"Sind die jetzt alle wahnsinnig geworden?" Wer wird Millionär: Wie das Geld den Sport regiert

Bekannt ist er als der "treue Charly": Karl-Heinz Körbel, mit 602 Partien bis heute Rekord-Bundesligaspieler, lief zwischen 1972 und 1991 ununterbrochen für Eintracht Frankfurt auf. Was sich in diesem Sommer im nationalen und internationalen Fußball-Transfer-Geschäft tut, quittiert der 54-Jährige mit großem Kopfschütteln.

Frankfurt. (bl) Karl-Heinz Körbel kritisiert eine gefährliche Entwicklung im Fußball. Im Interview mit TV-Redakteur Mirko Blahak spricht das Vorstandsmitglied von Eintracht Frankfurt über seine Zeit als Profi, die Macht von Beratern und die Zwickmühle, in der viele Clubs heute stecken.

In den Vertrag von Fußball-Star Cristiano Ronaldo bei Real Madrid soll eine Ablösesumme von einer Milliarde Euro festgelegt werden. Was soll das?

Körbel: Als Eintracht Frankfurt 1978 den Österreicher Bruno Pezzey verpflichtete, schien die Welt unterzugehen, weil er 600 000 Mark kostete. Die Befürchtung damals war, dass dadurch der Verein ruiniert werde. Eine Milliarde Euro - das kann man kaum glauben.

Ist nicht auch die Ablöse-Summe für den Wechsel Ronaldos von Manchester nach Madrid in Höhe von 94 Millionen Euro schon wahnwitzig?

Körbel: Hinter solchen Summen stecken auch Marketing-Gedanken. Wie auch damals 2003 beim Transfer von David Beckham von Manchester nach Madrid besteht die Hoffnung, etwa durch den Verkauf vieler Trikots einen Teil der Investition refinanzieren zu können. Was momentan abläuft, ist aber sehr gefährlich. Die Fußball-Interessierten fragen langsam auch: Sind die jetzt alle wahnsinnig geworden?

Wären Sie angesichts der aktuellen Transfer-Summen und Gehälter lieber heutzutage Fußball-Profi?

Körbel: Nein. Auch weil immer mehr von Spieler-Beratern bestimmt wird. Eintracht Frankfurt zum Beispiel bekommt derzeit täglich zwischen 50 und 100 Faxe aus der ganzen Welt, mit denen Spieler angeboten werden. Hinzu kommen 30 bis 40 DVDs mit Szenen der Akteure. Das sind dann natürlich alles nur Weltklassespieler… Es ist der Wahnsinn, was sich da für ein Geschäft entwickelt hat.

Hatten Sie einen Berater?

Körbel: Ich hatte nie einen Berater. Aber nicht nur ich, auch Bernd Hölzenbein oder Jürgen Grabowski haben sich selber ,vermarktet'. Heute bist du als Spieler fast schon raus, wenn du keinen Berater hast. Das fängt ja schon im Jugendbereich an. Jugendliche werden mit Beratern konfrontiert. Ganz schlimm ist, dass sie dadurch an ihrer eigenen Persönlichkeitsentwicklung gehindert werden, weil sie alles abgenommen bekommen. Ihnen wird teilweise eine Scheinwelt verkauft. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.

Haben also die Spieler den Berater-Markt mit forciert, weil sie sich auf sie einlassen? Und tragen auch die Fußball-Vereine eine Mit-Verantwortung, weil sie mit den Beratern arbeiten?

Körbel: Das hat sich so ergeben. Managements gibt es ja nicht nur im Fußball, sondern auch im Show-Business oder auch in anderen Sportarten.

Die Deutsche Fußball-Liga GmbH beziffert die Zahlungen der Clubs in der ersten und zweiten Liga an die Spielerberater in der zurückliegenden Saison auf mehr als 60 Millionen Euro. Ist es also kein Wunder, warum Berater auf den Markt drängen? Schließlich gibt es viel zu verdienen…

Körbel: Du wirst ja gezwungen. Es gab schon den Fall, dass die Beraterkosten für einen Spieler höher waren als das Gehalt für den Akteur. Bedenklich sind auch Generalvollmachten, die Spielern ihren Beratern geben. Die Spieler haben dadurch teilweise gar keinen Zugriff mehr auf ihr Gehalts-Konto.

Gibt es zu viele schwarze Schafe unter den Beratern?

Körbel: Es gibt auch gute Berater, die seriös arbeiten! Aber es gibt Aufspringer, die nur ruckzuck Geld verdienen wollen. Dass Zwölfjährige schon angebaggert werden, gab es vor drei, vier Jahren noch gar nicht.

Berater von Fußballern verdienen dann Geld, wenn ihre Mandanten einen Club wechseln. Gibt es deshalb zuletzt so viele teils provokante Versuche von Spielern, sich aus laufenden Verträgen zu lösen (Rafael van der Vaart, Jan Simak, Demba Ba, Stanislav Angelov …)?

Körbel: Vielleicht. Auf jeden Fall geht durch solche Aktionen die Glaubwürdigkeit gegenüber den Fans verloren.

Hatten zu Ihrer Zeit als Profi Verträge mehr Wert als heute?

Körbel: Mit Sicherheit! Damals hatte man als Spieler mehr Verantwortungsgefühl. Es existierte ein ganz anderer Kodex. Heute geht es zu oft nur ums Geld. Wir müssen aufpassen, dass die Werte nicht wegbrechen. Dass jemand — Spieler oder Trainer — ganz lange bei einem Verein bleibt, wird irgendwann überhaupt nicht mehr der Fall sein. Trier. (bl) 94 Millionen Euro - so viel ist dem spanischen Club Real Madrid der Fußballer Cristiano Ronaldo (24) von Manchester United wert. Nicht nur durch diesen Fall ist das Transfer-Gebaren im nationalen und internationalen Fußball in den vergangenen Wochen in den Blickpunkt gerückt.

In der neuen Serie "Wer wird Millionär: Wie das Geld den Sport regiert" wird sich der Trierische Volksfreund in den nächsten Wochen in loser Folge mit den (Wechsel-)Geschäften im Sport zwischen Macht und Moral beschäftigen. Wie reagiert die Zunft der Fußball-Berater auf die Kritik der vergangenen Wochen? Wie laufen Transfers in anderen Sportarten ab? Und wie im Fußball-Grenzbereich zwischen Amateur- und Profitum? Welchen Stellenwert haben Berater schon bei den Junioren? Was bringt die Zukunft?

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