Handball vor Gericht: Prozess in Kiel beginnt

Kiel (dpa) · Einmal mehr schaut Handball-Europa nach Kiel. Schauplatz ist am 21. September jedoch nicht wie gewohnt die Ostseehalle, sondern die 5. Strafkammer des Landgerichts.

Im Saal 232 prüfen die Juristen dann die Vorwürfe, die damals Verantwortlichen des THW Kiel hätten das Champions-League-Finale 2007 gegen die SG Flensburg-Handewitt durch Schiedsrichterbestechung manipuliert.

Für Ex-THW-Manager Uwe Schwenker und den ebenfalls angeklagten früheren Kieler Trainer Zvonimir Serdarusic steht nicht nur ihre berufliche Zukunft auf dem Spiel. Es geht um die Glaubwürdigkeit einer gesamten Sportart. „Es muss endlich aufgearbeitet werden, das ist im Sinne aller“, sagt Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga. Die Vorwürfe waren am 28. Februar 2009 öffentlich geworden.

Schwenker und Serdarusic werden Untreue, Betrug und Bestechung im geschäftlichen Verkehr beziehungsweise Beihilfe vorgeworfen. Ungeklärt ist der Verbleib von 152 000 Euro, davon sollen 92 000 Euro über einen kroatischen Mittelsmann an die polnischen Schiedsrichter der Finalpartie geflossen sein. Alle Beteiligten bestreiten die Vorwürfe. Die Anwälte geben sich siegessicher, und auch Schwenker, der aufgrund des Skandals seinen Job verlor, ist zuversichtlich. Endlich werde „auch zur Sprache kommen, was wirklich gelaufen ist“, sagte er zuvor in einem Radio-Interview. Doch erscheint völlig offen, wie das Gericht die komplexe Indizienlage bewertet.

Große Aufmerksamkeit schenkt das Gericht zudem den Aussagen der vielen Zeugen. Aus diesem Grund sind bereits 21 Prozesstage angesetzt worden. Am ersten Prozesstag wird zunächst die Anklageschrift verlesen und eine Kriminalbeamtin zum Verfahren vernommen. Am 28. und 30. September hört das Gericht Jesper Nielsen, einen der wichtigsten Zeugen.

Der dänische Gesellschafter der Rhein-Neckar Löwen hat vor der Staatsanwaltschaft Kiel ausgesagt, Schwenker habe ihm am Rande des WM-Endspiels 2009 in Zagreb erklärt, das Champions-League-Finale von 2007 sei verschoben worden, allerdings auf Initiative von Serdarusic. Auch saß Nielsen nach eigenen Angaben im Februar 2009 mit am Tisch, als das Ehepaar Serdarusic die Manipulationen angeblich in vielen Details beschrieben haben soll.

Schwenker sagt, die Anspannung sei da. „Das ist wie vor einem großen Spiel.“ Dabei geht es für ihn im Prozess um alles. Im Falle einer Vorstrafe verlöre er sein berufliches Standbein bei einer Versicherung, und auch eine Rückkehr auf den Posten des THW-Geschäftsführers, über die spekuliert wird, hätte sich gewiss erledigt.

Für den Handball steht ebenso viel auf dem Spiel. Sollte das Gericht der Anklage folgen, wonach das Finale manipuliert worden sei, dann wäre die Champions League schwer beschädigt: Denn Insider meinen, das Kieler Beispiel sei kein Einzelfall. Sie behaupten gar, der Wettbewerb sei eine Farce, weil häufig nur durch Korruption zu gewinnen. Auch auf der ruhmreichen Geschichte des Rekordmeisters THW Kiel, an der das Duo Schwenker/Serdarusic mit elf Meisterschaften den größten Anteil hatte, läge für immer ein Schatten.

Die Aussage des Veranstalters Europäische Handball-Föderation (EHF), eine neutrale Stelle habe keine Manipulation feststellen können, wäre dann wertlos. Die EHF-Zentrale in Wien schickt keinen Beobachter nach Kiel, will den Prozess vielmehr über die Medien verfolgen und nach dem Urteil das verbandsinterne Verfahren, das derzeit ruht, in Gang setzen. Die deutsche HBL indes schickt als Beobachter Justiziar und Ex-Nationaltorwart Andreas Thiel zum spektakulärsten Prozess der Handballgeschichte.

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