Fußball Emotionaler Heißsporn und Feingeist am Ball

Trier · Adnan Kevric, der frühere Mittelfeldregisseur und Kapitän von Eintracht Trier, feiert am Samstag seinen 50. Geburtstag.

Einen wie ihn gibt es heutzutage im aktiven Fußball nicht mehr. Mit seiner Genialität, seiner Ballbehandlung und seiner raschen Auffassungsgabe  – eben ein klassischer Spielmacher alter Prägung. Mit seinen Pässen in die Tiefe begeisterte er Anfang des Jahrtausends die Fans von Eintracht Trier im Moselstadion, auch wenn er seine Mitspieler mit seinen Aktionen manchmal überforderte.

Er war der Stratege im Mittelfeld, der Denker und Lenker im Eintracht-Spiel. Trotz eines Kreuzbandrisses im September 2001 führte er die Eintracht gleich in seiner Premierensaison im Trierer Dress von der Regionalliga in die zweite Bundesliga – und wurde dann zum Kapitän gewählt. Darauf war der Führungsspieler so richtig stolz: Er war ein emotionaler Heißsporn, ein Typ mit Ecken und Kanten  – aber auch ein Feingeist am Ball. Eine Kombination, die selten ist. Am Samstag, 2. Mai, feiert Adnan Kevric seinen 50. Geburtstag – und hat, man kann es kaum glauben, mit Fußball nichts mehr am Hut. Doch dazu später mehr.

Für den Volksfreund nimmt sich Kevric am Telefon fast eine Stunde Zeit. Gerade erholt von einer Hüftoperation („Jetzt bin ich endlich schmerzfrei!“), schwelgt er in Erinnerungen an die „überragende Zeit“ in Trier. „Die Zeit bei den Stuttgarter Kickers war auch schön, aber in Trier war es von den Leuten her noch angenehmer. Es hat einfach vom ersten Tag an gepasst“ – obwohl es im Kader der Eintracht viel Bewegung gegeben hatte, um endlich den langersehnten Aufstieg in die zweite Liga zu realisieren. Als dieser am 11. Mai 2002 nach einem 2:1-Sieg in Hoffenheim perfekt war, gab es kein Halten mehr. Und auch in der zweiten Liga marschierte die Eintracht, angeführt von Kevric, weiter: Vier Siege in den ersten vier Spielen – die Eintracht mischte als Aufsteiger die Liga auf. „In der ersten Saison haben wir lange Zeit ganz oben mitgespielt“, erinnert sich Kevric noch an die Zeiten, als er die Flügelflitzer Mehmet Dragusha, Catalin Racanel und Matthias Keller sowie Mittelstürmer Najeh Braham mit seinen Pässen fütterte und viele Tore einleitete.

Eintracht Trier beendete diese Saison als Aufsteiger auf Platz sieben, und auch in der zweiten Spielzeit in Liga zwei startete sie zunächst gut. Doch dann riss der Faden, und das Team rutschte auf einen Abstiegsplatz. Triers Coach Paul Linz, der Kevric schon bei den Stuttgarter Kickers trainierte, stellte das System um  – und opferte seinen Kapitän, der damals bereits an Hüftproblemen litt und nicht mehr die Form der Vorsaison besaß. Zunächst saß Kevric auf der Ersatzbank, dann flog er ganz aus dem Kader und wurde suspendiert.

„Da gab es ein bisschen Theater mit Paul, ich war anderer Auffassung als er. Das habe ich mir nicht gefallen lassen, seitdem habe ich keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt“, sagt Kevric. Konsequent wie auf dem Platz zog er einen Schlussstrich unter die enge Verbindung zu Trainer Linz.

Ein abruptes Ende gab es auch bei der zweiten Episode von Kevric an der Mosel. Nach dem zweiten Abstieg der Eintracht in Folge (2005 aus der zweiten Liga in die Regionalliga, 2006 aus der Regionalliga in die damals viertklassige Oberliga) hatte Kevric als Sportlicher Leiter bei der Eintracht angeheuert. Ziel war die schnelle Rückkehr in die Regionalliga, doch laut Kevric herrschte „das blanke Chaos“.

Nach wenigen Wochen wechselte Triers Trainer Roland Seitz zum SC Paderborn in die zweite Liga, und der als Ersatz vom DFB geholte Marco Pezzaiuoli war nach fünf bis sechs Wochen auch schon wieder Geschichte. „Da habe ich es dann selber gemacht“, sagt Kevric. Kurz nach der Winterpause und einer 0:2-Heimniederlage gegen Engers war Schluss  – und Kevric schmiss hin. „Es hat nicht gereicht, ich wollte mir das nicht mehr antun. In Trier ist es nicht ganz einfach, es gibt nicht viele Wirtschaftsunternehmen. Es war kein Geld da und auch kein Vertrauen in mich. Da habe ich selbst den Schlussstrich gezogen.“

Nach seiner Trierer Zeit agierte Kev­ric einige Jahre  zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Ronny Zeller als Spielerberater und arbeitete auch als Vermögensberater. Doch damit war dann auch Schluss – nun sitzt Kevric seit drei Jahren auf der Geschäftsstelle des TuS Stuttgart. Dort ist er in dem 6500 Mitglieder starken Verein zuständig für viele Liegenschaften, darunter auch Schulen, Kindergärten und ein großes Fitnessstudio. „Das macht mir Spaß“, sagt der einstige Mittelfeldkünstler, der mittlerweile mit dem Fußball abgeschlossen hat. „Ich habe eigentlich zu einer guten Zeit Fußball gespielt. Heute darf man ja nichts mehr sagen oder nicht mal mehr ausgehen, ohne dass alles festgehalten und gefilmt wird.“

Von den Bestrebungen der DFL, in Zeiten der Corona-Krise die Bundesliga mit Geisterspielen fortzuführen, hält Kevric gar nichts: „Ich finde das Schwachsinn. Da geht’s doch nur ums Geld. Ohne Fernsehgeld gehen viele Vereine kaputt; es ist ein Armutszeugnis, dass nicht einmal für zwei oder drei Monate finanzielle Reserven da sind. Man muss aber auch auf dem Sportplatz Abstand halten, da sind ja auch Leute vom Sicherheitsdienst, Kameramänner oder Reporter im Stadion. Was ist denn, wenn es einen Todesfall gibt? Dann geht das ganze Theater wieder los.“

Man glaubt Kevric, dass er, der sogar zwei Länderspiele für Bosnien-Herzegowina bestritten hat, mit dem Fußball nichts mehr am Hut hat: „Ich weiß nicht mal mehr, wann ich das letzte Mal im Stadion war. Vor einem Jahr bei den Kickers?“

Am 14. Mai 1998 kassierte Kevric in einem Vorbereitungsspiel vor der Weltmeisterschaft in Frankreich mit seiner Nationalmannschaft eine 0:5-Schlappe gegen Argentinien, ein gewisser Gabriel Batistuta erzielte vor über 44 000 Zuschauern drei Treffer für die „Gauchos“. In seinem ersten Länderspiel wurde Kevric beim Stand von 0:3 in der 55. Minute eingewechselt.

Gut eineinhalb Jahre später, am 24. Januar 2000, stand er in der Start­elf und spielte eine Halbzeit lang im Grand Hamad Stadium in Doha vor 1500 Zuschauern bei der 0:2-Niederlage gegen Katar. Schöne Erinnerungen, Höhepunkte einer Fußballerkarriere, die sich die meiste Zeit bei den Stuttgarter Kickers und Eintracht Trier in der zweiten Liga in Deutschland abgespielt hat (siehe unten Zur Person). Nun kümmert sich Kevric beim TuS Stuttgart um den Breitensport – und um seine zwölfjährige Tochter Helen. Die ist Turnerin am Olympiastützpunkt und Mitglied im Bundeskader. „Sie hat im Alter von vier Jahren mit dem Turnen angefangen und trainiert jeden Tag sechs Stunden. Sie hat viele russische Trainer, da ist Disziplin notwendig. Das ist gut so“, schmunzelt er am Telefon.

Witziges Detail am Rande: Bei einem Wettkampf seiner Tochter in Chemnitz traf Kevric auf dem Parkplatz vor der Halle seinen einstigen Trierer Mitspieler Axel Keller. Der aus Dresden stammende frühere Eintracht-Torhüter war ebenfalls mit seiner Tochter zum Turnwettkampf unterwegs. So ganz lässt Adnan Kevric die Fußball-Vergangenheit eben doch nicht los.

 So sieht er heute aus: ein aktuelles Bild von Adnan Kevric.

So sieht er heute aus: ein aktuelles Bild von Adnan Kevric.

Foto: TV/Kevric

Kontakt zu früheren Trierer Mannschaftskollegen hat Kevric nur noch selten. Die große Ausnahme war ein Wiedersehen im vergangenen Jahr, als der FSV Mainz 05 seinen Bundesligaaufstieg 15 Jahre zuvor feierte. Das entscheidende Spiel im Mai 2004 gewann Mainz damals mit 3:0 gegen Eintracht Trier. „Das war lustig. Da waren 13 oder 14 Spieler von der Eintracht da, unter anderem Nico Patschinski, Axel Keller, Matthias Keller, Danny Winkler, Najeh Braham, Daniel Ischdonat und auch Paul Linz“, schwärmt Kevric. Das Treffen in Mainz ist die Initialzündung für eine geplante Feier zum 20. Jahrestag des Zweitligaaufstiegs im Mai 2022: „Das war einfach eine Superzeit, es war eine gute Truppe“, schwärmt Kapitän Kevric voller Stolz.

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