Neue Welt, gefährliche Welt

Eupen · Es ist eine der großen Überraschungen im europäischen Fußball. Der "Dorfclub" AS Eupen spielt in dieser Saison als erster Verein aus der deutschsprachigen Gemeinschaft in der ersten belgischen Liga. Ein Investor ermöglicht den Höhenflug, der gleichzeitig Gefahren birgt.

 In der Stadionkneipe kostet das Bier 1,80 Euro (Bild oben). Am Stadion sind die Bauarbeiten noch nicht ganz abgeschlossen (unten). TV-Fotos: Mirko Blahak (2)

In der Stadionkneipe kostet das Bier 1,80 Euro (Bild oben). Am Stadion sind die Bauarbeiten noch nicht ganz abgeschlossen (unten). TV-Fotos: Mirko Blahak (2)

Schon von weitem sind sie sichtbar. Im Wettbewerb mit den Schornsteinen des großen Kabelwerks ragen die Flutlichtmasten in den Himmel. Hoch über der Unterstadt thront Eupens neues, gut fünf Millionen Euro teures Schmuckkästchen. Ein Stadion für 8400 Zuschauer. Noch rollen Baumaschinen, um den letzten Feinschliff vorzunehmen. Dort, wo bislang eine kleine Sportanlage stand, sind drei neue Tribünen entstanden.

Die Arena, ein Mosaikstein des Fußball-Wunders in dem 100 Kilometer nordwestlich von Prüm gelegenen 18 000-Einwohner-Städtchen. Sensationell ist die Allgemeine Sportvereinigung (AS) Eupen in die erste belgische Liga aufgestiegen — als erster Club überhaupt aus der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Im Businessclub in der Haupttribüne sitzt Manager Manfred Theissen auf einem der mit schwarzem Leder überzogenen Stühle. Draußen trainiert die Mannschaft im Nieselregen. "Wir mussten das Stadion bauen, um die Lizenzauflagen zu erfüllen", sagt der Polizeikommissar, der seit 1995 Club-Manager ist und sich für seinen Fußball-Job nun zwei Jahre freistellen ließ. Bis zum Sommer 2009 war Eupen ein Amateurclub, seitdem regiert Vollprofitum. Bei den Spielern. Im Umfeld. Zwei Sekretärinnen und ein Marketingfachmann wurden eingestellt.

Das Sagen aber hat im Grunde nur ein Mann. Ein Italiener, der für den Aufschwung verantwortlich ist. Antonio Imborgia, Ex-Profi in Italien, ehemaliger Spielerberater von Stars wie Gabriel Batistuta oder Nuno Gomes. Im Winter 2008/2009 stieg er bei der AS ein. Der Club drohte damals in die dritte Liga abzusteigen. Dank Imborgias Engagement gelang der Klassenerhalt und ein Jahr später der Aufstieg in die erste Liga. Theissen: "Ohne ihn wäre der Club nicht dort, wo er jetzt ist."

Der 52-Jährige aus der Toskana wollte in den ausländischen Fußball investieren. Ein belgischer Club kam ihm gelegen. Warum, erläutert Thomas Evers, Redakteur bei der Tageszeitung "Grenz-Echo" aus Eupen: "Man kann in Belgien relativ leicht in Vereine einsteigen, um dort Spieler zu parken und weiterzuverkaufen. In Belgien kann man mit vergleichbar geringen Summen etwas bewegen. Zudem liegt das Land in Europa sehr zentral, deshalb lassen sich in der Liga hier viele Scouts blicken."

Spieler, Trainer, Aufstellung: Investor-Einfluss ist groß

 Willkommen, erste Liga! Manfred Theissen im neuen Eupener Stadion. TV-Foto: Mirko Blahak

Willkommen, erste Liga! Manfred Theissen im neuen Eupener Stadion. TV-Foto: Mirko Blahak

 Antonio Imborgia. Foto: David Hagemann

Antonio Imborgia. Foto: David Hagemann



Über Zahlen spricht Theissen ungern. Aber Imborgia dürfte pro Saison mindestens 500 000 Euro zum Vier-Millionen-Etat der AS beitragen. Zudem lotst er Spieler nach Eupen — vornehmlich aus Italien. Vier Akteure sind fest zur AS gewechselt, sieben Spieler sind ausgeliehen (aus Florenz, Parma, Mailand).

Die Einwohner nehmen den Erstliga-Fußball an: Pro Heimspiel kommen bislang 4000 bis 4500 Zuschauer. In der vergangenen Zweitliga-Saison kamen anfangs nur 700 bis 800. Offiziell hat Imborgia lediglich einen Sitz im AS-Aufsichtsrat. Doch er leitet die Geschicke des Clubs. Salopp formuliert kontrolliert er sich somit im Grunde selber. Welche Spieler verpflichtet und verkauft werden, welcher Trainer kommt (in dieser Saison ist der aktuelle Coach Albert Cartier bereits der dritte Übungsleiter) — Imborgia hat das letzte Wort. Daraus macht Theissen kein Hehl: "Er hat das Sagen, bei Personalfragen gibt es keine Diskussionen." In der vergangenen Saison soll Imborgia sogar ab und an Einfluss auf die Mannschafts-Aufstellung genommen haben.

Ist die AS dem Investor ausgeliefert? So krass sieht es der Manager nicht: "Wir sind abhängig von ihm. Aber er nützt seine Position nicht aus. Die AS Eupen ist für ihn wie ein kleines Baby, das er aufzieht."

Bislang seien die Befürchtungen nicht eingetreten, Imborgia sei einzig aufs Geschäftemachen und Gewinnstreben aus. "Hätte er schnelles Geld verdienen wollen, hätte er im Sommer drei bis vier Spieler verkauft. Es ging aber nur einer. Im Moment investiert er viel. Und er weiß, dass Gelder erst dann zurückfließen können, wenn der Club schwarze Zahlen schreibt", sagt Theissen. Das sei derzeit nicht der Fall. Der Club hat wegen des Stadionbaus Verbindlichkeiten. Der 20-Prozent-Anteil des Clubs läuft über ein Darlehen der Stadt Eupen.

Sportlich läuft es beim Abenteuer erste Liga inzwischen besser. Eupen ist nach dem jüngsten 3:1-Coup bei Standard Lüttich Vorletzter (acht Punkte aus 14 Spielen). Der rettende 14. Platz ist nur ein Punkt entfernt. "Für den Verein ist es lebensnotwendig, in der ersten Liga zu bleiben", sagt Theissen.

Bei einem Abstieg könnte der ganz große Absturz drohen. Bleibt der Investor? Bleiben die Spieler? Wie lässt sich das für die zweite Liga zu große Stadion finanzieren? Das sind existenzielle Fragen. Redakteur Evers sagt: "Ob in der zweiten Liga gespielt werden könnte, ist fraglich."

Hintergrund

Die Stadt Eupen hat rund 18 000 Einwohner. Aachen liegt 25 Kilometer entfernt. Nach Lüttich sind es 40 Kilometer, nach Prüm 100 Kilometer. Eupen ist Regierungssitz der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, die insgesamt neun Gemeinden im Osten des Landes umfasst. Sie ist mit rund 74 000 Einwohnern die kleinste der drei politischen Gemeinschaften in Belgien. Geografisch grenzt das Gebiet im Norden an das Dreiländereck Belgien-Deutschland-Niederlande, im Osten an Deutschland und im Süden an Luxemburg. (red)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort