Im Schweinsgalopp zur Schiri-Prüfung

Schweich · Schiedsrichter sind aus Sicht von Zuschauern, Trainern und Spielern häufig die Buhmänner. Doch ohne sie gibt es keine Fußball-Spiele. Wie wird man eigentlich Unparteiischer? TV-Redakteur Mirko Blahak unternimmt einen Selbstversuch. Teil 1: Der Anwärter-Lehrgang.

 Das 118 Seiten dicke Regelbuch des DFB gehört zur Grundausstattung angehender Schiedsrichter. TV-Foto: Friedemann Vetter

Das 118 Seiten dicke Regelbuch des DFB gehört zur Grundausstattung angehender Schiedsrichter. TV-Foto: Friedemann Vetter

Schweich. Es ist Freitagabend. Im Tagungsraum des Schweicher Gasthauses Junges versammeln sich mit mir 22 weitere Teilnehmer. Wir haben ein Ziel: Wir wollen Fußball-Schiedsrichter werden. In mehrmonatigen Abständen bietet der Fußballverband Rheinland dreitägige Anwärter-Lehrgänge an, die 60 Euro kosten. Sie liegen stets vor den Stichtagen, an denen Vereine ihr Schiedsrichter-Pflichtsoll melden müssen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Jeder Verein, der am Spielbetrieb teilnimmt, muss Referees stellen. Die Zahl richtet sich nach der Klassenzugehörigkeit.
Der erste Abend: Referent ist Heiko Kreutz (36) aus Cochem. Er ist seit 1991 Schiedsrichter und zudem Verbandslehrwart. Er beglückwünscht uns zu einem "guten Schritt". Als Schiedsrichter lerne man viel fürs Leben. Etwa Durchsetzungs- und Kritikfähigkeit. Gleichzeitig raubt er mögliche Illusionen: "Ihr dürft nicht denken, wenn ihr hier raus geht, seid ihr die Super-Schiris!" Es gehe um die Regel-Grundlagen. Erfahrungen sammele man erst später auf dem Platz.
Die Teilnehmer: Die Lehrgangs-Runde ist bunt gemischt. Der Jüngste ist 13 Jahre alt, der Älteste über 50. Die Motive? Ganz unterschiedlich. Ein ehemaliger Schiri und Clubchef aus der Eifel muss noch mal ran, weil sich keine jüngeren Mitglieder finden, die Referee werden wollen. Ein anderer wollte Jura studieren und sieht nun in der Schiedsrichtertätigkeit eine Möglichkeit, für Gerechtigkeit zu sorgen.
Die Herausforderung: Das wichtigste Utensil gibt es gleich zu Beginn. Das Regelbuch des Deutschen Fußball-Bunds. Auf 118 Seiten enthält es die 17 Fußballregeln. Von A wie Abstoß bis Z wie Zahl der Spieler. Elf Regeln werden gleich am ersten Abend binnen vier Stunden durchgepaukt. Anhand der Original-DFB-DVD. Ein Mammutprogramm.
Der nächste Tag: Alle Kursteilnehmer sind um 10 Uhr wieder da. Jetzt geht\'s ans Eingemachte. Um die Regel zwölf: "Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen". Der Lehrmeister heute: Mario Saxler, Lehrwart im Fußballkreis Mosel und bis zum Sommer 18 Jahre lang als Schiedsrichter aktiv. Wegen des straffen Lehrplans mahnt er zu Disziplin: "Stellt keine utopischen Zwischenfragen nach dem Motto: Was passiert, wenn ein Steinadler von rechts kommt und sich den Ball schnappt." Leider hält sich nicht jeder an die Bitte.
Saxler beeindruckt mit seiner lauten Stimme. "Nur wer die Regel zwölf beherrscht, kann ein guter Schiedsrichter werden." Wenn es doch so einfach wäre. Auf dem Papier klingt die Einstufung von Fouls in drei Kategorien logisch. Aber in der Praxis?
Unverhohlene Tipps: Im Anwärter-Lehrgang geht es einzig darum, dass möglichst alle die Schiri-Prüfung bestehen. Darum nennt Saxler immer wieder Schlüsselbegriffe, die für die Prüfungsfragen wichtig sind. Etwa die Formulierung "rücksichtsloses Foulspiel", womit klar sein sollte, dass eine Gelbe Karte zu verteilen ist. Saxler geht mit uns zig Spielsituationen durch. Vergehen: Ja oder nein? Direkter oder indirekter Freistoß? Keine Karte, Gelbe Karte, Rote Karte? Am Nachmittag brummt der Schädel. Ich fühle mich weit weg vom Schiedsrichter-Dasein.
Zeit zum Lernen: Gut, dass bis zur Prüfung eine Woche vergeht. 30 Fragen zu den einzelnen Regeln wird die Prüfung umfassen. Bei zehn Fragen ist eine von mehreren vorgegebenen Antworten anzukreuzen. Bei 20 muss selbst eine Antwort hingeschrieben werden. Pro richtig gelöster Frage gibt\'s zwei Punkte. Man braucht 50, um zu bestehen.
Wir bekommen Hausaufgaben. Wir sollen das Regelbuch nochmals wälzen, zudem die ausgeteilte Prüfung des Vorjahres machen und einen Pool von 160 Übungsfragen mehr als einmal durchgehen.
Der Prüfungstag: Eine Woche später ist es soweit. Am Samstagvormittag wird an gewohnter Stelle im Gasthaus Junges das Gelernte wiederholt. Nur zwei Kursteilnehmer können die Prüfung an diesem Tag nicht mitmachen. Aufseher und Ratgeber ist Ulrich Schneider-Freundt, Beisitzer im Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss. Der Bollendorfer redet nicht um den heißen Brei herum: "Jeder Schiedsrichter muss eine gewisse Leidensfähigkeit haben." Er appelliert gleichzeitig an ein "ruhiges und ordentliches" Auftreten: "Wir wollen keine Schiedsrichter, die den Platz als Kasernenhof ansehen." Er wünscht uns Ausdauer, Mut, Kraft und Spaß.
Die Prüfungsbögen werden ausgeteilt. In zwei Versionen, damit man nicht vom Sitznachbarn abschreiben kann. Nach 30 Minuten ist der Spuk vorbei. Noch am Abend werden wir per E-Mail informiert, ob wir bestanden haben. Um 21 Uhr fahre ich zu Hause den Rechner hoch. Die E-Mail ist da. Bestanden! Wie die meisten. Nur zwei müssen in die Nachprüfung. Später folgt die Punktzahl. 56 von 60. Jetzt bin ich Schiri. Oder auch nicht.
Die Betreuung: Nun sind die Jungschiedsrichterbetreuer in den einzelnen Fußballkreisen am Zug. Sie nehmen die erfolgreichen Anwärter unter ihre Fittiche. Sie sagen, was einen auf dem Platz erwartet. Mein zuständiger Referent im Kreis Trier-Saarburg ist Franz-Josef Ferring. Er gratuliert mir und fragt nach meinem Alter. "36? Dann sind Sie ja noch jung. In ihrem Alter könnten Sie es theoretisch noch bis zur Rheinlandliga schaffen." Das sehe ich anders. Mirko Blahak
Fortsetzung folgt.

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