Der Rekord-Meister erinnert sich

Elf Mal Meister in Deutschland, Erstliga-Aufsteiger in Frankreich, dann Teil eines Tauschhandels mit Zinedine Zidane - und zum Abschluss der Fußball-Karriere zweieinhalb schöne Jahre in Salmrohr: Ex-Stürmer Rainer Ernst (51) gibt auch im Interview mit TV-Redakteur Andreas Feichtner Gas.

Herr Ernst, haben Sie eigentlich mal Zinedine Zidane persönlich kennengelernt?
Rainer Ernst: Nein, persönlich nicht. Wir wurden damals ausgetauscht, in Frankreich - eine ganz amüsante Geschichte.
Erzählen Sie mal …
Ernst: Das war ein Tauschgeschäft zwischen Cannes und Bordeaux. Wir sind damals mit Bordeaux in die erste Liga aufgestiegen, ich habe im vorletzten Spiel noch drei Tore gemacht - und als ich aus dem Urlaub zurückkam, sagte der Präsident zu mir: Ich habe drei Brasilianer gekauft. Dich würde ich gern verkaufen. Ich hatte aber noch Vertrag. Letztlich hat er mich und einen anderen Spieler gegen Zidane getauscht, der dann in Bordeaux zum Star geworden ist.

Erinnern Sie sich eigentlich noch an den 13. Mai 1990?
Ernst: War an dem Tag das 6:2 in Köln? Als wir mit Kaiserslautern Meister wurden? Ach nein, das war ja 1991. Dann weiß ich es nicht. Ich war damals noch bei Dynamo Berlin …
An dem Tag waren Sie in Brasilien.
Ernst: Dann war das mein letztes Länderspiel für die DDR - daran erinnere ich mich gerne. Wenn Sie das hören wollen ...
Klar!
Ernst: Ich war Kapitän, Trainer Ede Geyer hat mich für die letzten fünf DDR-Länderspiele zurück ins Team geholt. Für die Brasilianer war es das letzte Heimspiel vor der WM in Italien. Was haben die gezaubert. Die führten 3:0 und waren auf dem Weg zum 4:0, 5:0, 6:0. Dann haben sie zwei, drei Mann gewechselt - und am Ende stand es plötzlich 3:3. Thomas Doll, Rico Steinmann und ich hatten getroffen. Das war schon ein Erlebnis, vor 90 000 Leuten. Im allerletzten Spiel der DDR-Geschichte war ich dann zu ehrlich.

Das haben Sie verpasst?
Ernst: Das war ein Freundschaftsspiel in Brüssel gegen Belgien, im September 1990. Ich spielte damals schon in Kaiserslautern. Viele andere Nationalspieler haben sich wegen Verletzung abgemeldet. Ich habe aber eine Woche vorher gesagt: Ich trete zurück. Mir war es wichtiger, freitags auf dem Betzenberg fit zu sein als mittwochs für eine Nationalmannschaft zu spielen, die damals keinen Sinn mehr hatte. Das haben mir manche Funktionäre übelgenommen, aber egal.
Sie wurden vor dem Meistertitel mit dem 1. FC Kaiserslautern 1991 zehn Mal DDR-Meister mit Dynamo Berlin. Der Club war als Mielke- und Stasi-Club sehr umstritten, auch innerhalb der DDR. Wie haben Sie das erlebt?
Ernst: Stimmt, bei uns waren viele Offizielle der Stasi dabei, das wusste man aber auch - bei den anderen Clubs gab es dagegen reihenweise Inoffizielle Mitarbeiter, die im Verborgenen für die Stasi arbeiteten. Da kann man sich fragen, was nun besser oder schlechter ist.

Wie lief es bei Ihnen ab?
Ernst: Es war nicht so, dass man als Dynamo-Spieler in die Stasi eintreten musste. Ich hatte meinen Armee-Dienst abgeleistet, war im Dynamo-Verein und wurde dann mit 18, 19 Jahren gefragt: Willst du in die Volkspolizei eintreten oder ins Ministerium für Staatssicherheit? Die Alternativen gab es, man konnte wählen. Ich bin glücklicherweise in die Polizei eingetreten, auch wenn man beim MfS etwas mehr verdient hatte. Mir hatte vorher ein älterer Spieler gesagt: Wenn du mit denen (=der Stasi) irgendwann Probleme bekommst, wirst du sie dein ganzes Leben haben. Und so habe ich als Jugendlicher ohne Hintergrund den anderen Weg genommen.
Der BFC Dynamo soll gern von den Schiedsrichtern bevorzugt worden sein. Wie oft gab es damals, naja, freundliche Pfiffe?
Ernst: Ich sage nach wie vor: Wir hatten die beste Mannschaft. Es gab mal eine Sache kurz nach der Wende, da war ich mit Borussia Dortmund einig. Da habe ich in der Bild-Zeitung gesagt: "Ich habe viele meiner Tore auf Video - und bei manchem Elfmeter muss ich schmunzeln." Das hatte manchmal den Anschein gehabt. Aber eigentlich nicht bei wichtigen Spielen. An diesem Zitat ist dann mein geplanter Wechsel in der Winterpause nach Dortmund gescheitert. Der Verein wollte mich nicht mehr gehen lassen. Sie sagten, ich hätte alles infrage gestellt.
Stattdessen gingen Sie nach der Saison 1989/90 zum 1. FC Kaiserslautern.
Ernst: Von der Atmosphäre war es gigantisch, in der Pfalz zu spielen. Es war eine ganz andere Fußballwelt. Da wirst du durch die Stadt getragen, wenn du gewinnst - und wenn du verlierst, wirst du durch die Stadt geprügelt (lacht). Ich erinnere mich noch an die gigantische Meisterfeier auf dem LKW, das war unbeschreiblich. Es war ein toller Abschluss, nachdem ich in dem Jahr auch einiges an Pech hatte: Ich hatte einen wichtigen Elfer verschossen, mal ein Eigentor geschossen und eine Rote Karte kassiert. Das war mir vorher eigentlich nie passiert. Danach kam die Anfrage von Gernot Rohr und bin dann nach Bordeaux. In Frankreich bin ich schon vorher immer gut zurechtgekommen.
Die Karriere beendeten Sie in Salmrohr, sie blieben dort zweieinhalb Jahre. Wie kamen Sie zum FSV?
Ernst: Der Kontakt nach Salmrohr kam durch das damalige Vorstandsmitglied Philipp Henn. Der hatte mich dann mit Präsident Peter Rauen zusammengebracht - und wir waren uns schnell einig. Das war eine tolle Zeit, ich habe in Niersbach gewohnt. Es war natürlich alles ein bisschen ruhiger. Wir hatten mit Neale Marmon, Vladi Liouty und mir erfahrene Spieler in der Mannschaft. Dazu kamen feurige junge Spieler - darunter Granatenfußballer wie Rudi Thömmes. Dazu hatten wir mit Paul Linz einen positiv verrückten Trainer, das war eine schöne Zusammensetzung. Wir sind damals nur knapp am Zweitliga-Aufstieg gescheitert. Ich erinnere mich an die Schlachten gegen Eintracht Trier. Das war schon eine tolle Zeit. Danach habe ich komplett mit dem Fußball aufgehört.Extra

Rainer Ernst (51) wurde am 31. Dezember 1961 in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) geboren, wo er inzwischen auch wieder lebt. Ernst zählte zu den besten Stürmern der DDR-Geschichte. Mit dem BFC Dynamo Berlin wurde Ernst von 1979 bis 1988 zehn Mal in Folge DDR-Meister. Er bestritt 56 Länderspiele für die DDR (20 Tore). Mit Kaiserslautern wurde er zudem 1991 Deutscher Meister. Als einziger deutscher Spieler wurde Ernst beim renommierten U-21-Turnier in Toulon als bester Spieler ausgezeichnet (in der Folge ging die Auszeichnung u.a. an Alan Shearer, Thierry Henry und Javier Mascherano). Seine Karriere beendete er in Salmrohr. Ernst betreibt einen Sportfachhandel in Neustrelitz. Sein Sohn Maurice spielt in der U 23 des VfR Aalen. AF

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