Vergessene Fußballvereine Wenn’s auf dem Fußballplatz ganz still wird

Region · Wo es früher packende Duelle gab, geht in der Eifel, an der Mosel oder im Hunsrück auf einigen Spielfeldern nichts mehr. Schon seit Jahren gibt es immer weniger Mannschaften, die um Punkte kämpfen. Viele Erinnerungen an Aufstiege, große Feste und besondere Partien sind aber geblieben – und: In manchen Vereinen tut sich (immer) noch was.

 Wenn der Ball nicht mehr rollt, erobert die Natur die Sportplätze. Das hier abgebildete Gelände in Salm im Vulkaneifelkreis verwildert aber keineswegs. Immerhin spielt hier (dann auf gemähtem Rasen) noch ab und zu die Jugend.

Wenn der Ball nicht mehr rollt, erobert die Natur die Sportplätze. Das hier abgebildete Gelände in Salm im Vulkaneifelkreis verwildert aber keineswegs. Immerhin spielt hier (dann auf gemähtem Rasen) noch ab und zu die Jugend.

Foto: Sebastian J. Schwarz/sjs / Sebastian J. Schwarz

Mancherorts ist buchstäblich Gras über die Sache gewachsen, und man kann nur noch erahnen, dass hier mal Fußball gespielt wurde. Woanders ist zumindest noch oder wieder die Jugend aktiv. Andere Vereine wiederum haben neue Schwerpunkte gesetzt. In einigen Dörfern, wo früher begeistert gekickt wurde, rollt teilweise seit Jahren kein Ball mehr. Oft werden die demographische Entwicklung und das veränderte Freizeitverhalten als Grund dafür genannt, dass die Anzahl der Mannschaften auch auf DFB-Ebene und im Fußballverband Rheinland rückläufig ist (siehe Extra).

Vereine haben sich heimlich, still und leise aus dem Spielbetrieb zurückgezogen – oft über den Zwischenschritt einer Spielgemeinschaft. Bei ihnen hat der TV nachgefragt, an was man sich besonders gerne erinnert, warum genau kein Fußball mehr gespielt wird, und wie sie heute aufgestellt sind.

Zwischen Morbach und Mosel beheimatet, machte sich einst der 1970 gegründete FC Haardtkopf Gornhausen (FCG) in den Mosel-Kreisligen einen Namen. 1993 stieg das ausschließlich aus einheimischen Spielern bestehende Team der Hunsrücker unter Trainer Rainer Schommer in die Kreisliga B auf. Mehrere Jahre hielt sich die Mannschaft dort, ehe es wieder in die C-Liga, später in die D-Klasse, hinabging. Anfang der 2000er Jahre gelang noch mal der Aufstieg in die B-Liga. Bis zur Saison 2007/08 konnten die Grün-Weißen den Spielbetrieb in eigener Regie aufrechterhalten, schlossen die C-Liga-Runde im Mittelfeld der Tabelle ab. Stefan Wagner, Vorsitzender des FCG und Ortsbürgermeister in Personalunion, erinnert sich: „Die gute Kameradschaft hat dazu beigetragen, dass auch auswärtige Spieler in jenen Jahren zu uns kamen.“ Später ging es aber ohne eine Spielgemeinschaft nicht mehr: Aufgrund von personellen Veränderungen und des fehlenden Spielerpersonals ging man  2008 eine Kooperation mit dem FC Bischofsdhron ein. Diese hielt bis zum Jahr 2014. Daraufhin wurde eine Zusammenarbeit mit dem Nachbarclub SV Gonzerath vereinbart. Weil aber aus Sicht des FCG die Perspektiven fehlten, wurde diese 2016 beendet. Seit  2017 nutzen die Reiterfreunde Gornhausen einen Teil des Platzes. „Es besteht aber weiter die Möglichkeit, den halben Platz zum Trainingsbetrieb zu nutzen – die vier Flutlichtmasten stehen nach wie vor“, sagt Wagner. Sportliche Angebote gibt es unverändert: „Wir führen Wanderungen mit Rahmenprogramm durch. Auch ein Tischtennistreff ist möglich. Außerdem bieten wir Gymnastikkurse an.“

Eine Rückkehr in den Spielbetrieb als FC Haardtkopf schließt Wagner mangels eigener Fußballer aus: Einige Gornhausener sind derzeit in überkeislichen Klassen unterwegs: Matthias Ruster und Max Heckler beim Rheinlandligisten FV Hunsrückhöhe Morbach und Oliver Schommer – der Sohn des einstigen Aufstiegstrainers Rainer Schommer – neuerdings beim Bezirksligisten SV Zeltingen-Rachtig.

Wenn der Name SC Blau-Weiß Schalkenmehren fällt, denkt man heute vor allem an Triathlon. Dabei hat der 1958 aus der Taufe gehobene Verein auch eine Fußballtradition. In den sechziger und siebziger Jahren war die erste Mannschaft der Vulkaneifeler in der B-Liga unterwegs. Vorsitzender Horst Schmitz erinnert sich: „Ursprünglich ging es nur um Fußball. Ich selbst bin für etwa 20 Jahre nach Gerolstein gezogen und nach meiner Rückkehr hatte sich die Fußballabteilung aus dem Spielbetrieb zurückgezogen. Das war in den Neunzigern.“ Weil ein Spielerschwund einsetzte und einige Akteure in die umliegenden Orte wechselten, wurde es fußballerisch still um den SCS. Übrig blieben eine Freizeitmannschaft und ein Alte-Herren-Team. Vor rund fünf Jahren wurde die Fußballabteilung aufgelöst. Danach stand sogar der Gesamtverein kurz vor dem Ende, da sich keine ehrenamtlichen Mitglieder mehr engagieren wollten. Nur mit Mühe konnte das Aus verhindert werden. Im Januar vergangenen Jahres fand sich dann aber ein neuer, sechsköpfiger Vorstand um Schmitz und Geschäftsführer Lothar Kaspers. 

Was den Schalkenmehrener Fußballern bleibt, sind schöne Erinnerungen, wie etwa an das  50. Vereinsjubiläum: 2008 gab es ein Benefizspiel unter der Leitung des damaligen Fifa-Schiedsrichter Herbert Fandel. „Es war ein absolutes Highlight in unserer Historie“, schwärmt Schmitz, der früher selbst auch in der Jugend der Blau-Weißen aktiv war. Der Rasenplatz werde in den Sommermonaten regelmäßig gemäht und auch die renovierten Hütten für Freizeitaktivitäten genutzt. Inzwischen ist längst der Triathlon das Paradepferd des SC. Für 31. Juli sind rund ums Schalkenmehrener Maar sogar erneut die Deutschen Triathlon-Meisterschaften geplant.

Eine Wiederaufnahme des Fußball-Spielbetriebs schließt Schmitz momentan aus. „Derzeit haben wir vier Schalkenmehrener bei unserem Nachbarverein in Mehren spielen. Noch mal etwas aufzubauen, wäre ungleich aufwändiger als ein möglicher Ertrag.“ Eine, die aus Schalkenmehren kommt, ist Lisa Umbach. Die heute 26-Jährige fing einst bei der SG Mehren/Darscheid an und steht aktuell mit dem Zweitbundesligisten SG Andernach 99 im DFB-Pokal-Viertelfinale.

Schauplatz Trier: Nachdem der TuS Pallien in der Saison 2003/04 als Tabellenerster der C-Mosel/Hochwald der Aufstieg in die Kreisliga B gelungen war und es danach mit dem Klassenverbleib klappte, folgte danach ein Auf und Ab – meist zwischen C- und D-Klasse. Zwischenzeitlich kam der Post-Sportverein Trier als SG-Partner hinzu. In der Serie 2014/15 reichte es zu Platz drei in der C-Trier/Eifel-Staffel. Eineinhalb Jahre später zog sich das Team überraschend zurück. Der damalige Spielertrainer Jürgen Klankert erinnert sich: „In der Saison davor waren unheimlich viele neue Spieler nach Pallien gekommen. Als der Teamgeist schwand und einige auf dem Sprung waren, standen wir kurz vor Weihnachten vor der Frage, wie es weitergehen soll.“ Spieler hätten in einer Mannschaftssitzung zwar ihr Bleiben zugesichert, doch „insgeheim hatten sich wichtige Leute schon mit Abwanderungsgedanken getragen. In einem Gespräch klärte ich den Vorstand auf, dass wir nur noch elf Spieler hatten und ich noch einige Altherren dazu nehmen müsste, um überhaupt auflaufen zu können“, so Klankert. Auch wegen der schwachen Trainingsbeteiligung und der schwierigen Rahmenbedingungen  auf dem Hartplatz entschlossen  sich dann die Verantwortlichen, die Mannschaft vom Spielbetrieb zurückzuziehen. Klankert berichtet: „Da war der Hartplatz, es gab kein richtiges Vereinsheim, nur eine kleine Hütte. Wir haben uns die Spielerbänke selbst gebaut und die Hecken selbst geschnitten. Den Platz hatte unser Vorstandsmitglied Thomas Grünhäuser, der mit Dirk Wengler einen guten Job gemacht hat, mit seinem Jeep abgezogen. Auch waren die Traversen verwildert. Und wenn man nach einem Sieg einen trinken wollte, musste man extra in die Stadt fahren.“

Auf dem Sportplatz am Waldstadion sind heute die Nachwuchsteams der JSG Pallien zuhause. Markus Kuhn, einer der früheren Spieler, trainiert die F-und D-Jugend. Außerdem gibt es noch die Bambini und E-Junioren. Zudem  nutzen die Alten Herren den Platz.  Klankert nennt ein zentrales Problem, das auch den Pallienern offenbar zum Verhängnis wurde: „Es wird zunehmend schwieriger, einen Verein mit einem Hartplatz auf lange Sicht attraktiv zu halten.“

1957 wurde im heutigen Vulkaneifelkreis der Sportverein Salm gegründet. In der Saison 1962/63 gelang der erste Aufstieg in die 2. Kreisklasse. 1966/67 ging es sogar hinauf in die 1. Kreisklasse. Aber bereits ‘69 wurde das Team wegen personeller Schwierigkeiten vom Spielbetrieb abgemeldet. Einige Aktive schlossen sich dem benachbarten SC Niederstadtfeld an. Fünf Jahre später wurde der Spielbetrieb in der D-Klasse wieder aufgenommen. In der Saison 1977/78 gelang der Aufstieg in die C-Liga. 1983 wurde am Sportplatz ein neues Umkleidegebäude errichtet. In jenen Jahren pendelte der SV Salm zwischen D- und B-Liga. Die vorerst letzte am Spielbetrieb teilnehmende Salmer Mannschaft war jene von 1995/96, unter anderem mit dem späteren Bezirksligatrainer der SG Mehren/Darscheid, Jürgen Stark, und dem bis zum Vorjahr beim Mosel-B-Ligisten Sportfreunde Lokomotive Wengerohr-Belingen aktiven Eike Laloire.

Der Vorsitzende Johannes Lorig blickt zurück: „Wir haben in der C-Klasse oft oben mitgespielt, doch den Aufstieg jedes Mal verpasst. Nachdem sich die Mannschaft zurückgezogen hatte, gingen viele Spieler nach Wallenborn, Deudesfeld oder Üdersdorf.“ Der Sportplatz wird noch von der Jugend vor allem zum Training oder Grillfesten genutzt. Derzeit ist der SV Salm Mitglied der Jugendspielgemeinschaft (JSG) Dauner Land und bringt sich hier mit seinem Jugendleiter Andreas Reuten mit viel Engagement ein.

Bis weit in die 2000er Jahre hinein war der Sportverein Blau-Weiß Klüsserath noch als eigenständiger Verein im Spielkreis Trier/Saarburg unterwegs. Die jüngere Vereinsgeschichte sieht die Moselaner in unterschiedlichen Spielklassen auflaufen. In der Saison 2002/03 stieg das Team der damaligen SG Bekond/Ensch/Klüsserath aus der C-Klasse in die D-Liga ab. Ein Jahr später reichte es zu Platz drei in der untersten Liga, bevor 2004/05 als Tabellenerster der Wiederaufstieg gelang. In der nachfolgenden Saison war der SV Klüsserath wieder eigenständig und spielte mal in der D-, mal in der C-Klasse. Weil es aber an Personal und langfristigen Perspektiven mangelte, schlossen sich die Klüsserather zur Saison 2011/12 dem damaligen C-Ligisten SV Bekond an. Als Spielgemeinschaft stieg das Team 2014 in die B-Liga auf. Ein Jahr später war die Kooperation aber wieder beendet, und der SV Klüsserath verschwand von der Fußball-Landkarte – zumindest, was den Seniorenbereich anging.

Ortsbürgermeister Norbert Friedrich, der selbst 20 Jahre als Kassierer tätig war und noch immer Mitglied im SV ist, schildert den aktuellen Stand: „Der Sportplatz wird zu Trainingszwecken von unseren Jugendmannschaften und als Schulsportplatz genutzt. Ein zweites Feld, das direkt daneben liegt, ist an den Betreiber des Wohnmobilstellplatzes verpachtet und wird auch von diesem gepflegt.“ Der Nachwuchs ist in der JSG Mittelmosel aktiv. Zum Verein zählen auch eine Frauengymnastik- und Yogagruppe.

Die Sportfreunde Kreuzweiler-Dilmar stellten bis zur Saison 2014/15 eine eigenständige Mannschaft. Die Fußballer aus den beiden Ortsteilen von Palzem, wo auch die Heimspiele ausgetragen wurden, pendelten über Jahre hinweg zwischen C- und D-Klasse im Spielkreis Trier-Saarburg. So gelang 2013 der Aufstieg in die C-Liga Saar. Man schien auf einem guten Weg, doch ein Pokalspiel am 14. Oktober 2014 hatte weitreichende negative Folgen. Nach acht Spielen hatte das Team von Trainer Americo Dos Santos schon 18 Punkte auf dem Konto. Das Kreispokalspiel gegen Saarburg wurde in der 85. Minute nach dem 2:3-Anschlusstreffer aufgrund von Tumulten, die den Sportfreunden zugerechnet wurden, abgebrochen. Im Rahmen der Aufarbeitung der Vorkommnisse räumte Dos Santos ein, dass drei Spielerpässe gefälscht worden waren. Er hatte die Passbilder einfach ausgetauscht und damit die Identitäten der Spieler verschleiert. Der Portugiese gestand, dass er zu wenig Spieler gehabt habe und er jedes Wochenende hätte improvisieren müssen. Viele seiner Spieler waren parallel in Luxemburg aktiv. Der Rückzug der Mannschaft folgte wenig später. Heute trainiert Dos Santos das Reserveteam des FC Lorentzweiler im Großherzogtum. Palzem ist mittlerweile ein komplett weißer Fleck im regionalen Fußball, da der Sportverein 2019 auch aus der Spielgemeinschaft Wincheringen/Merzkirchen ausstieg.

100 Jahre wird in diesem Jahr der TuS Briedel alt. In der Saison 2012/13 gelang der Aufstieg in die B-Liga, und in der vorerst letzten Saison 2013/14 erreichte der TuS unter Trainer Jürgen Mesenich den elften Platz, der den Klassenerhalt bedeutet hätte. Doch weil berufliche Veränderungen von Spielern anstanden und auch einige die Schuhe an den Nagel hängten, war ein Auftritt als eigenständiges Team unmöglich geworden. Man schloss sich einer Spielgemeinschaft mit Reil, Enkirch, Burg und Pünderich an. Nach der Saison 2016/17 zog sich der TuS auch aus dieser SG zurück. Den Sportplatz in Briedel gibt es immer noch. So trug Mosel-B-Ligist FC Peterswald-Löffelscheid während des Umbaus seines Sportplatzes seine Heimspiele 2019/20 im Moselort aus. Weiterhin verfügt der TuS über eine florierende Tischtennisabteilung

Auch, wenn auf so manchem Sportplatz in der Region der Ball nicht mehr rollt: Viele Vereine leben immer noch, indem sie zum Teil andere Sportarten anbieten. Hier und da lässt der Nachwuchs sogar auf eine neue, dauerhafte Fußballbegeisterung hoffen.  

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