Die Miezen-Flüsterer

Trier · Im Abstiegskampf gehen die Trierer Miezen neue Wege. Unter anderem feilen die Spielerinnen, Trainer Jörn Ilper und die Vereins-Verantwortlichen an ihrer mentalen Stärke. Eine Maßnahme, die sich offenbar lohnt.

 Der Löwe im Hintergrund als Sinnbild für Kraft, Herz und eine majestätische Haltung. Christine Neuner und Christian Kaiser versuchen, den Miezen zu mentaler Stärke zu verhelfen. TV-Foto: Mirko Blahak

Der Löwe im Hintergrund als Sinnbild für Kraft, Herz und eine majestätische Haltung. Christine Neuner und Christian Kaiser versuchen, den Miezen zu mentaler Stärke zu verhelfen. TV-Foto: Mirko Blahak

Trier. Die Eindrücke beim ersten Trainingsbesuch im vergangenen Herbst waren ernüchternd und ermutigend zugleich. "Unser Gefühl war: Keiner kommt richtig aus sich raus. Vorhandenes Potenzial wird nicht ausgeschöpft." Mentaltrainerin Christine Neuner und ihr Lebensgefährte, Kommunikationsberater Christian Kaiser, verfolgten eine Übungseinheit der Miezen, um sich ein Bild der Lage zu machen. Und um zu sehen, ob und wie sie helfen können.
Der Kontakt entstand über die Bekanntschaft von MJC-Vorstandsmitglied Jürgen Brech zu Kaiser, der auch Sänger der Band Klimaschock ist. Er bot Hilfe an - aus dem ersten Trainingsbesuch erwuchs eine intensive Zusammenarbeit zwischen Verein, Neuner und Kaiser. Es gab viele Einzelgespräche in Neuners Räumlichkeiten nahe der Arena Trier. Zudem lotste das Duo die Mannschaft zu einem Treffen auf den Brubacher Hof. Das Thema: Pferdecoaching. Neuner, die aus dem Reitsport kommt, begründet den Ansatz: "Pferde sind zu 100 Prozent authentisch und Menschen gegenüber sehr offen. Gleichzeitig werden Menschen offener und emotionaler, wenn sie mit Pferden zusammenarbeiten."
Den Spielerinnen wurden Teamaufgaben gestellt. Sie sollten zwei Pferde dazu bringen, über eine niedrige Hürde zu springen. Neuner: "Zur Lösung des Problems mussten sich die Spielerinnen untereinander effektiv auseinandersetzen." Übertragen auf den Handball heißt das: Auch während eines Spiels steht die Mannschaft vor Hindernissen, vor Aufgaben. Sie gilt es zu lösen - durch persönlichen Stressabbau, gemeinsame Lösungsfindung, Teamgeist und sinnvolle Kommunikation.
Training mit Pferden ist keine neue Erfindung, betont Kaiser: "In den vergangenen 500 Jahren wurden zum Beispiel Feldherrn, Könige oder Adlige gecoacht."
Die Arbeit mit den Miezen scheint erste Früchte zu tragen. "Carolin Schmele zum Beispiel war in einer Krise. Es ist toll zu sehen, wie sie jetzt den Schalter umlegt. Generell beobachten wir, dass die Mannschaft auch bei Rückständen nicht mehr in ein Frustloch fällt."
Trainer Jörn Ilper bekennt, eine Menge gelernt zu haben: "Ich habe jetzt ein viel besseres Verständnis, wie eine Frauenmannschaft zu trainieren ist - zum Beispiel in Fragen der Konfliktbewältigung und Ansprachen."
Erstaunlich offene Antworten


Schon nach den ersten Gesprächen hatten sich die vorhandenen Probleme herauskristallisiert. Es gab ein großes Kommunikationsproblem. Zwischen Trainer und Mannschaft. Und zwischen den Spielerinnen. Und es wurde deutlich, dass Ilper entlastet werden muss - durch Assistenztrainer, die sich unter anderem in Physiotherapeut Sebastian Bethge und Miezen-Ikone Svetlana Mozgowaia fanden.
Neuner und Kaiser loben die Bereitschaft der Miezen, sich auf ein Mentaltraining einzulassen: "Von den Spielerinnen gab es direkt erstaunlich offene Antworten. Da war ganz schnell Feuer da. Und auch Jörn Ilper sagte sofort: ,Ja, ich will Unterstützung.\'"
Die Mission bleibt schwierig. Die Miezen waren ganz unten, auf allen Beteiligten lastete ein enormer Druck. Trotz zuletzt vier Punkten aus drei Spielen ist im Abstiegskampf noch nichts gewonnen. Neuerliche Rückschläge sind einzukalkulieren. Deshalb soll die Arbeit weitergehen. Neuner: "Mentaltraining muss intensiv geübt werden."Extra

Wiedersehen: Gelingt der DJK/MJC Trier vier Tage nach der 29:29-Sensation beim HC Leipzig die nächste Überraschung? Mit Blick auf das Heimspiel am Sonntag, 16 Uhr, in der Arena Trier gegen den amtierenden deutschen Meister Thüringer HC mahnt Miezen-Trainer Jörn Ilper zu Realitätssinn, gleichzeitig strahlt er ein neues Selbstbewusstsein aus: "Es wäre vermessen, von einem Sieg oder Punktgewinn auszugehen. Der THC ist klarer Favorit und besitzt einen sehr breiten Kader. Wollen wir eine Chance haben, muss wie in Leipzig alles zusammenpassen. Undenkbar ist das nicht. Ich glaube schon daran, dass das funktionieren kann." Ob Silvia Solic einsatzbereit ist, war noch unklar. Ilper: "Sie war zunächst bis gestern krankgeschrieben. Ich hoffe, dass sie bis Sonntag fit wird." In der Hinrunde fügte der Thüringer HC den Miezen beim 46:25 eine desaströse Niederlage zu. Zuletzt aber blieb die Mannschaft mit den Ex-Miezen Anja Althaus, Nadja Nadgornaja, Maike März und Lydia Jakubisova in drei Partien nacheinander sieglos. bl

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