Fußball und Gesellschaft Wie Berni, Kurt und René das KZ überlebten
Greimerath · Sport-Geschichte: Das abenteuerliche Leben von drei jüdischen Brüdern aus dem Hochwald. Vom Hitler-Regime verfolgt, begannen sie nach dem Krieg in den USA ein neues Leben – auch dank des Fußballs und Werten wie Respekt und Toleranz.
Die drei Brüder Bernhard, Kurt und René Herrmann wurden in den 1920er Jahren in dem Hochwalddorf Greimerath geboren und erlebten dort eine sehr glückliche Kindheit. Zu diesem Glück gehörte vor allem das Fußballspielen mit ihren Schulkameraden, die trotz der folgenden Nazizeit immer zu ihnen hielten. Bernhard, der älteste der drei, spielte als talentierter Sportler in den 30er Jahren schon in der Greimerather Mannschaft.
Dann zerstörten am 10.11.1938 Losheimer Nazis ihre Wohnung. Die Familie wurde enteignet und nach Köln ausgewiesen, um von dort im Dezember 1941 nach Riga deportiert zu werden. Ghetto, Konzentrations- und Arbeitslager überlebten Mutter Rosa und ihre drei Söhne, Vater Josef starb im März 1945. Ihre Schwester Amalie wurde ermordet. Während die Mutter in die USA auswanderte, kehrten die Jungen nach Greimerath zurück. Dort wurden sie freundlich aufgenommen. Doch die Sehnsucht nach ihrer Mutter war stärker, so dass sie 1946 zu ihr nach New York kamen, wo sie sich zuerst Arbeit suchten und Englisch lernten. Und dann begann ihr zweites Fußballleben.
1948 schlossen sie sich dem Maccabi Athletic Club mit seinen deutschstämmigen Trainern und Spielern an. Der Fußball schien für sie der beste Weg, sich an das Leben in New York gemeinsam mit anderen jungen Emigranten zu gewöhnen. Bernhard Herrmann wurde, obwohl gehbehindert wegen der im KZ erlittenen Erfrierungen, als Manager der Reserve eingestellt, Cheftrainer war der ehemalige österreichische Nationalspieler Herbert Meitner. Die drei hatten sich damit in ein anspruchsvolles sportliches Umfeld begeben, in dem sie sich beweisen mussten und wollten. Kurt und René spielten zunächst gemeinsam in der Reserve, René schaffte es aber dann 1949 als gerade 20-Jähriger in die Erste, in der er bald zu den Stammspielern gehörte.
Das Talent von Teammanager Bernhard zeigte sich im zweiten Jahr seiner Trainertätigkeit, als seine Reserve ungeschlagen Meister der A-Division wurde. Doch schon am 14. August 1951 verstarb er an den Folgen der im Konzentrationslager zugezogenen Leiden. Sein Bruder René zeigte in der Ersten des Maccabi AC so viel Einsatz, dass er sich kurz vor seinem 21. Geburtstag schwer verletzte und im April 1951 das Schienbein brach. Nach seiner Genesung wurde er als Soldat nach Erlangen abkommandiert. Als Gast spielte er 1952 beim ATSV Erlangen in der damaligen 2. Amateurliga Bayern und kehrte zum ersten Mal nach der Auswanderung wieder nach Greimerath zurück.
In der Fußballsaison 1953/54 lief Kurt gemeinsam mit René im Premier-League-Team von Maccabi auf, das unangefochten die Meisterschaft errang. René erlebte im Jahr 1953 den sportlichen Höhepunkt seiner Fußballerlaufbahn: Im Juni war er in das U.S. Maccabiah All Stars Soccer-Team für die 4. Welt-Maccabiade in Israel berufen worden, auch wenn er letztlich nicht mit nach Israel fliegen konnte. In einem Pokalspiel im März 1954 verletzte er sich zum dritten Mal schwer und musste nach einem doppelten Beinbruch acht Monate lang mit dem Fußball aussetzen. Um die hohen Kosten für Operation und Reha bezahlen zu können, veranstaltete der Maccabi AC für seinen verdienten Spieler und seine Familie eigens einen Wohltätigkeits-Tanzabend.
1955 hängte Kurt seine Fußballstiefel an den Nagel, 1957 heiratete René, blieb aber auch weiterhin dem Maccabi AC als Sponsor verbunden. Reaktiviert wurde er im Herbst 1958 und beendete erst im Alter von 35 Jahren seine Fußballerlaufbahn. Zu den drei Beinbrüchen seien noch einige angebrochene Rippen und eine gebrochene Nase gekommen, berichtet Renés Tochter Amy. In seinem Wohnort in New Jersey gründete René die Fair Lawn Maccabis, bei denen auch sein Schwiegersohn Nissim spielte. Auch Renés Enkel Craig und zwei Enkelinnen haben das Fußballer-Gen ihres Großvaters geerbt.
Kurt und vor allem René hatten sich in die amerikanische Gesellschaft integriert, ohne ihre deutschen Wurzeln zu vergessen. Denn zur Identität der Brüder gehörte ihre Zuneigung zu ihrem Geburtsort Greimerath, dessen Einwohner auch im Dritten Reich stets zu ihnen gehalten hatten.
„Obwohl ich ein Amerikaner bin, bin ich immer noch ein Greimerather!“, sagte René 2002 vor seinen Schulkameraden. Im Oktober 2018 verlieh die Gemeinde Greimerath beiden Brüdern die Ehrenbürgerschaft, zwei Wochen später verstarb René unerwartet. Auf Initiative von Familie Marx vom ‚Greimerather Forst‘ setzte Gunther Demnig am 27. Juni 2019 die Stolpersteine auch für Kurt und René. Für Menschen, die aus den Werten des Fußballs die Kräfte für ihre Integration geschöpft hatten.