Von 100 auf 0 in drei Minuten

Sie gilt als "Mutter aller Niederlagen". Weil sie so bitter war. Weil niemand ein so abgedrehtes Drehbuch erwartet hätte. Heute vor zehn Jahren verspielte Bayern München in der Nachspielzeit des Finals gegen Manchester United den Gewinn der Fußball-Champions League. Mario Basler, damals einer der Besten bei den Bayern, erinnert sich.

Trier/Barcelona. 26. Mai 1999. Gespielt sind 90 Minuten. Bayern München führt im Champions-League-Finale gegen Manchester United mit 1:0. Rund um die Bayern-Bank am Spielfeldrand des mit 90 000 Zuschauern gefüllten Stadions "Camp Nou" in Barcelona kommt Bewegung. Sekt wird bereitgestellt, erste Sieger-Kappen machen die Runde.

Auch Mario Basler, ausgewechselt in der 89. Minute, schnappt sich eine der Kopfbedeckungen. "Es war alles fürs Grillfest vorbereitet. Keiner der Zuschauer hat daran gedacht, dass das Spiel noch eine Wende nehmen könnte", sagt "Super-Mario" zurückblickend.

Doch die Wende kommt. Aus Sicht der Münchener mit einer unerbitterlichen Wucht. Schiedsrichter Pierluigi Collina zeigt drei Minuten Nachspielzeit an. 91. Minute: Ecke von links durch David Beckham. Rechtsschuss Teddy Sheringham, Tor, das 1:1.

93. Minute: Erneute Ecke von links durch Beckham. Ole Gunnar Solskjær hält den Fuß rein, Tor, das 2:1. Der Knock-out, versetzt von zwei Einwechselspielern. Basler: "Wir haben das Spiel beherrscht. Wir mussten schon 4:0 führen. Wir trafen Pfosten und Latte. Aber 80 Prozent der Fußball-Spiele werden durch Standardsituationen entschieden. So auch damals. Weil wir nicht aufgepasst haben."

Basler lässt die Sieger-Mütze liegen und entschwindet als Erster nach dem Schlusspfiff in die Kabine. Später kommen Karl-Heinz Rummenigge und Franz Beckenbauer hinzu. "Ich habe mich erstmal zurückgezogen. Es war still in der Kabine", erinnert sich Basler, heute Trainer von Fußball-Regionalligist Eintracht Trier.

Er bleibt auch der Ehrung fern: "Auf die Final-Medaille konnte ich gut und gerne verzichten. Der zweite Platz ist wie ein letzter Platz."

Schönes Freistoß-Tor von "Super-Mario"



Dabei verläuft der Start ins Endspiel wie gemalt. Auch dank Basler, dem an diesem Abend seine vielleicht beste Partie im Bayern-Trikot gelingt. Sechste Minute, Freistoß nahe der Strafraumgrenze. An der Mauer vorbei zirkelt "Super-Mario" den Ball flach ins Eck zur Führung. Basler: "Torwart Peter Schmeichel spekulierte wohl auf einen Schuss über die Mauer. Dafür sprach, wie er die Mauer stellte und wie er auf der Linie stand. Klar habe ich auch Glück gehabt, dass der Ball so um die Mauer geht und keiner ran kommt."

Lange hat Basler an der Niederlage nicht zu knabbern. "Nur vier Stunden lang", sagt er selbst. Dann beginnt im Mannschaftshotel das Bankett. "Etwa 15 Spieler der Mannschaft haben gefeiert. Wir haben es langsam angehen lassen und dann trotzdem noch eine richtig schöne Sause draus gemacht. Das gehört sich auch so." Bis in die Nacht wird gefeiert. Bis nach 4 Uhr. Warum? Basler: "Es gibt Schlimmeres auf dieser Welt als eine Endspiel-Niederlage. Es war ein tolles Erlebnis. Es war ein tolles Spiel, das ein sehr unglückliches Ende genommen hat. Klar war ich enttäuscht. Aber das Leben geht weiter."

Statistik Champions-League-Finale 1999

Manchester United: Peter Schmeichel - Gary Neville, Ronnie Johnson, Jaap Stam, Dennis Irwin, David Beckham, Nicky Butt, Jesper Blomquist (67. Teddy Sheringham), Ryan Giggs, Dwight Yorke, Andy Cole (81. Ole Gunnar Solskjaer) Trainer: Alex Ferguson Bayern München: Oliver Kahn - Markus Babbel, Lothar Matthäus (80. Thorsten Fink), Thomas Linke, Samuel Osei Kuffour, Mario Basler (89. Hasan Salihamidzic), Stefan Effenberg, Jens Jeremies, Michael Tarnat, Alexander Zickler (71. Mehmet Scholl), Carsten Jancker Trainer: Ottmar Hitzfeld Stadion: Camp Nou, Barcelona (Spanien) Zuschauer: 90 000 (ausverkauft) Schiedsrichter: Pierluigi Collina (Italien) Tore: 0:1 Mario Basler (6.), 1:1 Teddy Sheringham (90./+1), 2:1 Ole Gunnar Solskjaer (90./+3)

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