Welch’ ein Spiel Krettnach und die Sensation am Deutschen Eck

Krettnach · Großkampenberg in der Westeifel, Wallenborn in der Nähe von Daun, Haag im Hunsrück oder zum Beispiel der Konzer Stadtteil Krettnach: Ohne den Fußball wäre der Bekanntheitsgrad dieser Dörfer um einiges geringer. Viel erlebt haben sie gerade in Krettnach. Die Begegnung mit dem Team eines chinesischen Nationalspielers steht im Mittelpunkt des nächsten Teils unserer Serie „Welch’ ein Spiel“.

 Als sie auf der Fahrt zum Stadion Oberwerth an jeder Straßenecke die Spielankündigungsplakate sahen, rutschte einigen Krettnachern vor lauter Ehrfurcht schon das Herz in die Hose. Doch dann gewann das Team von Trainer Walter Lutz (im Bild) beim hohen Favoriten TuS Koblenz mit 3:2.

Als sie auf der Fahrt zum Stadion Oberwerth an jeder Straßenecke die Spielankündigungsplakate sahen, rutschte einigen Krettnachern vor lauter Ehrfurcht schon das Herz in die Hose. Doch dann gewann das Team von Trainer Walter Lutz (im Bild) beim hohen Favoriten TuS Koblenz mit 3:2.

Foto: Günter Heidt

Fragt man Walter Lutz, den langjährigen Spieler und Trainer des SV Krettnach nach den beeindruckendsten Spielzeiten seiner Mannschaften, dann kommt er schnell auf die 1970er und 80er Jahre zu sprechen. Es waren Zeiten, in denen sich der Verein aus dem Konzer Tälchen mit seiner ersten Mannschaft nach Zwischenstationen in der Bezirks- und der damaligen Landesliga bis in die seinerzeit noch viertklassige Verbandsliga Rheinland durchgekämpft hatte.

Erstmals gelang Krettnach im Juni 1984 der Sprung in die Topliga zwischen Saar und Sieg, als man in den  Qualifikationsspielen gegen die SpVgg Höhr-Grenzhausen zu Hause 2:0 gewann und dann das Retourmatch mit 2:3 im Westerwald verlor. „Wir haben noch nie so gerne verloren“, erinnert sich Lutz. Für die Tälchen-Elf war es der vierte Aufstieg in zehn Jahren unter ihrem damals 35-jährigen Spielertrainer, der als Libero auflief und mit seiner Robustheit und Erfahrung den eigenen Strafraum oft sauber hielt. Es war auch die gelungene Mischung aus erfahrenen Kräften, wie etwa Bernd Marx und jungen Spielern, darunter die drei Kugel-Brüder Adi, Hermann und Jürgen, die diesen Erfolg möglich machte. „Dazu kam, dass fast alle aus dem Tälchen oder umliegenden Orten kamen und durch ihre Identifikation mit dem Verein eine geschlossene Einheit bildeten“, berichtet Günter Heidt, zweiter Geschäftsführer und Pressesprecher des 1946 gegründeten Clubs. Zwar musste man die höchste Verbandsspielklasse bereits 1985 wieder verlassen, doch gelang dem Team als Tabellenzweiter der Landesliga Süd der direkte Wiederaufstieg.

Nach dem ersten Heimspiel in der Saison 1986/87 gegen den FC Bitburg (1:1) stand am 18. August ’86 mit dem Meisterschaftsfavoriten TuS Koblenz ein Gegner bereit, der sein erstes Spiel mit 7:0 beim VfL Bad Ems gewonnen hatte. Groß war der Unterschied zwischen beiden Kontrahenten. Hier der finanzstarke Stadtclub mit dem 78-fachen chinesischen Nationalspielers Guangming Gu in seinen Reihen. Dort der Dorfverein, dessen Trainer die Spielankündigungsplakate noch selbst von Hand ausfüllte, während in Koblenz große DIN-A2-Plakate an Lichtmasten und Litfaß-Säulen angebracht waren. Rund 600 Zuschauer wollten dieses ungleiche Duell des hohen Favoriten gegen den Liganeuling am Deutschen Eck sehen.

Der Krettnacher Start im Stadion Oberwerth hätte nicht besser laufen können: In der sechsten Minute spielte Jürgen Kugel zwei Gegner aus, den abgewehrten Schuss nahm sein Bruder Adi auf und erzielte das 0:1. Auch das 1:1 (37.) durch Ballkünstler Gu, der „aus vollem Lauf den Ball mit der Hacke über Harald Schneider hob und überlegt einschoss“ (O-Ton Walter Lutz), änderte nichts an dem gelungenen Auftritt der Gäste. Mit klugen Kontern deckte man die Schwächen der Koblenzer auf, und so fiel nach Pass von Hermann Kugel das 1:2 durch Bruno Schmitt (61.). Günter Willems ließ noch das 1:3 folgen (87.). Der Anschlusstreffer zum 2:3 (89.) war nur Ergebniskosmetik. Krettnach musste trotz der so erfolgreich begonnenen Saison knapp ein Jahr später wieder den Gang in die Landesliga antreten. Erneut machte Lutz mit seinem Team seinem Ruf als Fahrstuhlmannschaft alle Ehre. Am 15. Mai 1988 glückte dank eines 2:0-Heimsieges über den schon feststehenden Meister SV Wittlich – Jürgen Kugel hatte doppelt getroffen – der erneute Wiederaufstieg in die höchste Verbandsklasse. Dort war 1989 der sechste Rang die beste Platzierung in den insgesamt sechs Jahren bis zum Abstieg ’94.

Glorreiche Spiele gab es dabei einige. So in der 1990/91er Runde. Der VfL Bad Ems führte auf dem Rasenplatz in Niedermennig nach einer Stunde mit 3:2. Am Ende triumphierte der SVK aber mit sage und schreibe 7:3 und hatte dadurch den Klassenerhalt sicher. Nach dem Abstieg ging Trainer Walter Lutz, der sich nach 20 Jahren Tätigkeit Richtung SG Pellingen/Franzenheim verabschiedete. „Walter hatte den Fußball des SV Krettnach geprägt, die guten Leistungen über Jahrzehnte hinweg waren auch sein Verdienst“, unterstreicht Günter Heidt. Die Stadtduelle mit dem Nachbarn SV Konz rückten anschließend immer mehr in den Fokus. 2000/01 kämpften beide um den Aufstieg.  Höhepunkt war das Derby auf heimischem Platz gegen den SV Konz, zu dem 1000 Zuschauer kamen und das mit 1:0 gewonnen wurde. Am Schluss wurde der von Jürgen Kugel trainierte SV Krettnach vor Konz Meister und spielte darauf zwei weitere Jahre in der Topliga des Fußballverbands Rheinland.

2011 verpasste man einen weiteren Aufstieg, als es im Entscheidungsspiel von Wittlich vor 1300 Zuschauern ein 2:4 gegen die nach der Bezirksliga-Runde punktgleiche SG  Schneifel-Stadtkyll gab. Die Mannschaft von Trainer Erwin Berg hatte nicht zuletzt dank der 45 Tore der  Brüder Nico und Manuel Hubo zwar das deutlich bessere Torverhältnis, weil dieses aber auf Verbandsebene nicht bei der Auf- und Abstiegsfrage zugrunde gelegt wird, musste das Duell auf neutralem Platz her.

Krettnach und die Sensation am Deutschen Eck
Foto: TV/Wilbert, Bianca

Die große Epoche von vier Jahrzehnten im überkreislichen Fußball ging für den SV Tälchen am Pfingstmontag, 9. Juni 2014, zu Ende. Eine ersatzgeschwächte Elf unterlag vor 1400 Besuchern in Schillingen gegen die punktgleiche SG Rascheid durch einen Elfmeter mit 0:1 und musste in die Kreisliga A Trier-Saarburg absteigen. Es ging noch eine Etage weiter runter. In der B-Liga Trier/Saar hat sich der SV Krettnach inzwischen aber wieder gefangen – nicht zuletzt dank heimischer Talente. Vielleicht ist es ja der Beginn einer neuen glanzvollen Ära.

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