Bundesliga-Restart Bundesliga nach der Corona-Pause: Die Desinfektion des Fußballs

Trier · Bundesliga-Fußball, der mehr nach Desinfektionsmittel als nach Stadionwurst und Bier riecht. Eindrücke von einer seltsamen Rückkehr nach über zwei Monaten Corona-Pause.

 Die Bundesliga im Mai 2020: Mundschutz und leere Ränge – hier mit Düsseldorfs Co-Trainer Rob Kelly.

Die Bundesliga im Mai 2020: Mundschutz und leere Ränge – hier mit Düsseldorfs Co-Trainer Rob Kelly.

Foto: dpa/Sascha Schuermann

Es gibt Bundesliga-Konferenzen, die haben sich eingekuschelt, sind fest umschlungen im Langzeitgedächtnis. 1999, der letzte Spieltag, das ist der Urknall aller (Radio-)Konferenzen. Fünf Teams können noch absteigen, am Ende trifft es ausgerechnet den 1. FC Nürnberg, der vor dem Spieltag noch Tabellenzwölfter war. Weil sich Frankfurt mit dem 5:1 in Kaiserslautern kurz vor Schluss noch rettet. Fjörtoft. Unvergessen. „Ich pack’ das nicht, ich halt’ das nicht mehr aus, ich will das nicht mehr sehen“, flehte Kommentator Günther Koch, nicht unbedingt die neutralste Instanz, wenn es um den „Club“ geht. Ein Mann am Limit, ein nervliches Wrack.

Auch die Samstags-Konferenz vom 26. Spieltag der Bundesligasaison 2019/20 ist historisch, sogar mehr noch als damals. Denn diesmal schaut die Fußballwelt zu: Spanien, England, Italien – sie wollen alle wissen, wie die nähere Zukunft aussehen könnte: Die erste große Profi-Liga versucht nach der Corona-Pause wieder den Alltag.

In Stadien, die ohne Fans zwar nicht mehr sind als gewaltige Betonschüsseln mit buntem Sitzplastik. Es ist eine Fußball-Imitation mit desinfizierten Bällen, mit voneinander entfernt sitzenden Maskenträgern auf der Ersatzbank und der seltsamen Frage nach richtigem und falschem Torjubel: Hat der wirklich kurz seinen Kollegen berührt? Absichtlich? Wer in 90 Minuten im Laufduell, beim Zweikampf, beim Eckball den heißen Atem des Gegners im Nacken spürt, der kann sich den Sicherheitsabstand beim Jubeln auch schenken. Aber egal. Wie so manches an diesem Tag.

Bisweilen herrscht eine Atmosphäre wie auf einer „Betriebssportanlage beim Feierabendkick“, so kommt es Sky-Kommentator Wolff Fuß ganz ohne Größer/besser/toller-PR über die Lippen. Wer in der Leere zwischen Leipzig, Düsseldorf oder Augsburg irgendwann Günther Kochs „Ich will das nicht mehr sehen!“ zitieren will, wird das wohl ohne großes Drama in der Stimme tun.

Es ist das gleiche Spiel in einer anderen Sprache, in einer, an die man sich gewöhnen muss. An die neuen Wechselmöglichkeiten etwa, wie man sie sonst nur vom Testspiel kannte. Schalke wechselt als erstes Team der Bundesliga-Historie fünf Mal. Das ist beim 0:4 im Revierderby in Dortmund aber eher der unwichtigere Geschichtsbuch-Eintrag.

Die Re-Start-Bundesliga riecht nach Desinfektionsmittel, nicht nach Stadionwurst und Bier. Auch wenn der britische „Independent“ schon tapfer von der „Post-Covid-Ära“ spricht, als würde sich das Virus in Luft auflösen, nur weil Erling Haaland wieder Tore für Dortmund schießen darf. Auch in der Premier League wird wahrscheinlich im nächsten Monat die Show weitergehen. Denn auch in den anderen Ländern wünschen viele der Bundesliga mit ihrem Neustart viel Erfolg. Er dient als Gradmesser – oder als Menetekel: Wenn es in Deutschland nicht klappen sollte – für Prognosen ist es viel zu früh –, dann wird es in anderen Ländern eher auch nicht funktionieren.

Die „Gazzetta dello Sport“ hat regelrecht Entzugserscheinungen. „Hätten wir für die Menschheit einen Fußballer wählen müssen, nur um diesem Bastard eines Virus ins Gesicht zu schlagen, hätten wir uns für Erling Haaland entschieden“, schreibt die Sportzeitung: „Er ist es, der herabsteigt und den ersten Schritt auf diesem unbekannten Planeten tut, die Augen der Welt auf ihm, und sein Hemd so gelb wie der Mond. Dortmund - Schalke 04, er schießt in der 29. Minute ins Netz. (...). Die Bundesliga hat den Fußball nach Monaten des Todes und der Angst wieder zum Leben erweckt, hat die Weichen für die anderen gestellt, die immer noch nach Mut und Protokollen suchen.“

Probelauf, Test, Experiment: Das ist ein Eindruck, der leicht entstehen kann. Wenn der „Zeit“-Kolumnist den ersten Geisterspieltag als „Fest für Taktiknerds“ betitelt, ist das nicht mehr als ein schöner Euphemismus: „Je mehr man Geisterspiele aus kulturellen Gründen ablehnt, desto mehr wird man zum Eventi.“ Für Taktikfans sind Konferenzschaltungen ohnehin ungeeignet. Und ohne das „Event“, ohne die Rivalitäten, die Emotionen und die Dramatik, hätte der Fußball nie alle anderen Sportarten an den Rand gedrängt. So hat sich die Konferenz, die beim Bezahlsender Sky ausnahmsweise kostenfrei zu sehen war, ins Gedächtnis gebrannt: Es ist keine glanzvolle Rückkehr, keine schillernde Werbung für den Fußball und erst recht kein großer Schritt für die Menschheit. Aber - wenn es gut läuft - ein kleiner Kick in die Normalität.

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