So kickt die Welt: Lesergeschichten vom Fußball rund um den Globus – Teil 2 Mozart zwischen Kreis- und Bundesliga

Salzburg · Ein oberkörperfreier Senior und ein Verein in zwei Welten: Was ein TV-Leser in der vierten österreichischen Liga erlebt hat.

  Fans von Austria Salzburg unterstützen ihr Team im Derby gegen den Salzburger AK. In der Choreografie findet später auch der berühmteste Sohn der Stadt Platz. Rechts heizt der ehemalige Vorsänger die Haupttribüne an.

Fans von Austria Salzburg unterstützen ihr Team im Derby gegen den Salzburger AK. In der Choreografie findet später auch der berühmteste Sohn der Stadt Platz. Rechts heizt der ehemalige Vorsänger die Haupttribüne an.

Foto: Lukas Diederichs

Über die Werbebande ragt der nackte Oberkörper eines Seniors. Obwohl, er ist nicht gänzlich unbekleidet, trägt einen violetten Schal. Die Hände stemmt er in die Hüfte. Dann streckt er sie in die Luft und schreit. So, als bräuchte er seine Stimme in Zukunft nicht mehr. Auch ohne Megafon hallen seine Rufe über den Fußballplatz. Wen schreit er an? Mehrere Hundert Menschen auf der Haupttribüne. Er, der oberkörperfreie Senior, ist ein ehemaliger Vorsänger. Ein Mann der alten Schule, ohne Megafon und technische Unterstützung. Eine Erinnerung an vergangene Zeiten.

 Austria Salzburg gegen Salzburger AK

Austria Salzburg gegen Salzburger AK

Foto: Lukas Diederichs

Heute steht er direkt neben Lukas Diederichs (23) aus Morbach-Merscheid. Diederichs und drei Freunde sind zum Salzburger Stadtderby zwischen Austria Salzburg und dem Salzburger AK gereist. Ihr Ziel: Ein Spiel sehen, das nicht in einem 08/15-Stadion ausgetragen wird – Groundhopping (Erklärung siehe Info). In der Serie „So kickt die Welt“ erzählt der Trierische Volksfreund Lesergeschichten vom Fußball rund um den Globus – heute die des Hunsrückers, der in die österreichische vierte Liga reist.

Um den besonderen Reiz dieses Spiels ausfindig zu machen, muss zunächst erklärt werden, was es mit Austria Salzburg auf sich hat. Kurzversion: Als die Firma Red Bull 2005 in den österreichischen Bundesligisten SV Austria Salzburg einsteigt, ändert sich für die Austria-Fans alles. Neue Vereinsfarben, neuer Name, neues Logo. Traditionsbewusste Fans wenden sich vom Verein ab, gründen Austria Salzburg neu, und starten in der untersten Liga. In den Folgejahren geht es hinauf bis in den Profifußball, dann wieder hinab in den Amateursport. 

Ein auf dem Papier neuer Verein, der jedoch das Gesicht des Vorgängers trägt und zu dem die Fans Woche für Woche pilgern um sich violettgekleidet in den Block zu stellen. Oder eben ohne Shirt neben das Spielfeld, wie der schreiende Senior. Er war einst der Anstimmer der „alten“ Austria. Auch wenn er beim neuen Verein nicht mehr im Dienst ist – während der Partie ruhig bleiben kann er nicht.

Zurück zur Geschichte: Als Lukas Diederichs und seine drei Freunde nach mehreren Stunden Zugfahrt und einem anschließenden Salzburg-Rundgang am Sportzentrum ASKÖ Salzburg West ankommen, sieht es nicht aus wie in der vierten österreichischen Liga. 1500 Zuschauer passen in das Stadion, das von den Fans der „neuen“ Austria finanziert wurde. Hier treffen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite zwei überdachte Tribünen, auf der anderen normale Banden, hinter denen sich die Fans wie in der Kreisliga aufreihen. Amateur- und Profisport sind wohl in wenigen Stadien so nah aneinander wie hier.

Als die Spieler einlaufen, ist die Kreisliga wieder weit weg. Die gesamte Haupttribüne verschwindet hinter einer Choreografie. Wen zeigt sie? Klar, den bekanntesten Sohn der Stadt: Wolfgang Amadeus Mozart – mit einem Austria-Schal. Umrandet wird der Komponist von Pyrotechnik und Fahnen. Stimmung wie in der Bundesliga.

 Hinter der Tribüne des Salzburger Stadions zeigt sich ein Alpenpanorama.

Hinter der Tribüne des Salzburger Stadions zeigt sich ein Alpenpanorama.

Foto: Lukas Diederichs

Ein komplett anderes Bild zeigt sich im Gästeblock, beim Stadtrivalen Salzburger AK. Dort versammelt sich eine kleine Anzahl an Fans, hauptsächlich Angehörige der Spieler. Ohne die AK-Fans zu bewerten: Zahlenmäßig trennen die Fangruppen einiges.

Fußballerisch an diesem Tag allerdings auch: Die Austria geht im Derby mit 1:5 unter. Nichts, was die Spieler davon abhält, sich nach dem Spiel in den Fanblock begeben und mit dem Fans zu feiern. Wie in der Kreisliga stehen sich Spieler und Fans gegenüber und besprechen das Spiel. Näher geht nicht.

Was bleibt von dieser Reise außer dem Blick auf das Alpenpanorama, das sich hinter dem Stadion auftut? Die Erkenntnis, dass ein Derby keine Liga kennt. Egal ob aus Österreich oder aus dem Hunsrück, ob Bundesliga oder vierte österreichische Klasse: Wo Fußball gelebt wird, sind alle gleich.

Aufgezeichnet von Christian Thome

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