jahre gültiges bundesweites Stadionverbot verhängt. Ultras verstehen sich als fanatische Anhänger ihres Clubs. Sie nehmen für sich den Erhalt der Fankultur in Anspruch. Viele sehen in dem Vorgehen von Polizei und Ordnern gegen Fußballfans Willkür. Zur Trierer Szene werden etwa 60 bis 70 Ultras gezählt. ´(red)

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