Mein Schatz Zlatan

Trier · In der Fußball-EM-Gruppe mit Italien und Belgien ist Schweden klarer Außenseiter. Nur in einen setzt die Stockholmerin Christina Rydner große Hoffnungen: Starspieler Zlatan Ibrahimovic.

Mein Schatz Zlatan
Foto: (g_sport

Trier. Wir schreiben den 29. Juni 1958, 15 Uhr. Beim Endspiel der Weltmeisterschaft im schwedischen Stockholm treffen die Gastgeber auf Brasilien. Christina Rydner, damals noch ein junges Mädchen, ist live im Stadion dabei. Sie sitzt auf dem Schoß ihres Vaters, ihre Brüder feuern die Mannschaft, von den Stehplätzen hinter dem schwedischen Tor aus, an. Kaum sieben Jahre alt, begreift Rydner noch nicht so ganz, was auf dem Spielfeld vor sich geht - zu schnell flitzen die Spieler über den Rasen, zu schnell springt der Ball hin und her. Es sollte dennoch eine der ersten Erinnerungen sein, die die Schwedin mit dem Sport verbindet. Damals habe sie sich "angesteckt", sagt sie - mit "ihrer Fußballverrücktheit". Fußballverrückt, das sei auch ihr Vater gewesen - der 1958 so große Hoffnungen in seine Nationalmannschaft setzt. Doch es hilft alles nichts: Nach 90 Minuten steht es 5:2 für die Südamerikaner - eine deutliche Niederlage. Und trotzdem: So nah dran wie 1958 waren die Schweden bis heute nicht mehr an einem Titel.
Und wie stehen die Chancen für die Skandinavier bei der EM? "Dieses Mal werden wir wohl in der Vorrunde rausfliegen", meint die heute 65 Jahre alte Rydner. "Die Gruppe ist zu stark für uns, vor allem Italien und Belgien." Nur einer könne das Blatt vielleicht wenden, glaubt sie: Schwedens Star Zlatan Ibrahimovic. "Das ist mein Schatz", scherzt sie. "Ein toller Balltechniker." Zu ihrem Geburtstag im vergangenen Jahr hat sie die Biografie des Profispielers bekommen: "Jag här Zlatan - auf deutsch: Ich bin Zlatan."
Das Geschenk habe ihr eine Freundin aus der Heimat gemacht. Obwohl sie schon seit rund 30 Jahren in Trier wohnt, pflegt sie die Beziehungen zu Familie und Bekannten in Schweden. Zweimal im Jahr fährt sie hoch in den Norden, ebenso oft bekommt sie Besuch aus Stockholm, ihrer Heimatstadt. Die Gäste versorgen sie dann mit schwedischen Spezialitäten wie Kalles Kaviar aus der Tube, Knäckebrot und Heringen, die sie auch heute serviert. Die Mitbringsel machen das Heimweh erträglicher.Dauerurlaub in Trier


Die Verbundenheit zu ihrem Geburtsland ist auch in ihrer Wohnung sichtbar: Überall stehen sogenannte Dalahästen, bemalte Holzpferde, die in der schwedischen Region Dalarna gefertigt werden. An den Wänden hängen Bilder von Elchen und eine schwedische Flagge. Sogar die Servietten auf dem Tisch tragen die Wappenfarben ihres Heimatlandes: Blau und Gelb.
Warum blieb sie in Trier? Ihr gefalle die Gemütlichkeit der Stadt, die Mosel, die Weinberge, sagt sie. Als die studierte Hotelkauffrau vor Jahren das Scandic Crown am Verteilerkreis übernahm, dachte sie noch daran, irgendwann wieder nach Schweden zurückzukehren. Doch es kam anders. Das Scandic wurde geschlossen - sie fand Arbeit in Hotels in Österreich, bald in München, dann in Mecklenburg-Vorpommern. Währenddessen behielt sie aber immer ihre Wohnung in der Römerstadt. Zehn Jahre lang sei sie nur nach Trier gekommen, wenn sie Urlaub hatte, sagt sie. Und irgendwann, als es ihr zu anstrengend wurde, immer wieder umzuziehen, wurde sie wieder endgültig an der Mosel sesshaft und nahm einen Job als Sprachlehrerin bei der VHS an.
Das Gefühl von Urlaub blieb ihr in Trier stets erhalten. Deutschland: inzwischen so etwas wie ihre zweite Heimat. Jubeln werde sie bei der EM natürlich trotzdem für ihre erste Heimat: "Schweden ist und bleibt die Nummer eins."SchwedenBisherige EM-Teilnahmen: 1992, 2000, 2004, 2008, 2012 Größte Erfolge: Vizeweltmeister 1958 EM-Halbfinalist 1992 Trainer: Erik Hamrén Stars: Zlatan Ibrahimovic, Marcus Berg Bilanz gegen Deutschland: 12 Siege - 9 Unentschieden 15 NiederlagenExtra

Am 10. Juni beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich . Der TV stellt im Vorfeld die 24 Teilnehmernationen vor. Dazu treffen wir uns mit Landsleuten, die in der Region Trier verwurzelt sind. Bei einem landestypischen Essen oder Getränk plaudern wir über Land und Leute - und Fußball. Alle bisher erschienenen Serienteile gibt's hier in unserem Dossier online

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