Zweimal Meister ohne Heimspiel

Von 1965 bis 1968 schaffte es der SV Eintracht Ruwer als einziger Verein der Region Trier dreimal hintereinander, bis in die Rheinlandliga aufzusteigen. Und das unter erschwerten Bedingungen: Ruwer hatte dabei nur eine Saison lang den Heimvorteil.

 Gute Freunde auch noch rund 40 Jahre nach den gemeinsamen Erfolgen: der ehemalige Spielertrainer Bernd Reinhart (links) und der damalige Abwehrchef Hermann Ley. TV-Foto: Patrick Wiermer

Gute Freunde auch noch rund 40 Jahre nach den gemeinsamen Erfolgen: der ehemalige Spielertrainer Bernd Reinhart (links) und der damalige Abwehrchef Hermann Ley. TV-Foto: Patrick Wiermer

Trier-Ruwer. Sonntag, 12.15 Uhr, letzter Spieltag in der Kreisliga D: Der SV Eintracht Ruwer spielt gegen den SV Sirzenich III. Der Tabellendritte aus Ruwer hat noch Chancen auf den Aufstieg in die C-Klasse. Bernd Reinhart steht heute mal nicht am Platz. Für das Treffen mit dem TV hat es sich der 73-Jährige an der Theke im Vereinsheim bequem gemacht. Das Clubhaus wirkt von außen ein wenig schmucklos, innen ist es aber gemütlich.

Uschi und Helga wirbeln vor der Kulisse aus zahlreichen Pokalen, Urkunden und Mannschaftsfotos aus den vergangenen 50 Jahren durch den Raum, verkaufen Bier und grillen Stadionwurst. Einer ruft hinter seinem Viez: "Komm, wir machen Stadionrunde und kassieren" und schmunzelt beim Blick durch die Tür auf die rund 20 Zuschauer. "Das Ergebnis ist nebensächlich", sagt Reinhart und nippt an einer Apfelschorle. "Im nächsten Jahr geht die Eintracht in einer Spielgemeinschaft auf. Es gibt einfach nicht mehr genügend Spieler für eine eigene Mannschaft." Uschi seufzt.

Früher war vieles anders: "Wir hatten mehrere Seniorenmannschaften, sind dreimal hintereinander Meister geworden und bis in die Rheinlandliga, die dritthöchste Spielklasse, aufgestiegen. Das hat kein anderer Verein aus der Region geschafft", sagt Reinhart. "Ich erinnere mich an tolle Feste im Vereinslokal Eugenie von der Lahr nach den Spielen. Da kamen sogar unsere Gegner hin."

"Das war damals auch dein Verdienst, Bernd", sagt Hermann Ley. Der 68-Jährige setzt sich hinzu. "Als du 1965 von Mosella Schweich als Spielertrainer hierhin gekommen bist, haben wir in Ruwer einen Aufbruch erlebt. Ich habe noch nie einen Lehrer gesehen, der so gut Fußball gespielt und so viel von Taktik verstanden hat." Reinhart lacht und sagt: "Während die Bayern mit einem offensiven Libero Beckenbauer im 4-3-3 gespielt haben, schauten wir uns die Spielweise bei den Brasilianern und den Ungarn ab. Hermann hat als Abwehrchef die Viererkette organisiert und gleichzeitig den gegnerischen Mittelstürmer gedeckt. Damit hatte der hängende Mittelstürmer Roland Scherf keinen direkten Gegenspieler mehr."

Die Taktik wurde nach jedem Spieltag verfeinert - bei der montäglichen Spielanalyse, was Ley und Reinhart mit einem gemeinsamen Badmintonspiel verbanden. Ley feixt: "Manchmal hast du die Bälle aber auch einfach nur per Kopf im Tor versenkt. Manchmal genau gezielt, manchmal nur gerammt."

Die Strategie ging auf: SV Ruwer wurde zunächst B-Liga-Meister (nach einem 3:1 gegen den SV Konz) und Kreispokalsieger (nach einem 8:3 gegen den Post SV Trier, 1965/66), dann Meister und Pokalsieger (nach einem 3:2 gegen den SV Pölich) in der A-Klasse (1966/67) und schließlich Meister der Bezirksliga Trier (1967/68).

Den Kern der Mannschaft bildeten fast ausschließlich Ruwerer Eigengewächse (siehe Extra), doch mit zunehmender Bekanntheit kamen auch Spieler von anderen Vereinen, so wie der Waldracher Manfred Schichel (28 Tore in der Rheinlandliga, danach bei Eintracht Trier).

Oder eben Ley, der als 23-jähriger Lizenzspieler noch bei Eintracht Trier unter Vertrag stand. "Unglaublich. Der hat sich dann für 500 D-Mark aus seiner eigenen Tasche aus dem Vertrag herausgekauft", sagt Reinhart. Ley ergänzt: "Ich bin ein Ruwerer und wollte unbedingt zurück. In Trier war ich immer das ,Bäuerchen' und galt nur als Lückenbüßer."

Auch die Umstände, unter denen der Meister-Hattrick gelang, sind heute unvorstellbar: Die B-Liga-Meisterschaft konnte noch auf dem eigenen Sportplatz errungen werden - doch dieser wich kurz darauf der Kläranlage. Von 1966 bis 1969 mussten daher alle Heimspiele in benachbarten Orten ausgetragen werden: in Mertesdorf, Schweich, auf Nebenplätzen des Moselstadions in Trier, in Heiligkreuz, Trier-West und auf dem Platz der ETuS, ebenfalls im Westen der Stadt. Kondition wurde im Longuicher Wald gebolzt. Trainiert wurde vor allem in der 12 mal 24 Meter kleinen Turnhalle im Ort, wo Kopfballspezialist Reinhart ein Pendel installierte.

Erst 1969, nach dem Höhenflug, wurde der auch noch heute bespielte Hartplatz eingeweiht. Doch wichtig war der Zusammenhalt der Mannschaft: "Sie war begeisterungsfähig und erfolgshungrig. Und wir waren topfit", sagt Reinhart.

Dass es der SV Ruwer im Jahr 2010 schwer hat, hängt für ihn immer noch mit den Bedingungen zusammen. "Andere Mannschaften haben Kunstrasen, da herrscht mehr Spielfreude, und die Vereine haben größeren Zulauf." Bei diesen Worten fallen die lauten Kratz- und Schleifgeräusche von Ball und Stollen auf, die vom Hartplatz durch die Tür ins Vereinsheim dringen. Doch Reinhart ist sich sicher: "Das war damals ein kometenhafter Aufstieg unserer Mannschaft. Und Kometen haben lange Umlaufzeiten. Der SV Ruwer wird hoffentlich bald wieder in den höheren Spielklassen auftauchen."

Extra

Den Kern der 60er-JahreWundermannschaft bildeten Theo Bales, Manfred Bertrams, Josef Feldmann, Peter Knodt, Hans-Josef Kreber, Hermann Ley, Theo Pelzer, Bernd Reinhart, Roland Scherf (drei Titel mit Ruwer), Bernd Kranz, Matthias Lorenz, Heinz Peters, Klaus Schmitt, Edgar Schweich (je zwei Titel). In der Bezirksliga kamen als Verstärkung Leo Faldey, Peter Judex, Edgar Knob und Heribert Erkens dazu. (pwr)

Der SV Ruwer ...

… hatte in den Aufstiegsjahren keine finanziellen Probleme. "Die Spieler haben ihre Trikots alle selbst gewaschen oder zu Hause waschen lassen", sagt Reinhart. … erlebte gegen die Ortsnachbarnder SG Ruwertal (1972/73) ein großes Spiel: 500 Zuschauer kamen damals auf den neuen Hartplatz. … hatte mit Hermann Ley einen echten Stimmungsmacher im Team. "Ich war damals schon im Musikverein und habe auf den Mannschaftsfeiern Trompete gespielt. " … wurde 1945 gegründet und hat zurzeit rund 300 Mitglieder. Neben Fußball wird auch noch Tischtennis angeboten.

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