Interview mit Fußball-Pionierin Bärbel Wohlleben „Manche kamen nur, um zu gaffen“

Interview | Ingelheim · Bärbel Wohlleben galt einst als der „weibliche Franz Beckenbauer“. Noch mit 76 trainiert sie die Mädchen in Ingelheim. Die können sich heute nicht vorstellen, dass Fußball für Frauen bis 1970 in Deutschland verboten war.

Interview mit Fußball-Pionierin Bärbel Wohlleben
Foto: dpa/Boris Roessler

Die goldene Medaille, die Bärbel Wohlleben zum Interview mitbringt, glänzt noch wie damals. 1974 wurde die heute 76-Jährige aus Ingelheim für das «Tor des Monats» in der ARD-Sportschau ausgezeichnet. Eine Frau! So was gab's noch nie. Für den Gewinn der ersten offiziellen deutschen Fußball-Meisterschaft der Frauen erhielt sie wie ihre Mitspielerinnen von TuS Wörrstadt eine schwere Armkette aus Sterlingsilber mit einem DFB-Abzeichen. Schön fand sie die schon damals nicht. Wohlleben ist eine große Pionierin und immer noch auf Ballhöhe. Sie erlebte mit, wie der Deutsche Fußball-Bund vor 50 Jahren das Verbot für den Frauenfußball aufhob - und wie die Öffentlichkeit damals mit den Kickerinnen umging.

Wann haben Sie denn zuletzt gegen einen Ball getreten?

Bärbel Wohlleben: Das war am Sonntagmorgen, in der Aufwärmphase des Mädchenfußballs. Es ist so, dass sich meine Mädels selbst aufwärmen, aber ich schieße die Torhüterin warm. Seit Winter trainiere ich die D-Juniorinnen des 1. FFC Ingelheim. Ich sehe das auch ein bisschen egoistisch: Das macht Spaß und ich bin viel an der frischen Luft.

Was gefällt Ihnen an der heutigen Generation von jungen Fußballerinnen?

Wohlleben: Die sind viel positiver eingestellt - ohne Wenn und Aber machen die das. Vielleicht auch, weil die Eltern dahinter stehen. Das war früher meistens nicht so. Mir gegenüber sind sie manchmal ein bisschen schüchtern, weil da so eine alte Frau steht. Ich sage dann: Ich bin zwar uralt und könnte eure Uroma sein, aber wir sind alle auf einer Ebene. Nur so können wir auch etwas erreichen.

Wenn Sie heute ein Frauen-Länderspiel sehen: Reiben Sie sich da die Augen?

Wohlleben: Dass sich das so gut entwickelt hat - toll! Aber das ist ja schon 20 Jahre so. Es hat natürlich Jahrzehnte gedauert, bis der DFB peu à peu Zusagen erteilt hat. Die erste offizielle Meisterschaft erst 1974, das erste Länderspiel 1982. Es waren etwas ältere Herrschaften, die nicht so flott dabei waren, Neuerungen vorzunehmen.

Sie galten ja als der «weibliche Beckenbauer». Haben Sie den «Kaiser» jemals getroffen?

Wohlleben: Ich habe ihn mal gesehen, aber nicht angesprochen. In den Siebzigerjahren hatte die Männer-Nationalmannschaft ein Qualifikationsspiel in Finnland. Mein Bruder hatte durch ein Preisausschreiben des «Kicker» eine Reise dorthin gewonnen und nahm mich mit. Da saßen die Spieler abends teilweise an der Theke im Hotel. Auch der Herr Breitner, den konnte ich als Mensch aber noch nie leiden. Man wollte sogar ein Interview mit Breitner, Jupp Derwall und mir machen, aber ich hatte kein Interesse. Schon gar nicht mit Personen, die damals total gegen Frauenfußball waren.»

Eine Frage, die Sie als Torschützin des Monats im Fernsehen beantworten mussten, war: Wie machen Sie das mit Kopfball, wenn die Haare frisch onduliert sind? Und es gibt auch einen eher beschämenden «Sportstudio»-Auftritt von Fußballerinnen bei Wim Thoelke, der sich über seine Gäste lustig macht. Warum war das damals so?

Wohlleben: Man muss sich einfach in diese Zeit zurückversetzen. Die Frau war damals sehr abhängig vom Mann, auch finanziell. Wenn eine Ehefrau arbeiten wollte, brauchte sie die Zustimmung des Mannes. Und die Frauen haben immer gekuscht, wenn die Männer etwas bestimmt haben. Im Fußball war es so, dass sich die meisten gar nicht getraut haben zu spielen, und wenn, dann etwas gehemmt. Sie haben ja mitbekommen, dass die Männer sie da zweideutig angeschaut haben. Und die Kameras waren oft dahin gerichtet, wo sie nicht hingehören, wenn man Sport übertragen will.

Und Sie mussten sich die immer gleichen Sprüche anhören?

Wohlleben: Das möchte ich im Einzelnen nicht wiedergeben. Es war teilweise schon sehr obszön. Ich habe solche dummen Äußerungen einfach nur ignoriert. Manche kamen einfach nur, um zu gaffen.

Was glauben Sie, warum der DFB 1970 das Verbot doch aufgehoben und eine Meisterschaft eingeführt hat.

Wohlleben: Damals hatten sich verschiedene Manager zusammen getan. Aus Wörrstadt, Bad Neuenahr, Frankfurt und von Bayern München, die dann 1973 den Goldpokal ins Leben gerufen haben. Sie hatten schon vorher überlegt, einen eigenen Verband zu gründen. Das muss dem DFB zu Ohren gekommen sein.

Als Sie mit Wörrstadt die erste deutsche Meisterschaft gewannen, da gab es aber eine offizielle Ehrung durch den Verband?

Wohlleben: Der DFB hat sich in unseren Augen da großzügig gezeigt. Wir waren nach dem Spiel ins Hilton-Hotel nach Mainz eingeladen. Dann bekamen wir alle ein Armband. Wunderschönes Design - aber nicht für eine Frau oder eine Dame geeignet. Ich hab's einmal zuhause angehabt und gleich wieder ausgezogen.

Die Bälle waren am Anfang kleiner, Stollenschuhe verboten, die Spielzeit betrug nur zweimal 30 Minuten. Was gab es noch für Kuriositäten, um das weibliche Geschlecht zu schützen?

Wohlleben: Ich hab ja auch Handball gespielt, da geht richtig die Post ab. Und beim Fußball nach einer Stunde: Wie? Das Spiel ist schon rum? Ich war noch gar nicht ausgepowert. In den Anfängen wollte jemand groß ins Geschäft kommen und bot so Brustpanzer an. Wir haben uns darüber amüsiert und gesagt: Das kommt überhaupt nicht in Frage. Man hat uns Prospekte geschickt: Monsterpanzer! Das war entsetzlich.

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