"Das hier ist für mich wie nach Hause kommen"

Schweich · Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger hat am Samstag für die "Theo-Zwanziger-Stiftung" das Hermann-Schmitt-Turnier in Schweich besucht. In einer Gesprächsrunde mit Betreuern und Verantwortlichen stand er Rede und Antwort und ehrte höchstpersönlich die Siegerinnen des Turniers.

Schweich. Wie steht es um den Frauenfußall in Deutschland? Unter anderem über diese Frage, Fifa-Entscheidungen und seine Biografie hat Theo Zwanziger im TV-Interview mit unserer Mitarbeiterin Sonja Eich gesprochen.
Herr Zwanziger, wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung im Mädchen- und Frauenfußball ein? Und wo muss man ansetzen, um noch mehr Mädchen für den Fußball zu begeistern?
Theo Zwanziger: Ich habe die aktuelle Entwicklung durchaus so erwartet. Das hängt damit zusammen, dass man nicht voraussetzen kann, dass die Affinität zum Fußball bei Mädchen gleichermaßen ausgeprägt ist wie bei Jungen. Für mich war immer die Aufgabe, Chancengleichheit zu gewähren. Wenn Mädchen Fußball spielen wollen, muss man ihnen auch die Möglichkeit dazu geben. Das haben wir realisieren können. Im örtlichen Bereich muss insbesondere über die Schulen die Begeisterung für den Mädchenfußball geweckt werden, und da startet der Fußballverband Rheinland auch tolle Kampagnen. Die Frauen-Bundesliga ist meiner Meinung nach auf einem nicht so guten Entwicklungsweg, wie ich mir das gewünscht hätte. Bei den Topvereinen wie Frankfurt, München und Potsdam stimmen die Rahmenbedingungen. Andere Vereine haben Probleme, das erforderliche Budget aufzubringen, um einen Spitzenkader zu finanzieren und auch in der Öffentlichkeit präsenter zu sein.
Wenn man jetzt den lokalen Frauenfußball betrachtet, was sagen Sie zu der aktuellen Situation des TuS Issel, der als Tabellenführer der Regionalliga um den Aufstieg kämpft?
Zwanziger: Der TuS Issel gehört zu den Vereinen, bei dem man jetzt über einen langen Zeitraum kontinuierlich gute und vor allem auch nachhaltige Arbeit geleistet hat. Es gibt viele Menschen, die sich engagieren, und deswegen wünsche ich ihnen auch von Herzen, dass sie den Sprung in die zweite Bundesliga realisieren können.
Wie stehen Sie zu der Entscheidung, die EM 2020 in 13 Ländern auszutragen?
Zwanziger: Man muss sehen, dass in den Ländern wie der Ukraine und Polen riesige wirtschaftliche Investitionen nötig waren, um das Projekt überhaupt zu stemmen. Dann bin ich außerdem ein europäisch denkender Mensch und habe aus diesem Grund dieser Idee viel Sympathie zugetragen. Ich räume aber ein, dass es natürlich ernstzunehmende Probleme gibt, vor allem mit Blick auf das Flair einer Europameisterschaft. Eine Euro in einem oder zwei Ländern ist natürlich etwas völlig anderes als in 13 verschiedenen. Es geht ein Stück weit die Identifikation der Menschen, der Fußballfans, in einem Land verloren.
Es ist eine Entwicklung, die aus politischer Sicht meiner Meinung nach wünschenswert ist, die aber auch durchaus Risiken aufweist. Ich wünsche Michael Platini, dass die Ausarbeitung des weiteren Rahmen so verläuft, dass wir zwar etwas Europäisches schaffen, aber gleichzeitig nicht die Atmosphäre einer EM ganz verlieren.
Thema DFB und Fans. Wie kriegt man die Situation in den Griff, und ist der Weg der strengen Verbote der richtige?
Zwanziger: In einem Stadion sind jedes Wochenende Massen von Menschen. Da gibt es die, die tollen Fußball sehen wollen, aber auch die, die auf sich aufmerksam machen wollen. Und das in Form von Gewalt oder Pyrotechnik. Wir haben jede Woche um die 80 000 Fußballspiele in Deutschland, und bei 98 Prozent passiert überhaupt nichts. Das muss man auch sehen.
Damit will ich aber nicht sagen, dass der Fußball gegen die Chaoten nichts unternehmen kann. Insbesondere die Clubs müssen ihre Kontrollen durchführen und auch noch verbessern. Ich glaube, dass man irgendwann zu personalisierten Tickets übergehen kann, dass man vielleicht auch mehr Sicherheitspersonal ,undercover\' in die Blocks schicken kann, damit die Gewalt im Keim erstickt wird und Täter sofort gestellt werden können. Ich glaube schon, dass es im Rahmen des Ordnungsdienstes noch mehr Möglichkeiten gibt und auch konsequente Strafen sehr weit gehen müssen. Aber man wird auch nicht suggerieren können, dass es irgendwann völlig gewaltfreie Stadien gibt, dafür ist Fußball eine viel zu emotionale Sportart.
Sie sind Leiter der "Task Force Statutenrevision". Können Sie kurz erklären, worum es Ihnen dabei geht und die wichtigsten Reformanträge benennen?
Zwanziger: Es geht grundlegend um Transparenz bei den Offiziellen. Bei den neuen Reformen gibt es drei wichtige Punkte. Erstens: Die Frage nach den Voraussetzungen, die ein Offizieller mitbringen muss. Er soll sich künftig einer Kontrolle unterziehen, die bestätigt, dass er sich bisher nichts hat zu Schulden kommen lassen.
Zweitens: Wer ein Amt bekleidet, kann auch Fehler machen. Für solche Fälle hat die Fifa künftig unabhängige Staatsanwälte. Die werden untersuchen, ob es bei Entscheidungen zu ethisch unsauberem Verhalten gekommen ist und werden dann entsprechende Maßnahmen ergreifen, ohne dass der Fifa-Präsident das beeinflussen kann.
Drittens: Wenn man Mitglied der Fifa ist, sollte man irgendwann mal sagen können "Das war\'s". Der Wechsel von Personen trägt auch dazu bei, dass weniger Angriffsflächen da sind. Und da gibt es zwei Mechanismen: Einmal eine Altersgrenze bis 72 Jahre und eine Amtszeitbegrenzung für den Präsidenten.
Wenn diese Punkte durchgesetzt werden, kann die Fifa meiner Meinung nach ruhigen Gewissens sagen, dass man für die Zukunft gut aufgestellt ist.
Eine Frage zu Ihrem Buch "Die Zwanziger Jahre". Haben Sie im Vorfeld mit so viel Gegenwind gerechnet?
Zwanziger: Den Gegenwind haben ja nur die gemacht, die das Buch nicht gelesen haben. So ist das leider. Nur die Vorabveröffentlichung sorgte ja allein schon für diese Aufregung. Die Reaktionen danach waren äußert positiv. Alle, die es gelesen haben, sagen, es ist ein schönes Buch über 20 Jahre Fußballgeschichte. Und die, die sich beklagt haben, wie etwa der Herr Hoeneß, die habe ich durchaus sehr positiv dargestellt. Aber er hat sich auf das konzentriert, was ich kritisiert habe. Für mich ist da aber alles in Ordnung.
Was bedeutet der Besuch dieses regionalen Turniers für Sie persönlich?
Zwanziger: Das bedeutet mir viel. Das ist für mich wie nach Hause kommen. Hier fühle ich mich wohl, das ist meine Heimat. Das ist alles nicht so oberflächlich, wie es im Spitzenfußball der Fall ist. Hier sind die Menschen einfach normal und erfreuen sich am Fußball. Das finde ich so schön. eis
Extra

Theo Zwanziger wurde am 6. Juni 1945 in Altendiez (Westerwald) geboren. Von 2006 bis 2012 bekleidete der promovierte Jurist das Amt des DFB-Präsidenten. 2010 gründete er die "Theo-Zwanziger-Stiftung", die der Förderung des Sports, insbesondere des Mädchen- und Frauenfußballs, gewidmet ist. Im Jahr 2011 wurde Zwanziger vom europäischen Fußball-Verband Uefa in das 24-köpfige Exekutivkomitee der Fifa gewählt. redExtra

Im Turnier der Talente (E-Mädchen) setzten sich die Mädels der SV Mehring vor dem SV Holzbach durch und gewannen ihren ersten Hallenkreismeistertitel. Dritter wurde die SV Rheinbreitbach, vierter die JSG Morbach. Außerdem hat eine Jury die beste Fußballzauberin gekürt. Jede Mannschaft hat eine Spielerin gestellt, die die Zuschauer und Jury mit tollen Tricks und viel Ballgefühl begeistern sollte. Diesen Titel konnte Lena Cottez, ebenfalls vom SV Mehring, für sich gewinnen. Den Hermann-Schmitt-Pokal, das Turnier der C-Mädchen, konnte der FC Kommlingen für sich entscheiden. Zweiter wurde die MSG Zemmer vor der Kreisauswahl Trier-Saarburg und dem TuS Issel. Den Titel der Fußballzauberin bei den C-Mädchen gewann Franziska Simon von der MSG Wittlich-Lüxem, die die Jury und die Zuschauer mit einer tollen Show beeindruckte. Die Siegerehrung übernahm Theo Zwanziger höchst persönlich und gratulierte allen Teilnehmerinnen zu einem tollen Turnier. eis

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