Pro und Kontra Kann man mit gutem Gewissen die WM in Katar ansehen?

Meinung | Trier · Am Sonntag geht sie nun los, die Fußball-WM in Katar. Die einen freuen sich drauf, die anderen boykottieren sie, wollen sich kein Spiel anschauen. Auch in der Volksfreund-Redaktion gehen die Meinungen über das Turnier auseinander – so auch bei Redakteurin Katharina de Mos und Redakteur Rolf Seydewitz. Was die beiden über die WM denken, ob man sie boykottieren sollte oder nicht, lesen Sie hier:

 Die Fußball-WM in Katar sorgt für gespaltene Meinungen.

Die Fußball-WM in Katar sorgt für gespaltene Meinungen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Gegen einen Boykott: Schluss mit dem Geschimpfe – Jetzt geht’s um Fußball!

Endlich ist es so weit: Zwölf Jahre. nach der Bekanntgabe startet am Sonntag im Wüstenstaat Katar die Fußball-Weltmeisterschaft. Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt werden in den kommenden vier Wochen das Spektakel mitverfolgen. Die Vorfreude und Begeisterung der Fußballfans sind groß, schließlich gibt es eine Fußball-WM nur alle vier Jahre.

Nur in Deutschland, diesen Eindruck muss man jedenfalls haben, steigt der Fußballfrust, je näher der Anstoß zum Auftaktmatch rückt. Viele Experten, Politiker und auch Medienvertreter echauffieren sich stundenlang über Menschenrechtsverletzungen, Arbeitsunfälle oder die Verfolgung von Homosexuellen in Katar. (Das da vieles im Argen liegt, ist unbestritten.) Nur über das eigentliche Thema, ein friedliches Sportereignis mit 32 Mannschaften aus der ganzen Welt, wird bei uns allenfalls am Rande diskutiert.

Ist da nicht irgend etwas inzwischen völlig aus dem Ruder gelaufen? Muss ich jetzt schon ein schlechtes Gewissen haben, weil ich mir die Spiele der Fußball-WM anschaue? Darf ich das nur guten Gewissens tun, wenn ich auch gleichzeitig betone, dass Katar ein Unrechtsstaat ist und die Fifa korrupt? Nur mal kurz zur Erinnerung: Die letzte Fußball-WM vor vier Jahren war in Russland. Das Land ist ja nicht gerade als Musterland der Demokratie bekannt oder dafür, mit Kritikern besonders zimperlich umzugehen. In Russland gab’s auch vier Jahre davor die Olympischen Winterspiele; in China – auch nicht gerade eine Wiege der Demokratie – 2008 die Olympischen Spiele. 1978 war die Fußball-WM übrigens in Argentinien. Dort herrschte seinerzeit eine Militärjunta, der viele Menschen zum Opfer fielen.

Sportliche Großereignisse gab es immer schon auch in Ländern, in denen Andersdenkende und Minderheiten verfolgt wurden. Würde man solche Staaten konsequent meiden, fiele künftig womöglich auch ein europäisches Land wie Ungarn durchs Rost.

Apropos Fifa und Korruption: Ohne Schmiergeldzahlungen hätte es das Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland nicht gegeben. Das ist kein Sommermärchen, sondern bittere Realität. r.seydewitz@volksfreund.de

Für einen Boykott: Menschenrechte sind wichtiger als Fußball!

Die WM in Katar liefert so viele Gründe, dieses „Fußballfest“ komplett zu boykottieren, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Was wiegt schwerer? Der Tod all der Menschen, die auf den brütend heißen WM-Baustellen an „Herzversagen“ oder „akutem Atemstillstand“ gestorben sind?

Das Leiden von Hunderttausenden Gastarbeitern, die von der Elite Katars als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, die viel zu wenig Geld für viel zu harte Arbeit bekommen und in menschenunwürdigen Unterkünften hausen, um schicke Hotels für Fußballfans zu bauen? Oder wie wäre es mit all den Menschenrechten, die in Katar missachtet werden? Wie kann man eine WM ausrichten lassen von einem Land, das Homosexualität verbietet, einem Land, in dem Frauen Männer um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie reisen, studieren oder arbeiten möchten, das die freie Meinungsäußerung einschränkt und Menschen im 21. Jahrhundert noch immer mit Peitschenhieben für Alkoholkonsum oder Ehebruch bestraft?

Spätestens die Aussage des katarischen WM-Botschafters und früheren Fußball-Nationalspielers Khalid Salman hat gezeigt, dass Lesben- und Schwulenverbände zurecht davor warnen, nach Katar zu reisen. Dass all die beschwichtigenden Zusagen die die deutsche Politik sich hat geben lassen, nichts wert sind. Salman hatte Homosexualität in einem Interview mit dem ZDF als „geistigen Schaden“ bezeichnet. Mit solchen Leuten kann man keine gemeinsame Sache machen! Nicht einmal, wenn es um etwas so wichtiges wie Fußball geht.

Dann wäre da – so ganz nebenbei – noch die Frage, wie man eine derartige Verschleuderung von Ressourcen mitten in der Wüste angesichts der Klimakrise zulassen kann, wo es auf der Welt schon Tausende fix und fertig gebaute Stadien gibt, in denen man problemlos Fußball spielen könnte, ohne dass Menschen dafür sterben?

Am ekligsten ist vielleicht noch der Verdacht, dass die Fifa all dies für Geld in Kauf genommen hat. Was ein schmieriges Geschäft. Schon damit so etwas nie wieder passieren kann, muss die Welt jetzt ein deutliches Zeichen setzen. Wem Menschenrechte etwas Wert sind, der muss diese WM boykottieren. k.demos@volksfreund.de

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