Was macht eigentlich ...

Trier · Fußball-Trainer Reinhard Saftig hat vor gut 25 Jahren Geschichte geschrieben, als er in einer verrückten Relegation mit Borussia Dortmund die Bundesliga-Zugehörigkeit sicherte. Der heute 59-Jährige aus Uersfeld (Vulkaneifelkreis) erlebte in seiner Karriere viele Höhen und Tiefen. Ein Rekord des ehemaligen Schnauzbart-Trägers hat bis heute Bestand.

 Der markante Schnauzbart ist schon lange ab: Reinhard Saftig (hier vor kurzem bei einem Benefizspiel in Mayen) genießt heute das Leben als Privatmann. Foto: Andreas Walz

Der markante Schnauzbart ist schon lange ab: Reinhard Saftig (hier vor kurzem bei einem Benefizspiel in Mayen) genießt heute das Leben als Privatmann. Foto: Andreas Walz


Wissen Sie, was Sie mit Rudi Völler, Günter Netzer, Frank Rost, Rolf Fringer, Frank Pagelsdorf und Günter Hermann gemeinsam haben?
Saftig: Ja, fünf Treffer an der Torwand des ZDF-Sportstudios! Ich habe die Namen vor kurzem durch Zufall erfahren, weil der Erfinder der Torwand gestorben ist.

Wie viele Jahre ist Ihr Sportstudio-Auftritt her?
Saftig: Das war am 12. Oktober 1991. Ich war Trainer von Bayer Leverkusen. Wir hatten nachmittags beim 1. FC Kaiserslautern mit 1:2 verloren. Ich hatte eine gewisse Wut im Bauch …

Sechs Treffer hat bis heute noch niemand geschafft. Wie knapp war\'s bei Ihnen?
Saftig: Ich habe den zweiten Schuss rechts unten vergeben. Weit weg war er nicht.

Der Torwand-Rekord — ein schöner Moment. Aber was war Ihr größter Erfolg im Fußball-Geschäft?
Saftig: Titel habe ich als Trainer nicht direkt gewonnen. Ich war zwar als Assistenztrainer bei Bayern München zwei Mal Meister und zwei Mal Pokalsieger, doch als "Co" erlebt man diese Erfolge doch anders als in der Position des Cheftrainers. Als Spieler habe ich mit dem TuS Mayen in Bitburg 1974 das Rheinlandpokal-Finale mit 1:0 gegen Eintracht Trier gewonnen. Ich kann mich noch gut an die Partie erinnern. Ich war Kapitän und bekam den Pokal überreicht.

Den überraschenden Einzug in den Uefa-Pokal 1987 als Trainer mit Borussia Dortmund zählen Sie nicht zu den Höhepunkten?
Saftig: Das war damals sicher nicht selbstverständlich. Wir mussten in der Saison davor als Erstliga-16. in die Relegation gegen den Zweitliga-Dritten Fortuna Köln. Das war ein unheimlich einschneidendes Ereignis. Noch heute sagen viele, dass mit dem Erfolg gegen Köln der Aufstieg von Borussia Dortmund begann, weil damals ein Gemeinschaftsgefühl entstanden ist, das praktisch bis heute anhält.

Durch die Relegation im Jahr 1986 wurden Sie richtig bekannt. Im ersten Spiel verlor Dortmund in Köln 0:2. Der Treffer von Jürgen Wegmann zum 3:1 in der letzten Minute des Rückspiels ermöglichte erst das dritte (Entscheidungs-)Spiel in Düsseldorf, das wegen Krankheitsfällen im Fortuna-Team um eine Woche nach hinten verschoben werden musste…
Saftig: …Oh ja, das waren meine anstrengendsten Wochen. Die Relegation hat uns insgesamt fünf Wochen in Atem gehalten. Ich hatte erst zwei Spieltage vor Saison-Schluss die Mannschaft übernommen. Ich war erst 34 Jahre alt, es war mein erster richtiger Trainerjob in der ersten Liga. Gott sei Dank nahm die Relegation für uns mit dem 8:0-Sieg im dritten Spiel ein gutes Ende.

Haben Sie 1993 Ihren bittersten Moment als Coach erlebt? Sie zogen damals mit Leverkusen ins Pokalfinale ein - doch Dragoslav Stepanovic holt den Titel gegen die Amateure von Hertha BSC Berlin, weil Sie zuvor entlassen worden waren. Ironie des Schicksals: "Stepi" war zuvor Trainer in Frankfurt - mit Bayer hatten Sie die Eintracht im Pokal-Halbfinale ausgeschaltet.
Saftig: Damals war es schon schlimm. Ein Titel ist für die Vita schon besser. Aber für mich war es zum Beispiel auch ein Erfolg, als Trainer mit dem VfL Bochum 1990 nicht abgestiegen zu sein. Auch später mit Galatasaray Istanbul hatte ich unheimlich tolle Erlebnisse. Wir spielten in der Saison 1994/95 in der Champions League gegen den FC Barcelona und Manchester United.

Wie sind Sie heute dem Fußball verbunden?
Saftig: Ich besuche viele Bundesliga-Heimspiele von Borussia Dortmund und Schalke 04. S04-Vorstandsmitglied Peter Peters ist auch aus der Eifel — aus Ochtendung. Daneben schaue ich mir viele Jugend-Fußballspiele an. Manchmal spiele ich auch selber noch in der Halle - aber es wird Zeit, Schluss zu machen. Ich spüre die Knochen doch schon stark.

Während Ihrer Trainer-Zeit galten Sie als ,Softie\' und Kumpeltyp. Wie würden Sie mit Ihrer Art heute ins Anforderungsprofil der Clubs passen?
Saftig: Zu meiner Zeit gab es eine andere Trainer-Generation. Ernst Happel oder Pal Csernai haben sehr autoritär trainiert und wenig mit den Spielern gesprochen. Dass Entscheidungen erklärt wurden, war überhaupt nicht gang und gäbe. Wenn dann mal ein Trainer kam, der etwas mehr mit den Spielern geredet hat, galt er als zu weich. Heute kannst du dir als Trainer nicht mehr erlauben, mit deinen Spielern nur autoritär umzugehen.

Mit 27 wurden Sie 1979 Assistenztrainer beim FC Bayern München. Mussten Sie damals zögern, als Sie in der Eifel das Angebot von Bayern-Manager Uli Hoeneß ereilte?
Saftig: Ich bin seinerzeit nach München geflogen und wusste nicht, dass mir direkt ein Vertrag vorgelegt wird. Das geschah dann aber. Ich habe schon eine Sekunde gezögert und gesagt, ich müsse das Angebot mit meiner Freundin besprechen. Da hat Bayern-Präsident Willi Hoffmann gesagt: ,Wenn Sie unser Mann sein wollen, dann unterschreiben Sie.\' Also habe ich direkt unterschrieben.
Interview: Mirko Blahak
Reinhard Saftig war zwischen 1985 und 1998 Trainer in der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga (Borussia Dortmund, Hannover 96, VfL Bochum, Bayer Leverkusen, Mainz 05). Beim FC Bayern München, bei dem er 1979 im Alter von 27 Jahren als Co-Trainer anheuerte, sprang er an den drei letzten Spieltagen der Saison 1982/83 als Chefcoach anstelle des entlassenen Pal Csernai ein. Zwischen Januar 1994 und März 1995 arbeitete Saftig als Trainer in der Türkei, zuerst bei Kocaelispor, dann bei Galatasaray Istanbul. In dieser Zeit verschwand ein äußerliches Markenzeichen Saftigs, der schwarze Schnauzbart. Nach seiner Trainertätigkeit blieb Saftig dem Fußballgeschäft zunächst erhalten - als Chefscout bei Borussia Dortmund und später als Sport-Geschäftsführer bei Arminia Bielefeld. Bei den Ostwestfalen wurde Saftig nach knapp drei Jahren im Februar 2008 vorzeitig entlassen. Derzeit ist er Privatmann. Mit seiner Frau lebt der gebürtige Uersfelder seit 1984 in Dortmund. Das Ehepaar hat einen Sohn (30) und zwei Töchter (17, 26). Als Spieler schaffte Saftig nicht den ganz großen Durchbruch. Er lief für den TuS Mayen, den FV 04 Godesberg und die Spfr. Eisbachtal auf. An der Sporthochschule Köln legte Saftig die Prüfung als Diplom-Sportlehrer mit der Note sehr gut ab. bl

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